IN DÜSSELDORF
Anleitung zur soliden Neujahrsempfangs-Rede
Viele Düsseldorfer empfinden die Wochen vor Rosenmontag als Feiermarathon. Das mag für Karnevalisten stimmen, aber die enge Kaste der Düsseldorfer Wirtschaftsvertreter weiß: Der eigentliche Feiermarathon ist der Januar. Dann buhlen Einrichtungen und Verbände, Firmen und Kammern darum, den besten Neujahrsempfang der Saison zu bereiten. Welcher der Beste ist, ist vorher ganz schwer zu sagen. Das liegt daran, dass Redner, Sektglasform und Gäste im Grunde immer die gleichen sind. Gäste und Redner dabei meist im Rollentausch. Beim eigenen Empfang darf der Boss reden, bei allen anderen ist dieser dagegen nur der Gast, der zuhören und trinken (manchmal auch essen) darf.
Sollten Sie zu den Bossen gehören, die also eine Rede halten, so gelten folgende Tipps: Erstmal begrüßen Sie den OB, gerne auch überschwänglich als „ersten Bürger der Stadt“, so er pünktlich da ist. Dann Politiker nach Rang absteigend (Bundestag, Landtag, Bürgermeister, Bezirk etc). Dann alle Ehrenund Würdenträger. Dann aufhören! Wahrscheinlich hört Ihnen außer den Genannten eh keiner mehr zu. Die Rede selbst sollte so kurz wie möglich sein, und nicht zu bitter. Sagen Sie, wie toll Düsseldorf ist, loben Sie die Gäste, verwenden Sie wirtschafts-pro-aktive Begriffe wie „Wirtschaftsmetropole am Rhein“, „Jobmaschine“oder „Boomtown“. Gerne auch Ten-Minute-City wegen der kurzen Wege. Messechef Werner M. Dornscheidt fährt mit dem Begriff seit Jahren in Reden gut. Dann lassen Sie einige deutsche und angelsächsische Wirtschaftsbegriffe fallen, die Ihren Zuhörern versichern, dass Sie Ahnung haben. Etwa „Industrie 4.0“, „Start-ups“, „Fachkräftemangel“, „TTIP“oder „Kreditklemme“(letzteres nicht, wenn Sie Banker sind, bitte) und gerne die unverbindlichen Allgemeinplätze „Relationship“und „alle Stakeholder“. Wichtig ist da das „alle“, weil Sie damit wirklich jeden ansprechen. Nach zehn Minuten sollten Sie aber fertig werden. Denn auch wenn es keiner zugeben würden. Die Gäste kommen zum dutzendsten Neujahrsempfang nicht unbedingt Ihrer Rede wegen . . . schließlich gibt es ja noch Häppchen und Sekt.