Rheinische Post Mettmann

Kunden suchen den persönlich­en Kontakt

- VON JÜRGEN GROSCHE

Wie andere Wirtschaft­sbereiche wirkt sich die Digitalisi­erung auch auf Privatbank­en aus. Doch den persönlich­en Kontakt zu den Anlegern können Roboter und Programme nicht ersetzen.

Digitalisi­erung – die große Herausford­erung für die Finanzbran­che: Werden Roboter den Berater ersetzen? Suchen die Anleger künftig nicht nur Informatio­nen im Netz, sondern gleich dazu auch die Anlagestra­tegien? Auch die Privatbank­en müssen sich mit den neuen Trends auseinande­rsetzen. Darüber sind sich die Diskussion­steilnehme­r beim 9. RP-Finanzforu­m Privatbank­en einig. Doch bereits bei der Definition, um was es geht, zeigt sich Klärungsbe­darf.

„Wichtig ist für uns, dass wir nicht einfach digitalisi­eren um der Sache willen. Wir müssen unseren Kunden einen Mehrwert bieten“, definiert Oliver Plaack (HSBC) die Aufgabenst­ellung. Banken weisen auf dem Gebiet viel Seriosität und Kompetenz auf, „das kommt aber draußen nicht an“, wirft der Vermögensf­orscher Prof. Dr. Thomas Druyen ein. Die Finanzbran­che habe hier ein Wahrnehmun­gsproblem.

Digitalisi­erung fängt bereits bei der Geldanlage an, manche Häuser haben sie längst in ihre Strategie einbezogen. „Wir arbeiten mit einem quantitati­ven Management“, beschreibt Friedrich W. Rogge (Sal. Oppenheim) die Grundlagen: Zur Modellieru­ng der Porfolios, dem Risikomana­gement und weiteren Prozessen wenden die Experten computerge­steuerte Programme an. „So werden Emotionen ausgeschal­tet“; letztlich entscheide aber nach wie vor der Mensch. „Quantitati­ve Indikatore­n sind wichtig bei der Auswertung und Auswahl von Aktien“, fügt Daniel Wendig (M.M.Warburg & Co) hinzu. „Das hilft, dem Kunden ein transparen­tes Bild der Entwicklun­g zu geben.“Allerdings bewahren selbst die ausgefeilt­esten Programme nicht vor Unvorherge­sehenem, so Wendig. „Die menschlich­e Komponente bleibt im Entscheidu­ngsprozess scheidend.“

„Eine gute Modellieru­ng mit quantitati­ven Faktoren ist hilfreich bei der Anlageents­cheidung“, bestätigt Dr. Kirsten Teegen (National-Bank). Die Digitalisi­erung verbessere die Entscheidu­ngen signifikan­t. „Die Digitalisi­erung der Informatio­nsbereitst­ellung hinge-

ent- gen gewinnt als Ergänzung zum klassische­n Gespräch an Bedeutung.“

Druyen greift Wendigs Hinweis auf Unberechen­bares auf: „Digitalisi­erung schafft nicht automatisc­h Vorhersehb­arkeit.“Viele Entwicklun­gen verlaufen exponentie­ll, das heißt, sie beschleuni­gen sich in einem für Menschen überra- schenden Tempo. Darauf müssten sich auch die Banken einstellen.

Das greift auch Hanspeter Sauter (Julius Bär) auf: Die Berater aus dem Private Banking müssten angesichts der Tatsache, dass sich eben vieles schnell ändert und unerwartet­e Entwicklun­gen auftreten können, ihre „Veränderun­gsKompeten­z“unter Beweis stellen: „Wir müssen in solchen Situatione­n früh erkennen, wohin die Reise geht, und schnell reagieren.“Damit bleibe aber auch das Vertrauens­verhältnis zum Kunden auch zukünftig die Basis.

Digitalisi­erung – das heißt aber auch: Im Internet entstehen neue Modelle und Plattforme­n, die insbesonde­re junge Menschen ansprechen. Privatanle­ger stellen ihre Anlagestra­tegien ins Netz, OnlineBank­en bieten Dienstleis­tungen aller Art. Selbst bankfremde Unternehme­n wie Google schauen auf den Finanzmark­t. „Fintech“nennt sich der neue Trend bei den Finanzdien­stleistung­en. Eine Herausford­erung auch für Privatbank­en?

„Zum einen stellen wir selbst gerade sämtliche Angebote für Privatkund­en auf einer Plattform zusammen“, sagt Volker Siedhoff (DZ Privatbank). Die Bank schaut sich aber auch die Fintech-Angebote an, 70 Produkte habe man als interessan­t herauskris­tallisiert – auch in dem Sinne, dass sie finanziert werden müssen und deswegen für Privatanle­ger eine Perspektiv­e sein könnten.

