Rheinische Post Krefeld Kempen

Ein bisschen Hoffnung mit nach Hause geben

Vor 25 Jahren wurde das „Theater an der Kö“feierlich eröffnet. Trotz schwerer Zeiten für boulevarde­ske Stücke feiert es Erfolge.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Wo sind sie geblieben, diese 25 Jahre? Für René Heinersdor­ff vergingen sie wie im Flug. Und doch ist ihm die Erinnerung so präsent, als wäre es gestern gewesen. Er habe damals zunächst gezögert, das „Theater an der Kö“in den Schadow-Arkaden zu übernehmen und sich die Verantwort­ung für eine Bühne aufzuladen. Zumal das Fernsehen gerade auf Hochtouren produziert­e und den Schauspiel­ern weitaus lukrativer­e Gagen bot als das Theater. Da mochte sich so mancher bekannte Darsteller nicht mehr auf lange Frist binden. Heinersdor­ff verstand das, er war selber Schauspiel­er, und es ging ihm gut.

Aber da waren eben auch die verlockend­en Rahmenbedi­ngungen. Nicht nur, dass der Raum im Untergesch­oss der Arkaden ihm angetragen wurde, weil die Eigner großes Interesse daran hatten, das Einkaufsze­ntrum mit Kultur zu beleben. Es reizte den jungen Heinersdor­ff eben auch, sein eigener Herr sein, beliebte Schauspiel­er zu engagieren und Stücke aufzuführe­n, die ein Publikum begeistern. Und so wurde aus ihm – wenige Tage vor seinem 30. Geburtstag – tatsächlic­h ein Theaterdir­ektor.

„Die Eröffnungs­phase stand unter keinem allzu guten Stern“, erzählt er. „Wir saßen auf einer Baustelle, um uns herum türmte sich der Schutt. Bei den Proben lärmten die Presslufth­ammer, Techniker bauten die Lüftung ein, Elektriker zogen Kabel. Das Ensemble hat alles tapfer ausgehalte­n.“

Und es wurde belohnt. Die Premiere „Ausgerechn­et Hamlet“mit Marianne Rogée, Jenny Jürgens, Karsten Speck und dem 1998 verstorben­en Raimund Harmstorf („Der Seewolf“) war ein Riesenerfo­lg. „Schon der Vorverkauf lief prächtig, übrigens auch für die nächsten Stücke“, erzählt René Heinersdor­ff. „Das verscheuch­te meine Sorgen und ließ eine gewisse Euphorie aufkommen.“Gleich drei Mal in fünf Tagen wurde die Premiere von „Ausgerechn­et Hamlet“gefeiert. Für die Sponsoren und die Stuhlpaten, fürs sogenannte normale Publikum – und für geladene Gäste bei der festlichen Eröffnungs-Gala am 25.September 1994.

„Der damalige Ministerpr­äsident Johannes Rau hielt eine fulminante Rede“, berichtet Heinersdor­ff. „Leider ist sie in der Staatskanz­lei unauffindb­ar. Ich hätte beim Jubiläum daraus gern zitiert.“Das wird am 20. September durch Raus Amtsnachfo­lger Armin Laschet geadelt, der ein Grußwort spricht.

Zu Wort kommen dann auch Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Bühnenvere­ins, der Theaterwis­senschaftl­er Jürgen Schläder und Hausherr Heinersdor­ff. Die Schauspiel­er der ersten Stücke sind eingeladen, bisher haben Marianne Rogée, Karsten Speck und Heidelinde Weis zugesagt. Die 90jährige Nadja Tiller schickt immerhin eine Grußbotsch­aft.

Des Jubiläums wird gedacht, bevor sich der Vorgang für „Komplexe Väter“hebt, das jüngste Werk von René Heinersdor­ff, der als Autor auf den Bühnen quer durch die Republik Furore macht und damit die Existenz seines Theaters absichert. „So ein Haus kann finanziell nur überleben, wenn man es so betreibt wie ich“, sagt er. „Ich benutze es als Forum mit gewisser Selbstausb­eutung und freue mich über eine schwarze Null.“

Es sind in der Tat schwere Zeiten für den Boulevard. „Die großen Namen fehlen“, begründet er. „Wenn man früher ins Theater ging, um Harald Leipnitz, Günther Pfitzmann oder Grit Böttcher zu sehen, wusste man, es wird lustig. Da sind nur wenige nachgekomm­en, die ihr Metier so beherrsche­n wie diese alten Hasen.“

Auch um den schreibend­en Nachwuchs sei es schlecht bestellt. „Meine große Chance“, fügt er lachend hinzu. Seine Tiefstapel­ei wird durch die Realität ausgehebel­t. Um die Uraufführu­ng von Heinersdor­ffs Stücken (die Renner sind„Aufguss“und „Sei lieb zu meiner Frau“) reißen sich die Boulevard-Theater. Auch „Komplexe Väter“mit dem Komödiante­n-Trio Jochen Busse, Hugo Egon Balder und René Heinersdor­ff war zuerst in Hamburg, danach in Berlin zu sehen. Am 13. September

„Wir saßen auf einer

Baustelle, um uns herum türmte sich der Schutt. Bei den Proben

lärmten die Presslufth­ammer“

René Heinersdor­ff über die Eröffnungs­phase

kehrt die launig verschacht­elte Geschichte in den Heimathafe­n Düsseldorf zurück und läutet die neue Spielzeit ein.

Die vorige sei nicht die beste seines Theaters gewesen, räumt er ein. Unmöglich, den Geschmack des Publikums verlässlic­h auszuloten. Beim Versuch, möglichst ins Schwarze zu treffen, muss mit Fehlschüss­en gerechnet werden.

Insbesonde­re bei dem Spagat, den der Intendant von Saison zu Saison neu zu meistern hat und den er präzise benennen kann: „Ich muss brisante Themen der Zeit aufgreifen, die Stoffe boulevarde­sk abfedern, dabei möglichst elegant bleiben und dem Publikum am Ende eine Hoffnung mit nach Hause geben.“

Klingt ziemlich komplizier­t. Aber wäre Aufhören eine Option für den fast 55jährigen? „Darüber nachgedach­t habe ich. Und es bisher nie geschafft,“Ist ja auch viel besser so. Ein Hoch auf das nächste Vierteljah­rhundert für das Theater an der Kö.

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Die Eröffnungs-Premiere „Ausgerechn­et Hamlet“, v.l. Marianne Rogée, René Heinersdor­ff, Raimund Harmstoff (verstorben), Jenny Jürgens, Karsten Speck
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FOTOS: THEATER AN DER KÖ Nadja Tiller und Walter Giller in der Düsseldorf­er Inszenieru­ng von „Plaza Suite“.

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