Der erste Mord-Scherge Assads wird verurteilt
Es gibt Momente, da dürfen die Deutschen ein bisschen stolz sein auf ihre Gerichtsbarkeit. Das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz, das den syrischen Geheimdienst-Mitarbeiter Anwar R. zu lebenslanger Haft verurteilte, gehört in diese Reihe. Der Assad-Scherge hat in einem Gefängnis des syrischen Geheimdienstes als Chef der Ermittlungsabteilung 4000 Menschen foltern lassen und war laut Gericht für die Ermordung von 27 von ihnen verantwortlich. Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das sonst wohl für immer ungesühnt bliebe.
Leider war dazu ein ungewöhnliches Verfahren nötig. Denn der Täter beging seine Verbrechen im Ausland, deutsche Staatsbürger waren nicht betroffen. Warum muss also ein deutsches Gericht darüber urteilen? Und wie kann eine Beweisführung gelingen, wenn der Tatort nicht zugänglich ist und die Strukturen des syrischen Geheimdienstes undurchsichtig bleiben? Zunächst einmal ist das Verfahren eindeutig rechtsstaatlich in Ordnung. Seit 2002 gibt es das Völkerstrafrecht, nach dem deutsche Gerichte bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch Taten ohne deutsche Beteiligung ahnden müssen, wenn der Täter sich hier aufhält. Anwar R. wurde durch Opfer als Zeugen identifiziert. Menschenrechtsorganisationen können zudem ein recht zuverlässiges Bild vom Gewaltapparat des syrischen Machthabers Assad zeichnen.
Es wäre freilich besser gewesen, der Internationale Strafgerichtshof hätte geurteilt. Den erkennt Syrien nicht an. Und ein russisches Veto im UN-Sicherheitsrat hat eine Überführung des Syrers nach Den Haag verhindert. So gewinnt das Urteil internationale Bedeutung. Denn weitere Verfahren stehen an. Solange also das internationale Strafrecht versagt, müssen deutsche Gerichte einspringen, wenn die Täter hier leben. Im Dienste der Gerechtigkeit.
KOBLENZ (epd) Im weltweit ersten Prozess um Staatsfolter in Syrien hat das Koblenzer Oberlandesgericht den Hauptangeklagten unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Die Richter befanden den mutmaßlich früheren syrischen Geheimdienstmitarbeiter Anwar R. für schuldig, für 27 Morde verantwortlich zu sein. Außerdem wurde ihm unter anderem die Schuld an Folterungen und Vergewaltigungen zur Last gelegt. (AZ.: 1 StE 9/19)
Die Bundesstaatsanwaltschaft hatte dem 58-Jährigen vorgeworfen, für die Folter in mindestens 4000 Fällen, den Mord an mindestens 30 Menschen und mehrere Vergewaltigungen sowie Fälle sexualisierter Gewalt verantwortlich zu sein. Die Taten wurden zwischen April 2011 und September 2012 begangen, als Anwar R. beim syrischen Geheimdienst für die Haftanstalt Al Khatib verantwortlich war.
In dem Prozess hatte Anwar R. sich seit April 2020 mit Eyad A., ebenfalls früherer syrischer Geheimdienst-Mitarbeiter, wegen Staatsfolter verantworten müssen. Eyad A. war im Februar 2021 zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die Männer waren 2014 beziehungsweise 2018 nach Deutschland gekommen. Der Prozess war durch das Weltrechtsprinzip im Völkerrecht möglich, wonach in Deutschland auch von Ausländern in anderen Staaten begangene Verbrechen gegen die Menschlichkeit geahndet werden.