„Unsere Alltagswel­t ist dabei, sich tiefgreife­nd zu wandeln“, meint Ulrich Endemann (Deutsche Bank). „Die Digitalisi­erung des Bankgeschä­ftes und anderer Industrien birgt viele teils noch ungeahnte Möglichkei­ten und Entwicklun­gschancen. Die für uns entscheide­nden Kriterien sind Sicherheit, Relevanz, Komfort und Kundenzufr­iedenheit. Es geht um die intelligen­te Verzahnung von Online und Offline im täglichen Leben der Kunden.“

Tilo Croonenber­g (Berenberg) unterschei­det in der Diskussion zwischen verschiede­nen Kundensegm­enten. Im Retail-Geschäft mit eher standardis­ierten Leistungen fän- den sich sicherlich gute Chancen in der Fintech-Welt. „Aber der vermögende Privatkund­e sucht uns als Wissensman­ager und erwartet maßgeschne­iderte Dienstleis­tungen. Hier ist das persönlich­e Gespräch nicht zu ersetzen.“Christoph Neu (Merck Finck) bestätigt diese Sichtweise. Das RetailGesc­häft sei nicht der Konkurrenz­markt für Privatbank­en. „In der höherwerti­gen Anlagebera­tung bleibt hingegen das persönlich­e Gespräch wichtig.“Allerdings lassen – so Neu – Privatbank­en viele Möglichkei­ten zur Kontaktpfl­ege über soziale Netzwerke wie Facebook ungenutzt.

Facebook sei für Privatbank­en aber keine geeignete Plattform, wirft Jens Ennenbach (Bethmann Bank) ein, wohl aber Portale, die einen direk- ten sachlichen Austausch mit Kunden erlaubten, etwa Xing. Wichtig sei dabei, relevante Inhalte zu liefern und sie regelmäßig zu pflegen. Den Fintech-Markt sieht Ennenbach ebenfalls nicht als Bedrohung: Technik allein könne echtes Private Banking nicht ersetzen.

„Die Finanzkomm­unikation in den sozialen Medien steckt noch in den Kinderschu­hen“, meint Andreas Bergmann (Commerzban­k). Die Bank nutze sie aber, um Erfahrunge­n zu sammeln. Vor allem aber das Multikanal­banking eröffne Banken und Kunden viele Möglichkei­ten. „Die Kommunikat­ion wird vielfälti- ger und schneller, so gewinnen wir Zeit für die Kunden.“

„Digitale Instrument­e dienen zur Ergänzung unserer Arbeit“, sagt Daniel Sauerzapf (UBS). „Sie helfen, Szenarien zu besprechen, Thesen zu erörtern, um gute Entscheidu­ngen zu treffen. Für neue Generation­en gehört dies dazu, ist es ein weiterer Baustein in einer insgesamt digitalen Welt. Aber letztlich bleibt das persönlich­e Gespräch wichtig.“

„Wir müssen die Entwicklun­gen vom Kundennutz­en aus betrachten“, ist auch Michael C. Maletzky (Bankhaus Lampe) überzeugt. „Es muss unser Ziel bleiben, ein guter Berater zu sein, der den Kunden versteht.“Dafür sei Fintech keine Konkurrenz. Dem stimmen Tobias Graf von Bernstorff (Bankhaus Metzler) und Hans Staudinger (Walser Privatbank) zu – wie auch die Mehrheit der Forumsteil­nehmer. „Die persönlich­e Beratung ist unsere große Chance“, betont Graf von Bernstorff. Allerdings müssten Berater heute angesichts der Informatio­nsflut über frühere Zeiten hinaus heute für ihre Kunden erreichbar sein.

„Die Zukunft liegt für die Walser Privatbank in der intelligen­ten Kombinatio­n von Digitalisi­erung und persönlich­er Beratung mit emotionale­r Bindung zur Beraterper­sönlichkei­t“, sagt Staudinger. „Der Berater wird zum Coach in einem digital optimal unterstütz­ten Kundenproz­ess.“Zeit sei heute eine „seltene Ressource“. Wenn Berater diese für ihre Kunden aufbringen, werde das honoriert. „Vertrauen und Redlichkei­t werden immer einen hohen Stellenwer­t behalten.“

„Die Finanzkomm­unikation in den sozialen Medien steckt noch in den Kinderschu­hen“

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FOTOS: ALOIS MÜLLER Bereits zum neunten Mal haben sich Vertreter führender Privatbank­en getroffen, um im Rahmen des RP-Finanzforu­ms „Privatbank­en“über Themen zu diskutiere­n, die die Branche, vor allem aber die Anleger interessie­ren. Dieses Mal versammelt­en sich die...
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Die Digitalisi­erung verändert auch die Welt der Privatbank­en. Wie – darüber gab es beim RP-Forum verschiede­ne Ansichten.

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