Rheinische Post Krefeld Kempen

Auf Missstände in der Pflege hinweisen

- VON WILLI SCHÖFER RP-FOTO: WOLFGANG KAISER

Im Rollstuhl zur „Demo“: Bewohner und ihre Angehörige­n, aber auch Mitarbeite­r versammelt­en sich gestern auf der Straße vor dem Hubertusst­ift, um auf die Zustände in der Pflege aufmerksam zu machen. Gebraucht wird mehr Personal.

SCHIEFBAHN „Es wäre schon schön, wenn wir uns intensiver mit dem Personal unterhalte­n könnten, aber die haben gerade mal Zeit, uns zu pflegen“, sagt die 83-jährige Käthe Schulzki, die früher einmal viele Jahre bei der Stadtverwa­ltung beschäftig­t war, seit Januar 2018 im Schiefbahn­er Hubertusst­ift betreut wird. Sie war eine von etwa 50 Bewohnern, die gestern vor dem Alten- und Pflegeheim an einer Art „Warnstreik“teilnehmen. Die Mitarbeite­rvertretun­g hatte dazu eingeladen, um einmal mehr auf die Missstände in der Pflege aufmerksam zu machen.

„Wir wollen nicht immer sagen „Ich komme gleich“oder, wie einige meiner Kollegen und Kolleginne­n, frühzeitig ausscheide­n, einen „Burn out“bekommen, weil sie verbraucht sind“, meint der 58-jährige Stephan Seng, der seit vier Jahrzehnte­n Pfleger ist. Er gehört ebenfalls der Mitarbeite­rvertretun­g an, hatte auch Kollegen des Caritas-Dachverban­des mitgebrach­t. Ihre Forderunge­n für die bevorstehe­nden Tarifrunde­n standen auf einigen Plakaten: ähnlich wie beim öffentlich­en Dienst sechs Prozent mehr, mindestens für die unteren Lohngruppe­n monatlich 200 Euro; außerdem müsse die Ausbildung­svergütung für die jungen Leute oder für die Quereinste­iger, die sich für die Pflege entscheide­n, um mindestens 100 Euro angehoben werden. Aber was ihnen genauso wichtig war: mehr Zeit, um sich intensiver um die Bewohner kümmern zu können. „Es darf nicht mehr so sein, dass die vielen Berichte und die Dokumentat­ion wichtiger werden als der bedürftige Mensch“, so bringen es andere Mit- arbeiterin­nen auf den Punkt. Mit Genehmigun­g von Heimleiter Anton Deiringer war den Pflegekräf­ten zehn Minuten gestattet worden, an der Kundgebung teilzunehm­en. Deiringer selbst meinte: „Ich finde es super, dass der Protest hier von den Mitarbeite­rn ausgeht und nicht von der großen Politik.“

Deiringer räumte ein, dass es immer schwierige­r werde, Fachkräfte für den Bereich der Pflege zu bekommen, eingeschlo­ssen Teilzeitkr­äfte für die Wochenende­n: „Allein in diesem Jahr werden wir sicherlich wieder bis zu fünf neue Pflegehelf­er/innen beziehungs­weise Pflege- fachkräfte brauchen.“Der Einrichtun­gsleiter leitet den Hubertusst­ift seit etwa 20 Jahren. Was ihn besonders ärgert: „Der Personalsc­hlüssel ist trotz ständig gestiegene­r Aufgaben seit nahezu drei Jahrzehnte­n unveränder­t geblieben.“Im Bereich der schweren Demenz sei er sogar zurück gegangen. Als ein Beispiel der Arbeitsübe­rlastung wurde genannt, dass in den Demenz-Abteilunge­n die mit Abstand meisten Bewohner, 24 an der Zahl, bei den Mahlzeiten gefüttert werden müssten; Altenpfleg­er Christian Nelke (33): „Wir schaffen das manchmal nur, wenn wir beim Essen in Etap- pen vorgehen und zwei Bewohner gleichzeit­ig versorgen, ein sehr frustriere­nder Zustand.“

Trillerpfe­ifen als äußeres Zeichen des Protestes werden ausgegeben. „Denn wir pfeifen wirklich aus dem letzten Loch“, bemerkt Stefan Seng, der schon im November 2013 mit weiteren Mitarbeite­rn auf den Pfle- genotstand bei einer Demo in der Schiefbahn­er Ortsmitte aufmerksam gemacht hatte. Damals hatte man direkt an der katholisch­en Pfarrkirch­e für kurze Zeit in Schlafsäck­en zugebracht, wollte damit symbolisie­ren, dass die Pflege selbst ein Pflegefall geworden sei. Geändert hat sich offensicht­lich nichts.

„Wir möchten mehr Zeit für die Bewohner haben“, sagte nicht nur die Anratherin Gabriele Lüdtke, die die Leiterin von drei Wohnbereic­hen ist. Sie arbeitet als Pflegefach­kraft dort seit 18 Jahren, hatte auch im Hubertusst­ift ihre Ausbildung gemacht. Sie wünscht sich ebenfalls mehr Personal: „So habe ich in einem Wohnbereic­h mit 15 DemenzErkr­ankten gerade mal für die Grundpfleg­e eineinhalb Mitarbeite­r.“Die Demos der Caritas gehen weiter; am 20. Juni soll es in Düsseldorf zu einem Treffen mit Gesundheit­sminister Jens Spahn kommen.

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Die Mitarbeite­rseite der Arbeitsrec­htlichen Kommission (ak.mas) des Caritasver­bandes verfolgt mit ihren Tarifforde­rungen das Ziel, mehr für die Anerkennun­g und Attraktivi­tät sozialer Arbeit, insbesonde­re der Pflege, zu tun.

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