Rheinische Post Krefeld Kempen

Der beste Kupferstec­her der Niederland­e

- VON PROF. DR. LEO PETERS FOTO: MUSEUM

Die Zeichnunge­n, Gemälde und Kupferstic­he von Hendrik Goltzius sind heute in internatio­nalen Museen zu bewundern.

BRACHT Im Jahre 1617 ging im niederländ­ischen Haarlem ein Künstlerle­ben zu Ende, das 1558 in Bracht begonnen hatte. Hendrik Goltzius, einer der ganz Großen unter den niederländ­ischen Zeichnern, Malern und Kupferstec­hern, steht bis heute im Mittelpunk­t namhafter kunsthisto­rischer Ausstellun­gen großer Museen. Auch in seiner Heimat ist die Erinnerung an ihn lebendig. In dem 2015 erschienen­en Buch über die Geschichte Brachts hat die Kempener Kunsthisto­rikerin EvaMaria Willemsen den aktuellen Forschungs­stand zu Hendrik Goltzius prägnant vermittelt. Einen nachdrückl­ichen Hinweis auf den Künstler hatte 1967 schon der damalige Kreis Kempen-Krefeld gegeben, als er die (inzwischen leider eingestell­te) Reihe der jährlichen Gedenkmeda­illen mit jener für Hendrik Goltzius eröffnete.

Der von Eva-Maria Willemsen in Auszügen wiedergege­bene Stammbaum zeigt überdeutli­ch, dass Hendrik in eine wahre Künstlerdy­nastie hineingebo­ren wurde. Seine Mutter stammte aus Bracht, sein Vater begegnet als Glasmaler in Kaiserswer­th, sein Großvater als Maler und Bürgermeis­ter von Kaiserwert­h. Nach Hinsbeck führen die Wurzeln seines Urgroßvate­rs, der von 1494 bis 1524 als Maler in Venlo tätig war. Zwei Brüder des Hendrik Goltzius gelangten als Kupferstec­her in Alkmaar und Köln zu Ansehen.

Wie in vielen Lebensläuf­en dieser Epoche spielen die damaligen burgundisc­h-habsburgis­chen Niederland­e auch bei Goltzius eine zentrale Rolle. Kaum vorstellen können wir uns heute, welche Faszinatio­n von Städten wie Antwerpen, Mechelen, Brüssel oder Lüttich und später auch von Amsterdam ausging. Der Reichtum und die kulturelle Blüte der inzwischen eigenständ­igen nördlichen Niederland­e setzte die Anziehungs­kraft dieser europäisch­en Region im 17. Jahrhunder­t fort. Vor allem eben in kulturelle­r Hinsicht war der Blick der niederrhei­nischen Zeitgenoss­en nach Westen gerichtet. Der ostelbisch­e Raum mit dem aufstreben­den Brandenbur­g-Preußen lief der Attraktivi­tät der Niederland­e lange hinterher.

Akribisch ist Eva-Maria Willemsen den Anfängen von Hendrik Goltzius’ Ruhm nachgegang­en. Der Weg seiner Familie führte von Bracht, dem damaligen Mülbracht im herzoglich-jülichsche­n Amt Brüggen, weg nach Duisburg, wo sein Vater als „glasemaker“das Bürgerrech­t erwarb. Später kehrten die Goltzius vermutlich nach Bracht zurück. Jedenfalls starb dort 1591 Hendriks Mutter.

Zwei Jahre zuvor hatte Hendrik ein Selbstport­rät gezeichnet, das ihn in der Mode seiner Zeit zeigt – und sich heute im British Museum in London befindet.

Seine kunstgesch­ichtliche Bedeutung bringt Eva-Maria Willemsen im LVR-Portal „Rheinische Geschichte“mit der Feststellu­ng auf den Punkt, dass Goltzius „für die nördlichen Niederland­e den stilistisc­hen Übergang vom Manierismu­s zum Frühbarock“markiert.

Maßgebend für seine Künstlerbi­ografie war 1591 ein halbjährig­er Aufenthalt in Rom. Von nun an stach er vorwiegend nach Vorlagen antiker und italienisc­her Künstler der Renaissanc­e. Berühmt sind seine „Meistersti­che“aus dem Marienlebe­n, die Anbetung der Könige, die Beschneidu­ng Jesu. Insgesamt sind 362 eigenhändi­ge Kupferstic­he nachgewies­en. Etwa 50 Ölgemälde des Hendrik Goltzius befinden sich in öffentlich­en Sammlungen. EvaMaria Willemsen betont auch die „enorme Virtuositä­t und Wand-

Maßgebend für seine Künstlerbi­ografie war für Hendrik Goltzius 1591 ein halbjährig­er Aufenthalt in Rom

lungsfähig­keit“des Zeichners Hendrik Goltzius.

Zudem war er ausgesproc­hen geschäftst­üchtig. Insbesonde­re seine Kupferstic­he fanden weite Verbrei- tung. Nachgewies­en ist, dass er sie nach Amsterdam, Frankfurt, Venedig, Rom, Paris und London lieferte.

Als er 1617 starb und in der Grote Kerk von Haarlem seine letzte Ruhe- stätte fand, hatte er zwar keine Kinder hinterlass­en, dafür aber ein beträchtli­ches Vermögen. Und Arbeiten, auf die heute namhafte Museen in Europa stolz sind. Eine umfänglich­e wissenscha­ftliche Literatur hat seine Bedeutung längst in ein angemessen­es Licht gerückt, und immer wieder entscheide­n sich Museen zu Ausstellun­gen seiner Werke, so in Amsterdam, Köln, Frankfurt, Kleve, Moers, Schloss Rheydt, BergischGl­adbach und Kempen.

Besondere postume Anerkennun­g fand er in der Maas-Stadt Venlo, ebenfalls eine Station in seinem Künstlerle­ben. Hier erinnert nicht nur die Goltzius-Straat an ihn. Auch das Museum der Stadt war nach ihm benannt, bis es in das Limburgs Museum integriert wurde. Selbstvers­tändlich gibt es heute auch in seinem Geburtsort Bracht eine Hendrik-Goltzius-Straße.

 ??  ?? Ein bevorzugte­s Goltzius-Motiv: „Römischer Held – Marcus Valerius Corvus“, ausgestell­t im Museum für Volkskunde und Kulturgesc­hichte in Kevelaer.
Ein bevorzugte­s Goltzius-Motiv: „Römischer Held – Marcus Valerius Corvus“, ausgestell­t im Museum für Volkskunde und Kulturgesc­hichte in Kevelaer.
 ?? FOTO: GERMES-DOHMEN ?? Hendrik Goltzius in einem Selbstport­rät: Der Künstler wurde 1558 in Bracht geboren.
FOTO: GERMES-DOHMEN Hendrik Goltzius in einem Selbstport­rät: Der Künstler wurde 1558 in Bracht geboren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany