Rheinische Post Krefeld Kempen
Die Fahrgemeinschaft muss grübeln
Christoph Kramer und Florian Neuhaus haben ihren Stammplatz verloren. Vor allem Nationalspieler Neuhaus tut sich schwer, Trainer Adi Hütter zu gefallen.
Christoph Kramer und Florian Neuhaus sitzen relativ häufig nebeneinander, in der Regel jedoch im Auto als Fahrgemeinschaft zwischen Düsseldorf und Mönchengladbach, nicht auf der Ersatzbank. Gegen Dortmund vergangenen Samstag war es erstmals seit sieben Monaten wieder so weit, und das Grübeln über die Reservistenrolle müsste bei Neuhaus aus diversen Gründen noch ausgiebiger ausfallen als bei Kramer. Erstens kam der Weltmeister von 2014 in der Schlussphase noch ins Spiel und half, das 1:0 zu verteidigen, davon wird gleich noch die Rede sein. Zweitens hat er in der Vergangenheit deutlich öfter solche Phasen durchgemacht als sein sechs Jahre jüngerer Kumpel.
Trainer Adi Hütter bevorzugt, wenn er schon auf eine Doppelsechs setzt, zwei echte Sechser. Neuhaus betrachtet er nach Informationen unserer Redaktion nicht als solchen, weshalb der Nationalspieler seit seiner Rückkehr aus dem EM-Urlaub unter besonders intensiver Beobachtung stand. Offenkundig hat Neuhaus seine Rolle bei der HütterBorussia noch nicht gefunden: Auf eine Torbeteiligung wartet er noch, die Zahl seiner Ballaktionen ist gegenüber der Vorsaison um fast ein Fünftel geschrumpft, entsprechend spielt Neuhaus 25 Prozent weniger Pässe, sorgt für weniger Raumgewinn, was auch daran liegt, dass seine Erfolgsquote bei den Dribblings von absolutem Top-Niveau in die Normalität abgestürzt ist.
„Am liebsten habe ich die Mischung aus fußballerischen und kämpferischen Qualitäten, dann bist du ein Top-Top-Spieler“, formulierte Hütter im Interview mit unserer Redaktion seine Idealvorstellung.
Im Mittelfeld hat ihm es vor allem der aktuelle ChampionsLeague-Sieger, der FC Chelsea, angetan. „Dort spielt in Jorginho ein hochintelligenter Spieler, der aggressiv im Zweikampf ist, ein Kanté kann auch kicken. Die können laufen und auch mal dazwischenhauen“, so Hütter. „Das ist der moderne Fußball.“Vor allem beim Laufen und Dazwischenhauen hat Neuhaus noch Luft nach oben.
Für Achter-Typen ist in den Plänen des Trainers dennoch Platz, das zeigte die Rolle von Jonas Hofmann gegen den BVB. Und wenn er spielt, orientiert sich auch Neuhaus mehr in diese Richtung – nur favorisiert Hütter eben zwei klarere Sechser. Gut möglich also, dass es am Samstag beim VfL Wolfsburg heißt: „Never change a winning team.“Sollte Manu Koné das Comeback körperlich gut verkraftet haben, stünde einem erneuten Startelf-Einsatz an der Seite Zakarias, des momentan besten Gladbachers, nichts im Wege.
Neuhaus hat durch die 90 Minuten auf der Bank nun schon genauso viele Spiele verpasst wie vergangene Saison, da war es nur eines von 46 aufgrund einer Gelbsperre, 41-mal hatte er unter Marco Rose beginnen dürfen. Gegen Dortmund stand der 24-Jährige erstmals seit Dezember 2019 ohne Einsatz im Kader. In der Nationalmannschaft hat Neuhaus mit der Rolle seit der EM ständig Vorlieb nehmen müssen, spielen durfte er zuletzt Anfang Juni im Test gegen Dänemark. Die nächste Nominierungsrunde von Hansi Flick in dieser Woche wird spannend.
Dreieinhalb der ersten sieben Spiele unter Hütter standen Neuhaus und Kramer zusammen auf dem Rasen. Dann rutschte Kramer aus der Startelf, gegen den BVB löste er nach 73 Minuten den erschöpften Koné ab. Was der Trainer in der Zeit sehen durfte, wird ihm gefallen haben: Kramers Aufgabe war es nicht, den Konter zum entscheidenden 2:0 zu fahren, er gewann alle Zweikämpfe und kam auf fast so viele Pressingaktionen (9) wie Ballkontakte (11). Auf 90 Minuten gerechnet presst unter Hütter auch keiner häufiger als Kramer. Falls der Trainer personell jetzt möglichst wenig verändern will, bliebe Kramer zumindest der erste Ansprechpartner, um die Lücke zu füllen, die Koné noch zu 100 Prozent fehlt.
Und am besten sollte die Fahrgemeinschaft Kramer-Neuhaus sich am Mittwochabend vor den Livestream setzen: Dann spielt Hütters Lieblings-Mittelfeld Jorginho-Kanté mit Chelsea bei Juventus Turin.