Rheinische Post Krefeld Kempen
Bart De Wever hat ein Drogenproblem
Der Bürgermeister von Antwerpen ist einer der wichtigsten Politiker Belgiens. Peinlich für den Chef der Nationalistenpartei ist aber, dass ausgerechnet in der von ihm regierten Stadt der Feldzug gegen den Kokainhandel offenkundig misslingt.
ANTWERPEN Die Hafenstädte in Belgien, den Niederlanden und in Spanien sind Haupteinfallstore für den Kokainschmuggel nach Europa. Das Rauschgift wird vor allem in Schiffscontainern versteckt und landet in Lieferungen von Südfrüchten aus Lateinamerika in den Häfen von Algeciras, Antwerpen und Rotterdam. In den 20 Fuß langen Hochseecontainern stoßen Fahnder auf Kokain mit besonders hohem Reinheitsgrad. Konzentrationen von 85 Prozent und mehr sind keine Seltenheit.
Nachdem die niederländischen Behörden in Rotterdam, dem größten Containerhafen der EU, ihre Kontrollen in den vergangenen Jahren verstärkt haben, konzentriert sich der Schmuggel von Kokain nach Nordeuropa mittlerweile vor allem auf den wenige Kilometer südlich gelegenen Hafen an der Schelde im belgischen Antwerpen. 2019 beschlagnahmten Zöllner im Antwerpener Hafen 61,8 Tonnen Kokain. Das ist das Zehnfache der Menge, die dort noch vor fünf Jahren sichergestellt wurde. Und das ist knapp die Hälfte der Menge von Kokain, die 2018 in der gesamten EU beschlagnahmt wurde. Dass die Fahnder ausgerechnet in der flämischen Hafenstadt so erfolgreich waren, führen Experten aber nicht auf scharfe Kontrollen zurück.Vielmehr sei es ein Hinweis darauf, dass Europa, wo schätzungsweise vier Millionen Menschen im Jahr Kokain nehmen, aufgrund einer steigenden Nachfrage mit der Droge geradezu überschwemmt werde.
Antwerpen, die sympathische Stadt mit der Diamantenbörse und dem schönen umgebauten alten Bahnhof, in dem die Züge auf mehreren Etagen ein- und auslaufen, macht inzwischen in Belgien vor allem wegen Kokain von sich reden.
In Stadtteilen mit sozial schwächerer Bevölkerung liefern sich regelmäßig Drogenhändler auf offener Straße Schießereien. Immer wieder sind unbeteiligte Bürger in diese Auseinandersetzungen verwickelt. Allein in den vergangenen drei Jahren wurden 60 Fälle von Gewalt mit dem Drogenhandel in Verbindung gebracht.
Und zunehmend bekommt der Bürgermeister von Antwerpen ein Drogenproblem. Die Stadt mit einer halben Million Einwohner wird von Bart DeWever regiert. DeWever ist einer der wichtigsten Politiker in Belgien. Er ist Chef der Nationalistenpartei NVA. Sie ist stärkste Kraft im niederländischsprachigen Landesteil und auch die größte Partei im zersplitterten belgischen Parteiensystem. Von der Programmatik her ist sie durchaus mit der deutschen AfD zu vergleichen – mit dem Unterschied, dass sie in Belgien etabliert ist und auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene mitregiert.
Sie vertritt eine Politik der harten Kante: Zuwanderer müssen sich integrieren, Flüchtlinge sind nicht willkommen, und es wird die Parole von null Toleranz gegenüber Kriminalität ausgegeben. Peinlich für den Chef der Nationalistenpartei ist allerdings, dass ausgerechnet in der von ihm regierten Stadt der Feldzug gegen die Drogenkriminalität so offenkundig eine Pleite ist. Genüsslich wird ihm dies von einer politischen Kraft, die noch weiter rechts steht, auch vorgehalten. Für den Vlaams Belang, der bei der letzten Wahl bis auf wenige Prozentpunkte an die NVA herangerückt ist, ist es ein gefundenes Fressen. Filip De Winter von Vlaams Belang höhnt bereits: „De Wever hat den Krieg gegen die Drogen in den Mittelpunkt seiner Politik gestellt, ich bin ziemlich sicher, dass er das heute bereut.“
Als der belgische Innenminister Alexander De Croo vor wenigen Tagen bekannt geben musste, wie hoch die beschlagnahmte Menge an Kokain im Antwerpener Hafen war, bemühte er sich um eine positive Botschaft. Er sei sicher, sagte er, „dass wir mit technologischen Innovationen und mit dem Einsatz von Geheimdienstwissen den Krieg gegen den Drogenhandel in den nächsten Jahren gewinnen können.“
Andere sind da nicht so sicher. Beobachter gehen davon aus, dass lediglich ein Prozent der Container, die derzeit aus Kolumbien, Brasilien und Mittelamerika in Antwerpen ankommen, auf Drogen untersucht werden. Der Antwerpener Hafen mit seiner Größe von 18.000 Fußballfeldern ist einer der größten Umschlagplätze für exotische Früchte. Die Spediteure drücken aufs Tempo, ein Öffnen der Container für Kontrollen schade der Haltbarkeit der sensiblen Ware.
Vor wenigen Tagen veröffentlichte die belgische Zeitung „De Morgen“ein Interview mit dem Kolumbianer William Rodríguez Abadía, der früher der Chef des berüchtigten Drogenkartells von Cali war. Der Mann zeigte sich verständnislos, dass in Antwerpen nicht strenger kontrolliert wird. „Wir sind bereits seit 50 Jahren in der Lage, zum Mond zu fliegen, aber schaffen es nicht, Drogen in Containern aufzuspüren?“Und weiter: „Das weist darauf hin, dass die DrogenmafiaVerbindungen hat, die bis in die Kreise von Polizei, Politik, Militär und andere Bereiche der Gesellschaft gehen.“
Und die Rechtsextremen von Vlaams Belang triumphieren. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis es im Krieg der Drogenbanden in Antwerpen den ersten Toten gebe. De Winter: „Dann bekommt diese Geschichte für De Wever eine ganz andere Dimension.