Rheinische Post Krefeld Kempen
Und sie dreht sich doch (noch) – die Discokugel
Auf den ersten Blick könnte man meinen, die fünf australischen Beach Boys namens Parcels wären eine Doppelgänger-Truppe von Musikgrößen der 1970er Jahre. Jules Crommelin, Gitarrist und Leadsänger des Quintetts, ist ein perfektes Lookalike von George Harrison, Bassist Noah Hill erinnert mit seinen blonden Locken an Peter Frampton und Keyboarder Patrick Hetherington ist ein Double vom jungen Peter Gabriel. Nur Drummer Anatole Serret und der zweite Keyborder Louie Swain sehen aus wie Mitglieder einer Boyband.
Bereits 2016 gingen Konzertmitschnitte und Songs der Teenager viral. Als gerade mal 20-jährige College-Absolventen wechselten sie so plan- wie mittellos ihren Wohnsitz vom australischen Surfer-Paradies Byron Bay nach Berlin, teilten sich ein 1-Zimmer-Appartement und wuchsen als Band zusammen. Sie knüpften Kontakte und schlossen Kontrakte. Schließlich boten sich sogar Daft Punk an, Parcels ersten kleinen Club-Hit „Overnight“zu produzieren. Auch der Berliner Konzertveranstalter Kikki Heusler – der ansonsten Tourmanager der Toten Hosen und Ärzte zugleich ist – wurde auf die Jungs aufmerksam und vermarktet sie seitdem. Im Frühsommer waren sie Headliner eines Open-Airs, bei dem sie die Füße von 20.000 Franzosen 57 Minuten lang tanzen ließen. Auf der aktuellen Tour gastieren sie in Los Angeles, Sydney, London, Paris, Prag, Montreal und Köln (18.11. Live Music Hall). Und egal ob kleine Kaschemme oder große Bühne, stets treten die Bestgekleideten auf, als seien sie die Beatles höchstpersönlich.
Mittlerweile wird ihr melancholischer, aber funky Vintage-Sound aus der Hochzeit der Discokugeln auch bei uns als next big thing gehandelt. Ihr Faible für Disco und Breitwand-Pop der späten 70er Jahre haben sie mit zeitgemäßen Elementen kombiniert. Der Groove von Bass und Gitarre stammt von Chic, die exakten Falsett-Satzgesänge erinnern an ihre Ahnen Bee Gees, die Melodien an Fleetwood Mac und die Akribie an Steely Dan.
Nun ist endlich Parcels erstes, selbstbetiteltes Album erschienen. Zwölf Songs, zwischen Dancefloor und Dreampop. Auch der Einfluss von Daft Punk ist nicht zu überhören. Dieser wunderschöne Sommersound wird ein probates Mittel sein, um kommende Winter zu erwärmen.