Rheinische Post Krefeld Kempen
Politik von oben herab
ROM Das Gespenst der ersten rechtspopulistischen Regierung in der EU wird real. Dass die Verheißungen von Fünf-Sterne-Partei und Lega als Wahlversprechen unhaltbar sind, spielt für ihre Wähler keine Rolle. Fakten fallen schon lange nicht mehr ins Gewicht. Italiens Empfänglichkeit für Populismus ist nichts Neues: Silvio Berlusconi, viermaliger Ministerpräsident, ist sein Ur-Reptil. Um das Phänomen zu verstehen, braucht es endlich eine Sensibilisierung für die Probleme des Landes.
Politik und Verwaltung gelten in Italien als verfaulte Machtorgane. Fast wöchentlich gibt es Fälle von Bestechung und Betrug in politischen Kreisen, ob bei Bauvorhaben, bei der Müllentsorgung oder in der Flüchtlingspolitik. Bürokratische Hürden blockieren private wie öffentliche Unternehmen. Die Justiz versinkt in langwierigen Prozessen.
Es verwundert kaum, dass die Italiener Politikern mit instinktivem Misstrauen begegnen. Ein neuer Hoffnungsträger hat sich ihnen zu oft präsentiert. Zu Beginn der 1990er Jahre ließ ein Erdbeben an Korruptionsskandalen die gesamte Parteienlandschaft zerbrechen; Berlusconi ging daraus hervor.
Matteo Renzi war der Hoffnungsträger am anderen Rand des politischen Spektrums. 2013 trat er mit dem Versprechen an, die alten Strukturen zu „verschrotten“– und verschrottete sich in ihnen quasi selbst. Das Kalkül, mit dem Renzi seinen Vorgänger und Parteikollegen Enrico Letta aus dem Amt drängte, um als Ministerpräsident eine Koalition mit Berlusconi einzugehen, wird aus eu- ropäischer Perspektive ausgeblendet. Die Italiener sind von Renzi und den Sozialdemokraten enttäuscht, bei der Wahl im März war die Partei für viele keine Alternative.
Politisch gescheitert ist Renzi an einem alten, ungelösten Problem: Als er im Dezember 2016 seine politische Zukunft an das Ergebnis des Verfassungsreferendums knüpfte, stellte sich vor allem Süditalien gegen ihn. Der Süden des Landes ist wirtschaftlich unterentwickelt und kommt nicht auf die Beine. Gelder für Reform-Pakete sickern nicht durch oder werden sinnlos verteilt: Anstatt die marode Infrastruktur auf EU-Standards zu bringen, plante Renzi das milliardenschwere
Die Italiener sind es leid, sich seit Jahren international für ihre Politik schämen zu müssen