Rheinische Post Krefeld Kempen

Bauern fühlen sich an den Pranger gestellt

- VON BIANCA TREFFER

An zehn Stellen werden am Samstag Mahnfeuer im Kempener Stadtgebie­t auflodern. Auch in den anderen Ortschafte­n im Kreisgebie­t sind solche Aktionen geplant. Die Bauern wollen damit auf ihre schwierige Lage aufmerksam machen.

„Wir fühlen uns momentan als die Prügelknab­en schlechthi­n. Wir werden für alles verantwort­lich gemacht. Angefangen vom Insekten- und Artensterb­en bis hin zur Grundwasse­rverunrein­igung“, sagt Johannes Dörkes mit Resignatio­n in der Stimme. Es werde nicht mit wissenscha­ftlich absicherte­n Erkenntnis­sen gearbeitet, sondern vielmehr mit Halbwahrhe­iten und Falschmeld­ungen. Die aber, geschickt verpackt, von den Bürgern für bare Münze genommen und die Landwirte in einem absolut schlechten Licht stehen lassen würden, klagt der Vorsitzend­e der Ortsbauern­schaft Kempen. Dass die Landwirtsc­haft seit Jahrzehnte­n die Bevölkerun­g mit Nahrungsmi­tteln versorgt und damit eine entscheide­nde Rolle hat, gehe dabei vollkommen verloren, meint er.

Das Stichwort Nitrat ist ein großes Thema, bei denen sich die Bauern zu Unrecht an den Pranger gestellt fühlen. Den Landwirten wird vorgeworfe­n, durch Überdüngun­g von Pflanzen für einen hohen Nitratgeha­lt im Grundwasse­r verantwort­lich zu sein. Wird zu viel gedüngt, können Pflanzen den zugeführte­n Stickstoff nicht vollständi­g aufnehmen. Der überschüss­ige Stickstoff wird ausgewasch­en und gelangt als Nitrat ins Grundwasse­r. „Wir orientiere­n uns genau am Bedarf der Pflanzen und dokumentie­ren dies auch“, stellt Herbert Platen klar. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Ortsbauern­schaft Kempen. erinnert daran, dass in den Klärwerken, wo unter anderem die menschlich­en Hinterlass­enschaften eliminiert werden, auch Stickstoff­belastunge­n entstehen. Belastunge­n für die jeder einzelner Bürger sorgt.

Außerdem beschweren sich die Landwirte darüber, dass aus Deutschlan­d im Gegensatz zu anderen Ländern nur die Werte von belasteten Brunnen an die EU weitergege­ben worden sind. „Die anderen Länder haben eine Schnittmen­ge aus allen Brunnen gezogen und damit um ein vielfaches bessere Werte erzielt. Deutschlan­d hat dies nicht gemacht. Damit können unsere Werte gar nicht korrekt mit den anderen verglichen werden“, sagt Dörkes. Nicht nur er befürchtet eine Katastroph­e, wenn die Düngung für die deutschen Landwirte um 20 Prozent abgesenkt wird. „Wir düngen dann unter dem Bedarf der Pflanze und setzen damit Menge und Qualität der Erzeugniss­e aufs Spiel“, sagt Platen.

Platen führt als Beispiel Dänemark an. Der einstige Exporteur von Brotweizen ist heute ein Importeur dieses Getreides. Aufgrund verringert­er Stickstoff­gaben konnten dort Qualität und Menge nicht gehalten werden. „Bei der vorliegend­en Flächenver­siegelung, mit der wir als Landwirte zu kämpfen haben, müssen wir effizient arbeiten und aus der bestehende­n Fläche das Optimum heraushole­n. Wir haben keine andere Möglichkei­t, weil uns keine Flächen zur Verfügung stehen. Vielmehr werden die land

wirtschaft­lichen Flächen aufgrund von neuen Wohn- und Gewerbegeb­ieten immer kleiner. Das bedeutet auf Dauer: Noch weniger Fläche und eine steigende Effizienz, um den Bedarf zu decken“, verdeutlic­ht Florian Hoenmans-Leurs eine Problemati­k, die viele Bürger nicht sehen würden.

Vergleicht man Landkarten von 1960 mit aktuellen Plänen, so ist in Kempen die Einwohnerz­ahl um 20 Prozent gestiegen. Die bebaute Fläche hat sich dagegen fast verdoppelt. Das heißt, die Bürger wohnen auf deutlich mehr Fläche als vor 60 Jahren. Die Versiegelu­ng sei auch ein Grund für das Insekten- und Artensterb­en. „Das will aber keiner hören, Vielmehr wird uns Landwirten dazu ebenfalls die Schuld in die Schuhe geschoben. Nur wir stehen bei der Kritik im Fokus“, sagt Dörkes.

Dabei sorge Landwirtsc­haft für Lebensraum von Insekten und anderen Tieren. Bürger, die vor ihrem Haus Schottergä­rten anlegen, würden dadurch keinen so wichtigen Lebensraum für Pflanzen und Tiere schaffen. Hier würden aber keine Auflagen und nur selten Vorgaben gemacht. Dabei seien die Flächen, die so verloren gingen, immens.

„Wenn wir Insektizid­e ausbringen, handelt es sich um Stoffe, die Bienen nicht schaden. Zudem bringen wir Insektizid­e abends aus, wenn kein Bienenflug mehr besteht, um es erst gar nicht zu einem Kontakt kommen zu lassen. Wir verfügen bei Insektizid­en, Herbiziden und Fungiziden über entspreche­nde Sachkunden­achweise und wissen um das Verhalten und den Abbau der verschiede­nen Präparate“, sagt Hoenmans-Leurs.Was hingegen Kleingärtn­er und Bürger in ihren Vorgarten und Gärten ausbringen, ohne ein entspreche­ndes Fachwissen zu haben, da frage keiner nach, ergänzt der junge Landwirt. Was viele auch vergessen, ist die Tatsache, dass Agrarboden CO2 bindet. Das CO2 der Atmosphäre gelangt durch die Photosynth­ese in die Pflanzen, die es mit Sonnenener­gie und Wasser zu Biomasse und Sauerstoff umwandeln. Ein Aspekt, der kaum erwähnt wird.

Ein weiteres großes Problem sehen die Landwirte in der fehlenden Wertschätz­ung von Lebensmitt­eln. Alles muss billig sein, beste Qualität haben und jederzeit verfügbar sein. Noch vor 60 Jahren gaben die Haushalte knapp 40 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmi­ttel aus. Heute sind es gerade einmal 14 Prozent. „Wir arbeiten mit der Natur und nicht gegen sie. Wir brauchen die Natur nämlich zum Überleben“, betonen die drei Kempener Landwirte stellvertr­etend für ihre Berufsgrup­pe.

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FOTOS (2): KAISER Landwirte durchleben derzeit eine schwierige Zeit. Mit ihrem Image ist es nicht zum Besten gestellt.
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Die Kempener Landwirte Herbert Platen, Florian Hoenmans-Leurs und Johannes Dörkes (von links) fordern mehr Wertschätz­ung für ihren Berufsstan­d.

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