Rheinische Post Langenfeld

SPD-Chef buhlt um die Wirtschaft

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BERLIN (dpa) Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD) will in seinem Ministeriu­m eine Büste des Sozialdemo­kraten Karl Schiller aufstellen, der als sein Vorgänger in diesem Amt von 1966 bis 1972 erfolgreic­h war. Die Büste soll direkt neben der des Vaters der sozialen Marktwirts­chaft, Ludwig Erhard (CDU), stehen. Die hatte seinerzeit Michael Glos (CSU) seinerzeit angeschaff­t. Der Grund: Gabriel und die ganze SPD finden es zutiefst ungerecht, dass die Partei derzeit so schlecht bei der Wirtschaft­skompetenz abschneide­t. Gabriel will das ändern, auch mit der Gründung eines SPD-Wirtschaft­sforums am Montagaben­d.

Das Hauptaugen­merk liegt auf „Wandel durch Annäherung“: Gabriel bringt seinen ganzen Beratersta­b mit in den holzgetäfe­lten Meistersaa­l nahe des Potsdamer Platzes in Berlin. Der langjährig­e Tui-Chef Michael Frenzel hat offiziell zum Gründungst­reffen des Wirtschaft­sforums geladen – es soll Kontaktund Dialogbörs­e sein, um Vorbehalte zwischen Bossen und Genossen abzubauen. Kritische Unternehme­r sollen die SPD nicht als Klassenfei­nd sehen. Wichtig sei eine Ordnungspo­litik, die dem Marktversa­gen und der Maßlosigke­it im Finanzsekt­or begegne, die Monopole und Privilegie­n bekämpfe, sagt er. „Wir haben oft anei- nander vorbei geredet“, meint Gabriel zu den Hunderten Unternehme­rn. „Wir wollen in diesem Wirtschaft­sforum neue Wege ausprobier­en und nicht bloß alte Glaubenssä­tze wiederkäue­n“, betont Gabriel, der August Bebel wegen des Erfolgs seines Buchs „Die Frau und der Sozialismu­s“als Vorbild eines Unternehme­rs preist. Das sorgt für Stirnrunze­ln bei so manchem Manager. Mit den größten Beifall gibt es für Ga- briels Kritik an der angstbeset­zten Debatte um das Freihandel­sabkommen mit den USA (TTIP).

Gabriels Problem: Es gibt heute kaum einem breiten Publikum bekannte SPD-Wirtschaft­spolitiker wie damals Karl Schiller, Gabriels eigener Kurs wird von etlichen Wirtschaft­svertreter­n als nicht immer stringent empfunden.

Interessan­t ist an diesem Abend, wer da ist. Zum Beispiel RWE-Chef Peter Terium und Eon-Vorstand Leonard Birnbaum, der engagiert mit Gabriels Staatssekr­etär Matthias Machnig diskutiert. Der Energiever­band BDEW tritt als Sponsor auf. Für die Branche geht es um viel, sie stemmt sich gegen Gabriels geplante Klimaabgab­e für über 20 Jahre alte Kohlekraft­werke. So scheint das Interesse der Manager an der SPD an diesem Abend auch etwas mit Lobbyismus zu tun zu haben.

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