Heftiger Streit um die Sicherheit im Land
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und CDU-Herausforderer Armin Laschet trafen live im WDR aufeinander.
KÖLN Zwölf Tage vor der Landtagswahl haben sich NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihr Herausforderer Armin Laschet (CDU) im direkten Fernsehduell einen lebhaften Schlagabtausch geliefert. Im WDR-Fernsehen stritten die beiden gestern Abend vor allem über die Themen Bildung, Infrastruktur, Sicherheit, Zuwanderung und Wirtschaft. Insgesamt blieb die 60-minütige Debatte, die von den WDR-Chefredakteurinnen Sonia Mikich und Gabi Ludwig moderiert wurde, jedoch sachlich. Innere Sicherheit Mikich eröffnete die Debatte mit dem Thema Wohnungseinbrüche: „Ist bei Ihnen schon einmal eingebrochen worden?“Kraft und Laschet verneinten. Die Ministerpräsidentin sagte: „Die Einbruchszahlen haben uns nicht ruhen lassen. Wir haben neue Methoden eingeführt. Wir haben mehr Polizisten ausgebildet.“Laschet hielt dagegen: „NRW hat 22 Prozent der deutschen Einwohner, aber 33 Prozent der bundesweiten Einbrüche. Ich will, dass NRW so sicher ist wie andere Bundesländer.“Seine Forderung: NRW brauche die verdachtsunabhängige Schleierfahndung. Kraft sagte, dies bringe nichts: „Wir prüfen doch nicht ältere Damen am Steuer.“Der CDU-Spitzenkandidat kritisierte zudem, die rotgrüne Landesregierung tue zu wenig gegen den gewaltbereiten Salafismus. Laschet rechnete vor, die Zahl der Salafisten habe sich seit 2010 versechsfacht. „Das ist eine bedrohliche Zahl.“Zudem sei in NRW der Berliner Weihnachtsmarktattentäter Anis Amri mit zig verschiedenen Identitäten durch das Land gereist. Dennoch forderte der 56Jährige nicht den Rücktritt von In- nenminister Ralf Jäger (SPD). Darüber müssten die Wähler entscheiden. Kraft hingegen sagte, sie sehe keinen Grund, ihn zu entlassen. „Nur weil die Opposition immer nach dem Rücktritt ruft, braucht man ja trotzdem einen Sachgrund.“ Zuwanderung Kraft erklärte: „Wir sind mit Zuwanderung groß geworden und nach vorne gekommen. Jeder, der hier dauerhaft lebt und sich an die Regeln hält, ist NordrheinWestfale, unabhängig von der Religion und der Hautfarbe. Laschet: „Das stimmt.“Auch sollten alle, die auf Dauer im Land bleiben wollten, die Chance erhalten, eingebürgert zu werden, so Laschet. Bildung Beim Thema G 8/ G 9 rechtfertigte Kraft die neuen Pläne der Landesregierung: „Wir möchten jetzt jedem Schüler an jeder Schule die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, ob er das Abitur nach acht oder nach neun Jahren machen will.“Laschet räumte ein, seine Meinung zu G8/G9 geändert zu haben: „In den 90er Jahren haben alle gesagt, unsere Studenten sind zu alt, wenn sie mit dem Studium beginnen.“Aber viele Eltern hätten die verkürzte Schulzeit so nicht akzep- tiert. „Wir wollen deshalb, dass jetzt die Schulen entscheiden, ob sie G8 oder G9 anbieten.“ Soziale Gerechtigkeit Laschet warf der Ministerpräsidentin vor, das Projekt „Kein Kind zurücklassen“bringe kaum Erfolge: „Am Ende Ihrer Amtszeit ist die Kinderarmut gestiegen.