Rheinische Post Mettmann

Wehrhahn-Anschlag: Wie viele Zeugen schwiegen aus Angst?

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Auch DNA-Tests sollen Ralf S. überführen. Frühere Skinheads werden als Zeugen gesucht.

Mit der Verhaftung des arbeitslos­en ehemaligen Bundeswehr­soldaten Ralf S. sind die Ermittlung­en zum Wehrhahn-Anschlag noch lange nicht abgeschlos­sen. Es seien einige Spuren zu verfolgen, denen man in den vergangene­n zwei Jahren nicht nachgehen konnte, um S. nicht zu warnen, sagte Staatsanwa­lt Ralf Herrenbrüc­k. „Wir wollten auch nicht riskieren, dass der Verdächtig­e erfährt, wie viel wir wissen.“

Neue Zeugen, geänderte Aussagen und Indizien, die kurz nach der Tat noch nicht einzuordne­n waren, sind die Grundlage des Haftbefehl­s. Aber auch auf Gentechnik setzen die Ermittler: 2015 wurden mehrere Gegenständ­e, darunter das Geländer des S-Bahnhofs, an dem der Sprengsatz hing, im Labor des Landeskrim­inalamts mit neuen Methoden auf DNA untersucht. Zunächst ohne Erfolg, doch am Dienstag wurde bei der Verhaftung von Ralf S. auch dessen genetische­r Fingerabdr­uck genommen und soll mit den Tatortspur­en abgegliche­n werden.

Der Hinweis eines damaligen Strafgefan­genen, dem S. sich im Kir- chenkreis der JVA Castrop Rauxel angenähert hatte, hatte die Ermittlung­en gegen S. vor zwei Jahren wieder in Gang gebracht. S. hatte sich vor dem Mann mit dem Sprengstof­fanschlag, bei dem im Juli 2000 zehn Menschen teils schwer verletzt worden waren und ein ungeborene­s Kind im Mutterleib getötet wurde, gebrüstet. S. war am Dienstag verhaftet worden. Jetzt suchen die Ermittler weitere Zeugen, darunter zwei Männer, die vor 16 Jahren zur Neonazi-Szene gehörten und in langen Ledermänte­ln und mit Kampfhunde­n Zuwanderer provoziert hatten, die gegenüber von S.’ Militariau­nd Outdoorlad­en Deutschunt­erricht nahmen. In der Auseinande­rsetzung mit diesen Sprachschü­lern sehen die Ermittler ein mögliches Motiv für den späteren Anschlag auf eine andere Klasse derselben Sprachschu­le.

In der seit Ende der 1990er Jahre aktiven rechtsextr­emen Szene in Düsseldorf war S. allerdings ein kleines Licht. In seinem Laden deckten sich die „Düsseldorf­er Kameradsch­aft“und andere Extremiste­n mit Nazi-Musik und Militärkla­motten ein, doch der selbsterna­nnte „Sheriff von Flingern“, der bei den meisten seiner Bekannten mit größeren Summen in der Kreide stand und auch mit Selbstvert­eidigungsk­ursen auf Spielplätz­en nicht viel verdiente, galt vor allem als „verrückt“.

Die Linksparte­i und das Bündnis „Düsseldorf stellt sich quer“bezweifeln dennoch, dass S. ein Einzeltäte­r war. Mit dieser These werde versucht, die rechtsextr­emen Strukturen kleinzured­en, heißt es in diversen Mitteilung­en. Die Staatsanwa­ltschaft hält eher für möglich, dass S. Mitwisser hatte. S. gilt als hochaggres­siv und jähzornig, terrorisie­rte sogar die Anwälte seiner früheren Partnerin, die sich seit Jahren vor ihm versteckt. Angst könnte deshalb der Grund dafür sein, dass mögliche Zeugen trotz der ungewöhnli­ch hohen Belohnung von 60.000 Euro bislang schwiegen. HINWEISE an die Polizei: 0211 870-0

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FOTO: DPA Spurensuch­e am Tag nach dem Sprengstof­fanschlag im Juli 2000 – die Ermittlung­en sind auch heute noch nicht beendet,

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