Rheinische Post Krefeld Kempen
„Wie der Funke in einem Pulverlager“
Davood A. genießt Asyl in Deutschland. Angesichts der Proteste im Iran sorgt er sich um seine Familie.
DÜSSELDORF Wenn Davood A. (Name von der Redaktion geändert) gefragt wird, was er sich für seine Heimat, den Iran, wünscht, sagt er: „Eine demokratische Regierung, die Religion von Politik trennt.“Die vergangenen zwei Wochen haben gezeigt, wie weit das Land davon noch entfernt ist. Gestern gaben die iranischen Revolutionsgarden bekannt, man habe der jüngsten Protestwelle ein Ende gesetzt. Bei den Unruhen waren mindestens 21 Personen getötet worden, Hunderte wurden festgenommen. Es waren die größten Proteste seit dem umstrittenen Ausgang der Präsidentenwahl 2009.
Damals demonstrierten Tausende in Teheran gegen die Wahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Davood A. unterstützte die Proteste – und bezahlte den Preis dafür: Mehrere Jahre lebte der heute 36-jährige Illustrator im Untergrund, um sich vor dem Regime zu verbergen. Schließlich gelang ihm 2015 die Flucht nach Europa. Deswegen möchte Davood A. seinen echten Namen nicht preisgeben. Seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester leben im Iran. An seine Rückkehr ist nicht zu denken. Zu gefährlich, sagt er.
Weihnachten hatten die Proteste in der Provinzstadt Maschhad begonnen. „Sie wurden von einem konservativen Regierungskleriker organisiert“, sagt Davood A. Zunächst hätten sie sich gegen die liberalere Wirtschaftspolitik von Präsident Hassan Ruhani gerichtet. „Aber dann haben auch viele gewöhnliche Menschen daran teilgenommen, die sauer über ihre Situation sind. Es war wie ein Funke in einem Pulverlager“, sagt Davood A. „Sie haben gegen die schlechte wirtschaftliche Lage demonstriert. Dann kamen politische Gruppen hinzu, die fordern, das gesamte islamische System zu stürzen.“
Der junge Mann hält wenig von Ruhani, der als moderater Politiker gilt. Ruhani bemühte sich seit 2013 darum, die Beziehungen zum Wes- ten zu verbessern. Er erreichte, dass die wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Iran gelockert wurden. Doch an der Wirtschaftskrise hat sich nichts geändert. „Er hat seine Wahlversprechen nicht erfüllt“, sagt Davood A. Beispielsweise stehe der Führer der „Grünen Revolution“von 2009, Mir Hossein Mussawi, weiterhin unter Hausarrest. Und wirtschaftlich gehe es den Menschen schlecht. Auch seine Familie habe finanzielle Probleme. Er würde seiner Mutter gerne Geld überweisen, doch er hat in Deutschland noch keine feste Stelle gefunden.
Davood A. macht sich Sorgen um seine Geschwister. Denn beide ha- ben an einer Demonstration teilgenommen, erzählt er. Mehr möchte er dazu nicht sagen. Seine Familie werde vom Regime beobachtet. Er befürchtet, dass seine Geschwister Ähnliches erleben könnten wie er 2009. Aber die aktuellen Demonstrationen seien anders als die von 2009, meint er. „Die Demonstranten fordern den Sturz des gesamten Systems“, sagt er. „2009 richteten sich die Proteste wegen der Wahlfälschungen gegen die politische Elite und die Regierung.“
Viele junge Leute, auch einige seiner Freunde, äußerten sich nun positiv über die Pahlevi-Monarchie und den Thronfolger Reza Pahlevi, der im Exil lebt. Nach der Islamischen Revolution von 1979, als die Mullahs die Herrschaft im Iran übernahmen, hatte der Schah ins Ausland fliehen müssen. Heute kann sich Davood A. eine parlamentarische Monarchie als Staatsform für den Iran vorstellen. „Iran ist ein reiches, zivilisiertes und schönes Land. Der Iran wurde in den Händen der Ajatollahs zerstört. Sie müssen gestürzt werden. Die Welt sollte dem iranischen Volk helfen“, sagt er. Und er prophezeit: „Da das korrupte System die Forderungen der Bürger nicht mehr erfüllt, werden sich neue Proteste bilden.“