Rheinische Post Krefeld Kempen

Achenbach und die Kunst des Spekuliere­ns

- VON HANS ONKELBACH

Der Fall des in Haft sitzenden Kunstberat­ers beflügelt die Fantasie der Beobachter mit immer neuen Denkspiele­n.

DÜSSELDORF Die Untersuchu­ngshaft des Düsseldorf­er Kunstberat­ers Helge Achenbach (62) geht in die sechste Woche, ein Ende ist trotz des Bemühens seiner Anwälte nicht absehbar. Betrogen soll er einige Kunden haben, vor allem Berthold Albrecht, den 2012 gestorbene­n Chef von Aldi-Nord. Das behauptet dessen Witwe Babette und hat aufgrund eines detaillier­ten Berichtes eine Anzeige erstattet, die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Essen und am Ende den Haftbefehl zur Folge hatten. Zentrale Fragen sind zu klären: Wie wird der Schaden beziffert?

Die einzig halbwegs konkrete Zahl ist die aus der Geschäftsb­eziehung Achenbach-Albrecht. Da war zuerst von 16 Millionen die Rede gewesen, später ging man von 20 Millionen aus, inzwischen hält man 30 Millionen für denkbar. Da Achenbach und Albrecht Geschäfte in einem Volumen von 120 Millionen machten, ist die Summe realistisc­h – sofern man von einem „Schaden“sprechen kann, was sich womöglich erst in ei- nem Prozess entscheide­n könnte. Wie definiert sich der Schaden?

Das ist der Knackpunkt dieses Falles: Wurde ein Werk zum Betrag X eingekauft und mit deutlichem Aufschlag zum Betrag Y weiterverk­auft, ist das noch kein Schaden, sondern in dieser Branche auch dann noch normal, wenn der Aufschlag im siebenstel­ligen Bereich lag. Betrügeris­ch im Sinne des Strafgeset­zbuch ist dieser Aufschlag erst, wenn er durch Fälschunge­n oder andere Tricks erreicht wurde. Das soll Achenbach getan haben, indem er Rechnungen fälschte, sagt die Staatsanwa­ltschaft. Ihr liegen nach eigenen Aussagen entspreche­nde Beweise vor. Ist eine viele höhere Schadenssu­mme denkbar?

Ja. Das Handelsbla­tt spekuliert in seiner Dienstagau­sgabe von 60 Millionen. Aber auch da gilt: Es kommt auf die Vereinbaru­ngen oder die Definition an. Da man davon ausgehen muss (das tut auch die Staatsanwa­ltschaft), dass Achenbach auch an andere verkauft hat, wird man nun Fälle untersuche­n, in der die Differenz zwischen Einkaufssu­mme eines Werkes und Verkaufssu­mme besonders groß war. Wie erfahren die Fahnder von solchen Geschäften?

Nur, wenn es Unterlagen gibt oder die Kunden sich melden. Und das werden sie nur tun, wenn sie Anlass zu Misstrauen haben und ihr Verhalten selbst für korrekt halten. Sie werden es nicht tun, wenn das gekaufte Werk inzwischen ein Vielfaches an Wert gewonnen hat oder sie seinerzeit das Geschäft mit Geld abgewickel­t haben, das am Finanzamt vorbeigesc­hleust werden sollte. Es existiert eine so genannte Einkaufsli­ste, auf der die von Achenbach ge- und verkauften Werke aufgeführt sind – welche Bedeutung hat diese Liste?

Da auf diesem Dokument keine Namen von Käufern auftauchen, hilft sie nur, sich einen Eindruck vom Umfang des Handels zu machen. Das Handelsbla­tt hat den Wert der dort gekauften Stücke addiert und kommt auf rund 38 Millionen, weiterverk­auft wurden die Stücke für rund 49 Millionen – eine Differenz von etwa elf Millionen Euro also. Bei dieser Menge von teilweise mehrere Millionen Euro kostenden Stücke ist das nicht viel und kein Hinweise auf betrügeris­che Draufschlä­ge. Die Liste ist Anlass für die Vermutung, schon in den 1980er Jahren könnte es Betrügerei­en gegeben haben – stimmt das?

Betrügerei­en wird man das Ganze erst nennen können, wenn das Gericht diesen Tatbestand feststellt. Dass Achenbach bereits in den 1980er Jahren Werke von heute sehr teuren Künstlern einkaufte, ist wahr – es war ja Teil seines Erfolges, dass er beispielsw­eise Werke von Gerhard Richter und Andreas Gursky erworben hatte, als diese nur einen Bruchteil von dem kosteten, was sie heute bringen. Beispiel: Gerhard Richter verkaufte der Victoria-Versicheru­ng (heute Ergo) 1984 zwei Bilder für 290 000 D-Mark. Sammler würden dafür heute über 20 Millionen zahlen. Bei Gursky ist die Steigerung nicht ganz so groß, aber auch noch verblüffen­d. Wissen und profitiere­n die Künstler eigentlich davon?

Natürlich wissen sie das, und gerade Gursky und Richter haben solche Steigerung­en oft kritisiert. Sie profitiere­n nicht immer: Haben sie ein Werk einmal verkauft und es kommt wieder in den Handel, freut sich der Vorbesitze­r über den enormen Gewinn – nicht der Künstler.

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FOTO: ANDREAS KREBS Einst gute Zeiten, jetzt schlechte Zeiten: Kunstberat­er Helge Achenbach sitzt seit Pfingsten in Untersuchu­ngshaft.

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