“Den Kindern könne nur erfolgreich geholfen werden, wenn mehr Arbeitsplätze geschaffen würden. „Lägen wir nur einmal im Schnitt der deutschen Bundesländer, hätten wir 100.000 Arbeitslose weniger – und entsprechend weniger arme Familien“, argumentierte Laschet. Kraft, die bei diesem Thema erstmals etwas lauter wurde, verwies auf die positive Resonanz ihres Kinderprojekts in den Kommunen. Die Landesregierung habe 200 Milliarden Euro in Bildung investiert, viele Kita-Plätze geschaffen, tausende Lehrer eingestellt und die finanzielle Situation der Kommunen entscheidend verbessert. „Kinderarmut ist immer Erwachsenenarmut“, betonte Kraft. Kita-Plätze Kraft kündigte an, dass Kitas künftig in einer Kernzeit von 30 Stunden gebührenfrei sein sollen. Das Land könne dies finanzieren, dafür stehe Geld aus dem neugeregelten Länderfinanzausgleich zur Verfügung. Jeder Platz für die unter Dreijährigen werde vom Lande finanziert. Nur die Kommunen kämen nicht immer nach. Laschet hielt dem entgegen, eine solche Kita-Reform werde rund eine Milliarde Euro kosten. Bei einer Neuverschuldung von 1,6 Milliarden Euro setze die Landesregierung die falsche Priorität. Viele Kita-Träger stünden vor der Schließung, weil Rot-Grün die Kita-Reform nicht auf den Weg gebracht habe. Verkehr Die Ministerpräsidentin räumte ein, dass NRW das Stauland Nummer Eins sei. Die Infrastruktur sei über Jahrzehnte vernachlässigt worden. Auch, weil der Aufbau Ost Vorranggehabt habe. „Jetzt sagen wir, der Westen ist dran. Es geht nach vorne. Wir bauen. Aber das bedeutet auch: Die Staus können vorerst nicht weniger werden“, betonte Kraft. Laschet entgegnete: „Seit Groschek (SPD) Verkehrsminister ist, hat sich die Zahl der Staus in NRW verdoppelt.“ Wirtschaft Die Ministerpräsidentin zeichnete ein positives Bild von der Wirtschaftslage: Es gebe 720.000 so- zialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mehr, das Wirtschaftswachstum habe 2016 nur noch um 0,1 Prozentpunkte unter dem Bundesschnitt gelegen. „Wir wollen an die Spitze“, stellte sie sogleich klar. Programme, die etwa Jugendlichen den Übergang in den Arbeitsmarkt erleichtern, würden dazu beitragen. Laschet hingegen übte scharfe Kritik am Landesentwicklungsplan, der die ländlichen Regionen behindere. Nicht der Wirtschaftsminister im Kabinett Kraft habe die Wirtschaftspolitik bestimmt, sondern der Umweltminister. Zugleich müsse die Grundstoffindustrie im Ruhrgebiet stabilisiert werden, „aber nicht mit immer neuen Auflagen.“ Koalitionen Zu möglichen Koalitionen nach der Wahl untermauerte Kraft, weiter mit den Grünen regieren zu wollen. „Ich halte die Linke nicht für regierungswillig. Ich glaube auch gar nicht, dass die Linke in den Landtag kommt.“Für Laschet ist das nicht eindeutig genug Er selbst schloss jede Zusammenarbeit mit Linken und AfD aus.
Experten sahen in ersten Reaktionen keinen klaren Sieger. Der Politikwissenschaftler Stefan Marschall sagte: „Inhaltlich hat das Duell nicht die Tür zugeschlagen zu einer großen koalition.“In Meinungsumfragen hat die rot-grüne Koalition keine Mehrheit mehr. Die SPD kommt in den Befragungene auf 34 bis 37 Prozent, die CDU auf 27 bis 34. Die FDP landet bei bis zu zwölf Prozent. Die Grünen erreichen sechs Prozent. Die AfD kommt auf bis zu elf Prozent, die Linke auf bis zu acht. Morgen Abend (20.15 Uhr) treffen sich Kraft und Laschet im Fernsehstudio wieder. Dann sind auch die anderen Spitzenkandidaten dabei. Auf www.rp-online.de/tvduell: Als die Kameras aus waren . . .