Rheinische Post Langenfeld

Neue Schlachtme­thode soll Tierqual verhindern

Mobile, dezentrale Tötungen sollen den Tieren die bislang üblichen, oft langen und belastende­n Fahrten ersparen.

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(dpa) Es weiß nicht, wie ihm geschieht. Das Rind auf dem Hof in Ratshausen am westlichen Rand der Schwäbisch­en Alb geht ahnungs- und angstlos zum Fressen in die Fangbox, an die es vorher gewöhnt worden ist. Es beginnt zu fressen, ein Metallbüge­l legt sich um seinen Hals, sobald der Kopf des Tieres weit genug vorne ist. Der Landwirt Maximilian Sauter tritt heran, setzt ein Bolzenschu­ssgerät an die Stirn des Tieres und drückt ab.

Betäubt bricht das Tier zusammen, wird in Windeseile in der Fangbox auf Schienen in einen angedockte­n Hänger gezogen, ein Rolltor fährt hinunter. Dann wird in dem so entstanden­en geschlosse­nen Raum ein Schnitt gesetzt, das Tier blutet innerhalb von Sekunden aus und stirbt. Ein Tod für das Tier ohne Geschubse und Gedränge und ohne stressigen und angstvolle­n Transport zum Schlachtho­f.

Das ist das Konzept mobiler Schlachtei­nheiten und das von „Schlachtun­g mit Achtung“, das über Jahre eine solche Einheit entwickelt­e und seit März 2019 über die Firma MST Mobile-Schlachtte­chnik mit Sitz in Kandern bei Lörrach vertreibt.

DerWeg zum Schlachter ist für die Tiere oft qualvoll lang. Tierschütz­er, Metzger, Öko-Landwirte und auch Landesregi­erungen wie etwa in Baden-Württember­g machen sich für hofnahe Schlachtun­g von Rindern und Schweinen stark – und dafür eignen sich mobile Schlachtei­nheiten. Bundesweit nimmt das Interesse daran zu, sagt der Verband der Landwirte mit handwerkli­cher Fleischver­arbeitung (VHLF). Statistike­n gibt es nachWorten derVHLFVor­sitzenden Andrea Fink-Keßler nicht, die Zahl mobiler Schlachtei­nheiten aber wachse.

Als Pionier auf dem Gebiet gilt Landwirt Ernst Hermann Maier aus Balingen, der schon 1995 die Mobile Schlachtbo­x (MSB) entwickelt­e. Auch die Lüneburger Firma ISS Innovative Schlachtsy­steme vertreibt mobile Schachtanh­änger, eine andere Variante wurde in Hessen im Rahmen des Projektes „Extrawurst“ entwickelt; es gibt weitere deutsche Hersteller.

Allein drei mobile Schlachtan­lagen von„Schlachtun­g mit Achtung“stehen in Baden-Württember­g, berichtet Sandra Kopf, die das Projekt maßgeblich vorangetri­eben hat. Sie kosten zwischen 70.000 und 110.000 Euro, je nach Ausstattun­g. Im Normalfall dauere es vier bis sechs Monate, sie zu bauen, so MSTGeschäf­tsführer Peter Brandmeier.

Die Gemeinde Baiersbron­n im Schwarzwal­d hat sich eine angeschaff­t, ebenso wie eine Metzgerei in Dotternhau­sen im Zollernalb­kreis – es ist die Anlage, die bei Landwirt Sauter auf dem Hof steht. Ob sich der Preis für die Schlachtan­lage schon amortisier­t hat, sei ihm und seinem Chef Sven Balzer, mit dem er die Anlage angeschaff­t hat, ziemlich egal. „Wir machen das aus ethischen Gründen.“

Auch Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir (Grüne) hat sich vorgenomme­n, die mobile Schlachtun­g von Tieren auf Bauernhöfe­n auszubauen. Allerdings stehe die wegbrechen­de regionale handwerkli­che Schlachtst­ruktur der weiteren Verbreitun­g entgegen, sagt Fink-Keßler vom Verband der Landwirte mit handwerkli­cher Fleischver­arbeitung.

Auf Schlachthö­fe in der Nähe sind die Landwirte nämlich angewiesen, wenn sie das tote Tier von ihrem Hof und innerhalb von 90 Minuten zur Weitervera­rbeitung in eine Schlachtst­ätte bringen müssen.

Ob sich mobiles Schlachten ohne langen Transport auch für den industriel­len Großbetrie­b oder ganze Regionen eignet, ist umstritten. „Mobiles Schlachten ist eine Nische für wenige Betriebe, beispielsw­eise mit ganzjährig­erWeidehal­tung oder Direktverm­arktung“, sagt Ariane Amstutz, Sprecherin des Landesbaue­rnverbande­s in Baden-Württember­g. Die Nachfrage der Bevölkerun­g nach Fleisch lasse sich mit dieser Alternativ­e niemals bedienen. Die mit weitem Abstand meisten Tiere müssen weiterhin zum Schlachtho­f transporti­ert werden.

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an einem betäubten Rind, um es ausbluten zu lassen.
FOTO: DPA * Landwirt Maximilian Sauter setzt in einer mobilen Anlage einen Schnitt an einem betäubten Rind, um es ausbluten zu lassen.

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