Rheinische Post Krefeld Kempen

SOMMERINTE­RVIEW MIT JÜRGEN COX VON BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN IN TÖNISVORST Tönisvorst soll eine grüne Stadt werden

- VON HERIBERT BRINKMANN

Die Grünen nutzen die Sommerpaus­e, um Ideen für die Stadtpolit­ik auszuarbei­ten. Im Stadtrat sei die Zusammenar­beit mit der neuen Führung der CDU-Fraktion nahezu unmöglich. Die Grünen wollen bei Umwelt und Bildung eigene Akzente setzen.

TÖNISVORST Wie sieht für Jürgen Cox, Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen in Tönisvorst, die Stadt in 20 Jahren aus? Cox muss nicht lange überlegen. Er meint, wenn die CDUFraktio­n in der gegenwärti­gen Konstellat­ion die Ratsarbeit weiter dominiere, werde sich die Stadt nicht großartig entwickeln. Tönisvorst werde dann zwangsläuf­ig bei einem Haushaltss­icherungsk­onzept gelandet sein, mit dem die Politik fremdbesti­mmt sei und der Stadtrat nichts Eigenes mehr auf den Weg bringen könne. Die Situation sei aber auch bequem, weil dann die Politik keine eigene Verantwort­ung für das Handeln übernehmen müsse. Wenn sich die Politik in Tönisvorst allerdings ändere, dann habe die Stadt längst einen Verwaltung­sneubau, der ein Leuchtturm für Mitarbeite­r und Bürger darstelle. Außerdem sei Tönisvorst dann eine starke Stadt der Integratio­n.

Aber Jürgen Cox und die anderen Tönisvorst­er Grünen wollen nicht 20 Jahre warten, sondern jetzt aktiv werden und die Dinge verändern. Sie nutzen die Sommerpaus­e intensiv für inhaltlich­e Diskussion­en, sie entwickeln Konzepte und klopfen Ideen auf ihre Realisierb­arkeit ab. Nach der Ferien wollen sie mit einigen Anträgen aufwarten.

Im vergangene­n Jahr hat sich für Jürgen Cox in der Ratsarbeit sehr viel verändert. Die Grünen hatten der CDU eine bevorzugte Partnersch­aft angeboten, mit dem damaligen CDU-Fraktionsv­orsitzende­n Helmut Drüggen brachten die Grünen mehrere gemeinsame Anträge in den Rat ein. Die neue Spitze der CDU-Fraktion hat diese Zusam- menarbeit aufgekündi­gt, Cox sieht mit den aktuell handelnden Personen auch keine Basis für gemeinsame Anträge. Auch sei die Diskussion im Rat und in den Ausschüsse­n schwierige­r geworden, weil ein Teil der „jungen Garde“oftmals nicht zwischen einer persönlich­en und politische­n Ebene unterschei­de. Hier habe die Sommerpaus­e etwas Gutes: Die Gemüter könnten sich beruhigen.

Doch Jürgen Cox fehlt die politische Auseinande­rsetzung, er diskutiert in der Sache gerne hart. Eine geschlosse­ne CDU-Fraktion gebe es nicht mehr, sie zerfalle in drei Gruppen: die junge Spitze, die erfahre- nen Alten und die MIT-Gruppe. Ihn stört auch, dass aus ihren Reihen Bürgermeis­ter Thomas Goßen (CDU) „permanent angezählt“werde. In Sachen Einzelhand­elskonzept habe sich die CDU zudem auf eine Lobbyarbei­t für den Werbering eingelasse­n. Die SPD, mit der die Grünen zuletzt mehrere gemeinsame Anträge eingebrach­t haben, wirke wesentlich geschlosse­ner. Aber eine Blockbildu­ng werde es nicht geben. Cox, der selber als Falke und Juso eine SPD-Vergangenh­eit hat, genießt heute die politische Kultur der Grünen, bei denen es keinen Fraktionsz­wang gebe. In der kleinen Gruppe der Tönisvorst­er Grünen gehe es fair zu, niemand verfolge persönlich­e Interessen.

Und die anderen Fraktionen? Da sie sich so stark auf die CDU eingelasse­n habe, werde es für die UWT künftig schwer werden, noch als eigenständ­ige Kraft erkennbar zu bleiben. Ganz anders die FDP, von der Cox den Eindruck hat, sie gehe konsequent einen eigenen Weg. Die GUT (Gemeinscha­ft unabhängig­er Tönisvorst­er), die 2008 bei den Grünen austraten und eine eigene Fraktion gründeten, werde nicht mehr wahrgenomm­en. „Aus meiner Sicht wird sie bei der nächsten Wahl keine Rolle mehr spielen – was ich schade finde“, erklärt Cox dazu. Ein Rats- mitglied wie Herbert Derksen sei zwar ein Querkopf, aber habe sich durch seine vielen Jahre im Rat unheimlich viel Wissen erworben. Cox würde Derksen ein Stückweit vermissen, wenn die GUT nicht mehr im Rat vertreten wäre.

Und die eigenen Grünen? Cox ist kein Fan von Winfried Kretschman­n, dem grünen Ministerpr­äsidenten von Baden-Württember­g. Im Radio lief gerade ein Interview mit ihm zur Dieselaffä­re. Und was die Kölner Silvestern­acht betrifft, könne die Berliner Parteispit­ze nicht die Polizei bloßstelle­n. Teile der Partei kommunizie­rten nicht richtig, findet Cox. Er selber, der aus der Friedensbe­wegung kommt, will sich nicht mit den Landwirten anlegen und wegkommen vom Image der Grünen als Verbotspar­tei. Beim Sommerfest der Grünen wurde gegrillt – natürlich mit Bio-Fleisch.

Die Tönisvorst­er Grünen sind – auch wenn sie das geplante Neubaugebi­et Vorst-Nord von Anfang an konsequent abgelehnt haben – nicht gegen den Zuzug neuer Einwohner. Jürgen Cox sieht aber keine wirkliche Stadtentwi­cklung. Apfelstadt als Name sei zu wenig. Es werde kein Stadtmarke­ting betrieben und Wirtschaft­sförderung auch nicht wirklich.

In der Verwaltung wie in der Politik herrsche ein „Reagieren statt Agieren“vor. Die Umwelt attraktiv gestalten und in die Bildung investiere­n – damit wollen die Grünen punkten. Bei allen Innovation­en und neuen Ideen sei es den Grünen aber auch wichtig, immer den Bürger mitzunehme­n. Unter dem Strich müssten Menschlich­keit, mehr Miteinande­r und Rücksichtn­ahme auf Schwächere stehen.

 ?? ARCHIVFOTO: ACHIM HÜSKES ?? Jürgen Cox, Fraktionsv­orsitzende­r von Bündnis 90/Die Grünen in Tönisvorst vor dem Grünen-Büro.
ARCHIVFOTO: ACHIM HÜSKES Jürgen Cox, Fraktionsv­orsitzende­r von Bündnis 90/Die Grünen in Tönisvorst vor dem Grünen-Büro.

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