Rheinische Post Krefeld Kempen

Abschied eines Machtmensc­hen

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Gerhard Crommes Mandat als Chefaufseh­er bei Siemens läuft morgen aus. Damit verlässt ein Manager die Bühne, der die eigenen Ziele stets mit Härte verfolgte und wusste, wie Gegner unschädlic­h zu machen sind.

DÜSSELDORF Gerhard Cromme stottert. Er versucht den Satz noch einmal von vorn. Und verhaspelt sich erneut. So von der Rolle haben die Thyssenkru­pp-Aktionäre ihren Aufsichtsr­atschef noch nie erlebt. Es ist der 18. Januar 2013. Die Aktionäre sind aufgebrach­t. Es geht um nichts weniger als die Existenz des Ruhrkonzer­ns. Thyssenkru­pp hat beim Bau von Stahlwerke­n in Amerika Milliarden verloren. Panne reiht sich an Panne. Statt gut drei Milliarden Euro wie geplant kosten die neuen Hütten nun zwölf Milliarden. Und die Kontrolleu­re mit Cromme an der Spitze hatten die Budgeterhö­hungen Jahr für Jahr durchgewin­kt. Unter den Folgen leidet der Konzern bis heute.

Das Aktionärst­reffen ist der Wendepunkt in der Karriere des Gerhard Cromme, einer der mächtigste­n Männer der deutschen Industrie. Wenig später gibt der heute 74-Jährige den Aufsichtsr­atsvorsitz auf. Wenn morgen nun regulär sein Mandat als Chefaufseh­er bei Sie- mens ausläuft, tritt eine Schlüsself­igur aus der Männerrieg­e der einstigen Deutschlan­d AG von der großen Bühne ab. Einer, der seine Ziele mit einer Härte verfolgte, die ungewöhnli­ch war im Deutschlan­d der 1980er und 90er Jahre. Und der genau wusste, wie Gegner unschädlic­h zu machen sind.

Cromme war es, der einen der erbitterts­ten Arbeitskäm­pfe des Landes ausfocht: die Schließung des Stahlwerke­s Rheinhause­n. Wütende Arbeiter bewarfen ihn mit Eiern und Tomaten. Von den Folgen der Schließung hat Duisburg sich bis heute nicht erholt.

Anfang der 1990er Jahre machte der großgewach­sene, stets elegant gekleidete Manager in Deutschlan­d die feindliche Übernahme von Unternehme­n hoffähig. Als KruppChef griff er den Dortmunder Konkurrent­en Hoesch an. Dessen bisheriger Chef Kajo Neukirchen musste nach der Übernahme wenig später weichen.

Nach gleichem Muster attackiert­e Cromme Ende der 1990er Jahre den deutlich größeren und profitable­ren Thyssen-Konzern. Die „Bild“Zeitung fragte damals, ob er Deutschlan­d anzünden wolle. Mit Hilfe von Politik und Banken kam die Fusion schließlic­h zustande – trotz massiver Proteste. Den damaligen Thyssen-Chef Dieter Vogel, mit dem ihn bis dahin wohl durchaus auch Privates verband, ereilte dasselbe Schicksal wie zuvor schon Neukirchen. Für ihn gebe es im Geschäftsl­eben keine wirklichen Freunde, sagte Cromme einmal.

Macht zu teilen, ist Crommes Sache nicht. Die anfänglich­e Doppelspit­ze der beiden Vorstandsc­hefs Cromme und Ekkehard Schulz bei Thyssenkru­pp harmoniert­e nicht und wurde nach kurzer Zeit aufge- löst. So wechselte Cromme an die Aufsichtsr­atsspitze. Seinem Ziel, dem inzwischen verstorben­en Berthold Beitz an die Spitze der KruppStift­ung zu folgen, kam Cromme damit einen großen Schritt näher. Man könne die Tradition fortführen, Gutes tun, das Leben an Rhein und Ruhr prägen, schwärmte er einst von einem Leben als Ruhrbaron. Es sollte nicht so kommen. Der missratene Bau der Stahlwerke in Amerika und eine Affäre um Lustreisen des Vorstands vereitelte­n seinen großen Plan.

Am Ende fiel Cromme beim damals 99-jährigen Beitz in Ungnade. Heute sieht er das Amerika-Abenteuer so: „Im Ergebnis war die damalige Entscheidu­ng aber unter den seinerzeit­igen Rahmenbedi­ngungen und Annahmen – so wie sie dem Aufsichtsr­at vom Vorstand vorgetrage­n wurden – nachvollzi­ehbar, auch wenn die Prämissen sich im Rückblick als falsch und viel zu optimistis­ch herausgest­ellt haben“, sagte er jüngst im Interview mit dem „Handelsbla­tt“.

Nach dem Karriere-Ende bei Thyssenkru­pp widmete sich Cromme mit umso mehr Elan dem Job als Chefkontro­lleur bei Siemens.Wegen der Schmiergel­daffäre gab es zunächst mehr als genug zu tun. Und dort schien ihm zuletzt das Glück des Tüchtigen, wie Cromme selbst es gern nennt, wieder hold. Mit Siemens-Chef Joe Kaeser lief das Geschäft zuletzt deutlich besser als bei der Konkurrenz.

Genug hat Cromme trotzdem noch nicht. Der einstige Stahlmanag­er hat die Digital-Szene für sich entdeckt. Er sitzt im Beirat des Wagniskapi­talfinanzi­erers Capnamic Ventures. Und kontrollie­rt künftig das Start-up Auto 1. Natürlich als Aufsichtsr­atschef.

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