„Ich würde gerne bleiben“
Der CDU-Politiker ist Präsident des Landtags. Der 61-Jährige spricht über seine Karrierepläne und den Umgang mit „Querdenkern“.
Herr Landtagspräsident, Fackelumzüge vor dem Haus einer sächsischen Ministerin, Grabkerzen vor den Türen impfender Ärzte in NRW – wie sehr besorgt Sie das politische Klima in diesem PandemieWinter?
KUPER Im Moment gibt es viele strittige Themen. Das führt dazu, dass die Parlamente so stark wahrgenommen werden wie noch nie. Gerade von der Corona-Politik ist jeder betroffen, in der Kita, in der Schule, im Arbeitsleben, im Pflegebereich. Wir erleben im Landtag Diskussionen, die die Bürger auch führen. Wenn ein Parlament gut funktioniert, ist es ein Abbild der Gesellschaft. Eine Spaltung der Gesellschaft vermag ich da nicht zu erkennen, aber eine sehr lautstarke Minderheit.
Was erwarten Sie denn von der schweigenden Mehrheit?
KUPER Demokratie ist nie so selbstverständlich, wie wir das immer glauben. Demokratie ist eine anstrengende Staatsform. Sie braucht Bürger, die sich aus seriösen Quellen informieren, die sich dann aber auch einbringen und zu Wort melden. Es reicht nicht aus, dass nur Stadträte, Landtage und der Bundestag überzeugt davon sind, dass die Demokratie funktioniert. Sie muss von einer breiten Mehrheit getragen sein. Ich würde mir wünschen, dass die Bürgerschaft stärker und aktiver mitdiskutiert.
Wie sehr schmerzt es den Landtagspräsidenten, dass nun wieder die epidemische Lage im Land gilt – was ja de facto eine Schwächung des Parlaments darstellt?
KUPER Da muss ich widersprechen. Wir haben noch nie so viele Parlamentssitzungen wie aktuell gehabt. In Nordrhein-Westfalen haben wir von Beginn der Pandemie an eine breite Beteiligung des Parlamentes gehabt. Und das gilt trotz der Wiedereinführung der epidemischen Lage weiter. Bei der Verwendung von Mitteln aus dem Corona-Rettungsschirm muss immer erst der Haushaltsausschuss zustimmen. Wir haben eine breite Parlamentsbeteiligung.
Mutet die Politik den Menschen zu viel zu?
KUPER Die Pandemiesituation verlangt uns allen viel ab – das gilt für die Bürger und die Parlamentarier gleichermaßen.
Muss man mit Corona-Leugnern und „Querdenkern“weiter das Gespräch suchen? Oder ist mit den Einschüchterungsversuchen von Impfärzten und Gesundheitspolitikern ein Punkt erreicht, an dem Sprechen keinen Sinn mehr hat?
KUPER Unsere Hauptaufgabe in der Politik ist, den Dialog zu suchen und alles, was möglich ist, zu unternehmen. Im Landtag läuft die Diskussion nach einem Regelwerk ab, das wir uns mit der Geschäftsordnung selbst gegeben haben. Für die Diskussion im Parlament, aber auch in der Gesellschaft ist mir wichtig: Jeder hat ein Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Wir können es nicht dulden, wenn Verschwörungsmythen über das Parlament transportiert werden.
Aber welche Interventionsmöglichkeiten haben Sie als Präsidium überhaupt? Sie können ja keinen permanenten Faktencheck mitlaufen lassen.
KUPER Das Selbstregulativ des Parlaments funktioniert hervorragend. Die Fraktionen benennen es sehr klar, wenn politische Gegner inhaltlich falsch argumentieren. Da bedarf es keiner Intervention aus Richtung des Landtagspräsidenten. Bei Entgleisungen und persönlichen Beleidigungen schreiten wir natürlich ein.
Vor einem Jahr haben wir schon einmal über die hitzigeren Debatten im Landtag gesprochen. Wie ist Ihre Bilanz für das zurückliegende Jahr?
KUPER Wir haben 2021 insgesamt 19 Ordnungsmaßnahmen vollzogen, im Vorjahr waren es 31. Insgesamt sind wir bei den gelben Karten in dieser Legislatur schon bei Rüge Nummer 106 angelangt. Das ist mir eindeutig zu hoch. Wir erleben zudem gerade einen neuen Trend, dass sich Zwischenrufe ins Netz verlagern. Dann wird aus dem Plenum heraus sitzungsbegleitend getwittert. Dann kommt eine Reaktion, die aus dem Social-MediaBereich wieder ins Parlament hineingetragen wird. Das fordert uns besonders heraus.
Und wie wollen Sie dem begegnen?
KUPER Das Präsidium des Landtags ist sich einig, dass Ausfälle von Abgeordneten in sozialen Medien, die sich direkt auf eine Plenardebatte beziehen, nicht tatenlos hingenommen werden. Alles, was im Plenarsaal mit Ordnungsmaßnahmen geahndet wird, können wir auch für Aussagen in den sozialen Medien ahnden. Es muss ein direkter zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zur Sitzung gegeben sein.
Klingt rechtlich schwierig.
KUPER Wir haben ein Gutachten bei Professor Wolfgang Zeh, Verwaltungswissenschaftler und früherer Direktor im Deutschen Bundestag, in Auftrag gegeben. Das Gutachten hat diese Möglichkeit aufgezeigt, und wir wollen das auch so anwenden.
Im vergangenen Jahr gab es eine Aktion von „Extinction Rebellion“Aktivisten, die die Bannmeile durchbrochen hatten. Sie haben damals Anzeige erstattet. Was ist dabei herausgekommen?
KUPER Das Ermittlungsverfahren gegen 22 Beschuldigte läuft noch. Wir haben Strafantrag gestellt wegen Hausfriedenbruchs und der Störung der Tätigkeit eines Gesetzgebungsorgans. Das müssen wir jetzt erst einmal abwarten.
Welche Schlüsse haben Sie damals daraus gezogen?
KUPER Wir haben mit dem Ältestenrat ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, um die Sicherheit zu erhöhen. Die Polizei hat den Objektschutz verbessert, wir haben unsere eigene Gebäudesicherheit verstärkt und die Sicherheitsorganisation angepasst. Zum Beispiel können wir die Fraktionen und Abgeordneten bei Vorfällen schneller informieren.
Welche baulichen Veränderungen wird es geben?
KUPER Wir werden – neben bereits erfolgten kleineren baulichen Maßnahmen – versenkbare Poller vor dem Landtag installieren, um zu verhindern, dass Fahrzeuge direkt vor den Eingang des Landtags gefahren werden können. Damit schützen wir das Parlament. Die vorbereitenden Arbeiten sind durchgeführt. Ich bin mir mit den Fraktionen aber einig: Der Landtag wird ein offenes Haus für die Bürger bleiben. Das bedeutet auch, dass es keinen hundertprozentigen Schutz geben kann.
Sollte die CDU wieder die meisten Stimmen bei der Landtagswahl im kommenden Jahr bekommen, würden Sie dann gerne als Präsident des Landtages weitermachen?
KUPER Selbstverständlich und sehr gerne.