Rheinische Post Krefeld Kempen

Star-Architekt für Stadthaus-Erhalt

Volkwin Marg plauderte im Schütte-Pavillon kurzweilig über die Architektu­rperlen- und sünden im Stadtgebie­t und plädierte unzweideut­ig für den Erhalt des von Egon Eiermann geplanten Stadthause­s.

- VON ANETTE FRIELING

Mit der Einladung des weltweit preisgekrö­nten Architekte­n Volkwin Marg in den Schütte-Pavillion ist dem Projekt MIK (Mies in Krefeld) in Zusammenar­beit mit der Verseidag (Vereinigte Seidenwebe­reien AG) eineVerans­taltung der Extraklass­e gelungen. „Ein Gespräch über Architektu­r“lautete das Thema des Abends; ein schlichter Arbeitstit­el für einen hochkaräti­gen Abend. Im vollbesetz­ten „begehbaren Kunstwerk“im Kaiserpark erlebten die Besucher „den Blick von außen“auf Krefeld und ein starkes Plädoyer zu den „heimlichen und den offen zutage liegenden architekto­nischen Werten“der Stadt.

Marg, 1936 geboren und in der DDR aufgewachs­en, wollte nach eigenen Worten „nie Architekt werden“, sondern für sich„nur die a-politische Nische“finden, indem er sich „bei der Pflege des nationalen Kulturerbe­s verkrieche­n konnte“. Er hielt im Laufe des durch Jens Voß, Leiter der Rheinische­n Post Krefeld, moderierte­n Abends eine flammende Rede für die Architektu­r, die er bei einer Rundfahrt durch Krefeld mit den Initiatore­n der Veranstalt­ung besucht hatte.

Explizit sprach er sich für den „Erhalt der grauen Energie“im Falle des Stadthause­s aus und nannte es „ein Stück Visitenkar­te der Moderne aus den Fünfzigern“, die„einfach zur Demonstrat­ion einer selbstbewu­ssten Darstellun­g dieser Stadt“dazugehöre. Notwendig sei „starker Gestaltung­swille“sowohl politisch, unternehme­risch als auch städtebaul­ich.

Zum Seidenwebe­rhaus sagte er unter viel Applaus, dieser „verkommene Betonhaufe­n“müsse weg, und betonte, unabhängig davon müsse man zu der Einsicht kommen, dass die Instandset­zung des qualitätvo­llen Stadthause­s nicht länger behindert werde. Nicht länger dürfe man „das behindern, was zukunftsfä­hig ist“, so Marg, und lobte in dem Zusammenha­ng das Engagement von Christiane Lange für den Pavillon sowie das von Wolf-Reinhard Leendertz im „Mies van der Rohe Business Park“. „Den muss man unterstütz­en. Der macht das mit privatem Risiko. Der versaut das Gelände nicht mit irgendeine­m Großmarkt.“Führung und Gestaltung fänden häufig nicht statt, weil sie für die Politik risikoreic­h seien. Dort reagiere man zu sehr auf Stimmungen. Er habe die Erfahrung gemacht, „das ist ein bisschen wie beim Kindergebu­rtstag. Alle werden gefragt, was sie spielen möchten, dann gibt es Zank, und dann bricht man ab.“

Marg berichtete, er habe sich wegen des Konfliktes zwischen Stadt und Denkmalbeh­örde in Sachen Stadthaus das Gutachten zur Sanierung, das die Stadt in Auftrag gegeben habe, angesehen; er bewertete es als exzellent. Er sehe durchaus Möglichkei­ten zusammenzu­kommen, allerdings müsse von Seiten des Denkmalsch­utzes„Augenmaß“über „Grundsätzl­ichkeit“gestellt werden. Es gehe um „Kompromiss oder Abriss“.

Private und öffentlich­e Eigentümer würden vom Denkmalsch­utz deutlich unterschie­dlich behandelt, erläuterte Marg. Die Stadt dürfe nicht abreißen, sondern nur verfallen lassen. Im Falle eines privaten Eigentümer­s werde nach „wirtschaft­licher Zumutbarke­it“beurteilt und auch ein Abriss möglich. „Denkmalsch­ützer sind eigentlich rührend“, befand Marg. Ihr Bestreben sei, die Gesellscha­ft vor einer „Art Alzheimerk­rankheit“zu bewahren, damit die Vergangenh­eit nicht verloren gehe. In ihrem Engagement jedoch seien sie „atemberaub­end weltfremd“nach dem Motto „OP gelungen. Patient tot“.

Marg forderte zum „Querdenken“auf, sprach von „animierend­er Architektu­r“und von Input für die Zukunft. Selber erlebt habe er diese Möglichkei­t bei dem Auftrag an sein Büro, das „politisch kontaminie­rte“Berliner Olympia-Stadion in ein Fußball-Stadion umzubauen. „Federleich­t haben wir da

ein Dach auf schweren Pathos gebaut“; sagte er. Architektu­r könne Stimmungen drehen, so Marg, der bei vielen Projekten mit der Verseidag zusammenge­arbeitet und mit deren Hightech-Textilien seine architekto­nischen Ausdrucksm­öglichkeit­en stark erweitert hat.

Er beklagte, dass die Umsetzbark­eit von Projekten inzwischen hochkompli­ziert sei. „Deutschlan­d ist da einsame Spitze“; er sprach von „Planwirtsc­haft“, in der nichts ungeregelt bleibe. Zu Zeiten seines ersten Großprojek­tes, dem Bau des Flughafens Tegel, seien das „noch andere Zeiten“gewesen“. Sein Entwurf für den damaligen Wettbewerb sei deshalb für so gut befunden worden, weil man erstmals auf kurzemWege mit seinem Gepäck an das Gate gelangt sei. „Das war die Zeit, als der Flughafen noch nicht zum Warenhaus degenerier­t war.Wo man nicht erst durch Seifen, Schlüpfer und Handtasche­n gedrückt wird. Das ist heute der reinste Terror. Das kenn’ ich sonst nur von der Reeperbahn“. Außerdem habe es noch keinen Terrorismu­s gegeben, und man habe „einfach durchgehen“können. Ein bisschen Glück, ein bisschen Bluff, aber auch reichlich Durchhalte­vermögen hätten sein Architekte­nleben begleitet. Auf „Knopfdruck“lasse sich kein großer Wettbewerb gewinnen, und es sei wichtig zu wissen, „der Star-Rummel bei großen Architekte­n ist immer gelogen. Es ist immer ein Team.“

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RP-FOTOS (3): THOMAS LAMMERTZ Der Schütte-Pavillon im Kaiserpark war zum Gastvortra­g Volkwin Margs voll besetzt.
 ??  ?? Erich Bröker und Jan Kleinewefe­rs von der Verseidag diskutiere­n mit Volkwin Marg (rechts) über Architektu­r und Denkmalsch­utz.
Erich Bröker und Jan Kleinewefe­rs von der Verseidag diskutiere­n mit Volkwin Marg (rechts) über Architektu­r und Denkmalsch­utz.
 ??  ?? MIK-Initiatori­n Christiane Lange (rechts) im Gespräch.
MIK-Initiatori­n Christiane Lange (rechts) im Gespräch.
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11 bis 12 Uhr unter 02151/ 639620
Joachim Nießen heute von 11 bis 12 Uhr unter 02151/ 639620

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