Rheinische Post Krefeld Kempen
Erdogan zeigt Nerven
Die Türken entscheiden bei den Kommunalwahlen am 31. März nicht nur über Bürgermeister und Stadträte. Präsident Recep Tayyip Erdogan will die Wahlen zu einer landesweiten Vertrauensabstimmung über sich selbst machen, indem er die Türken bittet, ihm „zum letzten Mal“zu vertrauen. Hinter dem Appell steht Erdogans Befürchtung, dass seine AKP wie bei den letzten Kommunalwahlen 2019 gegen die Opposition verlieren wird, wenn er nicht eingreift.
Erdogan macht sich zu Recht Sorgen, ist aber selbst dafür verantwortlich. Die Kandidaten der AKP in der besonders wichtigen Metropole Istanbul und in der Hauptstadt Ankara sind schwach und verdanken ihre Kandidaturen einzig und allein ihrer bedingungslosen Loyalität zum Präsidenten. Die Wahl zum nationalen Volksentscheid über seine Politik zu machen, statt die Bürger über lokale Themen wie den Nahverkehr und die Müllabfuhr abstimmen zu lassen, ist riskant für Erdogan. Wenn seine Taktik erfolgreich ist, wird er die AKP in Istanbul wieder an die Macht bringen; die Karriere des bisherigen Istanbuler Bürgermeisters und Hoffnungsträgers der Opposition, Ekrem Imamoglu, wäre vorüber.
Doch viele AKP-Wähler sind wegen hoher Inflation und Einkommensschwund verärgert – es ist nicht sicher, ob der Präsident sie an die Urne bringen kann. Womöglich motiviert er eher die Wähler der Opposition dazu, ihm am Wahltag einen Denkzettel zu verpassen. Sollte Erdogans Plan nicht funktionieren und die Opposition ihre Macht in den Rathäusern von Istanbul, Ankara und anderen Städten verteidigen, hätte der Präsident nicht nur eine Kommunalwahl verloren: Der 70-Jährige hätte sich darüber hinaus eine persönliche Niederlage eingebrockt und wäre politisch angeschlagen. Am 31. März wird sich zeigen, ob sich der sonst so sichere Erdogan diesmal verschätzt hat.