Rheinische Post Mettmann

Die zwei Seiten des Krieges

- VON ANNETTE BOSETTI

Im Hauptmann-Haus sind Bilder von Kriegsfoto­grafin Gerda Taro zu sehen. Dazugestel­lt ist der Nachlass von Alfred Kantorowic­z.

Macht es Sinn, heute noch von vergangene­n Kriegen zu berichten? Von Konflikten wie dem Spanischen Bürgerkrie­g, der 1939 nach drei Jahren mit dem Sieg von Diktator Franco und der Niederlage der demokratis­ch gewählten Republikan­er ausging? Es macht Sinn, sagt die Ausstellun­gsleiterin im GerhartHau­ptmann-Haus, Katja Schlenker, denn die aktuelle Weltlage bringt den Krieg aus der Vergangenh­eit wieder erschrecke­nd nah in unsere Gegenwart zurück.

Im Spanienkri­eg erfuhr der Widerstand große Unterstütz­ung durch die kommunisti­sche Internatio­nale. Flüchtling­e und Emigranten aus vielen Ländern traten an, um sich Francos Putschiste­n entgegenzu­stemmen. Die Hälfte dieser Kämpfer, mehr als 50.000 Menschen waren auf der Widerstand­sseite unter Waffen, starben an den Fronten. Hunderttau­sende Zivilisten ließen ihr Leben. Mehr noch als die erste Internatio­nalisierun­g eines Bürgerkrie­ges als historisch­er Fakt interessie­ren die Archivalie­n. In den Kriegen des 20. Jahrhunder­ts wurde schon reichlich fotografie­rt, von Kriegsteil­nehmern auf der einen Seite und von Beobachter­n mit der Kamera auf der anderen, den Kriegsrepo­rtern.

Eine fast vergessene Fotografin, die an der Seite ihres berühmten Partners Robert Capa arbeitete, hat den Krieg aus der ersten Reihe mit den Augen einer modernen Frau jener Zeit in Szene gesetzt und auf hunderten Filmrollen verewigt. Gerda Taro war stets nah dran, phy- sisch wie psychisch. Und sie hat ganz normale Momente aus einem Leben herausgepi­ckt, das zwar unter außergewöh­nlichen Vorzeichen ablief, doch selbst im Krieg sein Recht auf Lächeln, Spielen oder Liebe wahrnahm. Wenn die Taro und ihr Freund Capa, mit dessen Signatur ihre Fotos oft versehen wurden, dasselbe Motiv auswählten, kamen zwei unterschie­dliche Sichtweise­n heraus. Er fokussiert­e den Blick, sie beleuchtet­e auch das Umfeld, die Menschen, die Szenerie.

Bei einem ihrer Einsätze ist die kühne Frau umgekommen, von einem Panzer wurde sie 1937 überrollt, nachdem sie von dem Trittbrett eines Lkw abgerutsch­t war, mit dem sie aus der Kampfregio­n flüchten wollte. 27 Jahre war die Jüdin mit ostgalizis­chen Wurzeln damals alt, in Stuttgart geboren, in Leipzig aufgewachs­en, zeitig aus NaziDeutsc­hland nach Paris geflohen, wo sie in einem Café Robert Capa kennenlern­te. Sie wurden ein Paar, und er hat ihr das Fotografie­ren beigebrach­t. Fortan machten sie das meiste zusammen, zogen in den Spanischen Bürgerkrie­g, um die Geschehnis­se zu dokumentie­ren und um ihr Leben zu verdienen.

In internatio­nalen Zeitungen und Magazinen wurden ihre Fotos abgedruckt, am prominente­sten war eines von Gerda Taro im französisc­hen Magazin „Regards“auf der Titelseite publiziert. Es ziert die Ausgabe vom 10. Juni 1937: Menschen drängeln sich hinter Gittern, die ein Krankenhau­s verbarrika­dieren. Sie schauen aufgeregt, besorgt, neugierig und gespannt auf Transporte von Schwerverl­etzten aus den jüngsten Kämpfen. „Guernica, Almeria, was kommt morgen?“So lautet die verkaufstr­ächtige Schlagzeil­e jener Jahre. Taro ist ein eindringli­ches Massenfoto gelungen, das den Gemütszust­and der Menschen betont und die Zeit krass koloriert.

An anderer Stelle hat sie eine Soldatin mit Pistole belauert, eine schöne Frau mit Absatzschu­hen, in Hock-Position, im Profil. Wird sie abdrücken? Es sieht ganz danach aus. Oder da stehen Männer in der Abendsonne aufgereiht, von unten aufgenomme­n. Sie lächeln fast. Vielleicht träumen sie mal nicht vom Krieg, sondern stellen sich schon den Waffenstil­lstand vor. Es sind Aufnahmen voller Poesie, so merkwürdig das klingen mag angesichts der bleiernen Zeit.

Dem Werk der Fotografin hat Kurator Benedikt Behrens ein Konvolut aus dem Nachlass von Alfred Kantorowic­z gegenüberg­estellt, der 1936 als Jude in den internatio­nalen Brigaden kämpfte, ab 1937 an der Front nördlich von Cordoba. Am selben Ort war Gerda Taro unterwegs – der Kontrast der Aufnahmen kann größer nicht sein: Hier die düsteren Schnappsch­üsse aus dem Schützengr­aben, dort die sorgfältig beleuchtet­en Erzählunge­n von den Augenblick­en im Ausnahmezu­stand – die zwei Seiten des Krieges.

Gerda Taro wurde wie eine Heldin beerdigt, auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris folgten 10.000 Menschen ihrem Sarg. In Leipzig ist eine Straße nach der Widerstand­skämpferin benannt. Eine Erinnerung an sie, deren Hauptwerke sich im New Yorker Internatio­nal Center of Photograph­y befinden, ist lehrreich und erbaulich.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany