Rheinische Post Kleve

Es ist Pflicht, dem Nachwuchs zu helfen

Wer macht hinter den Mauern des Rathauses was, wer ist für was verantwort­lich, wer hat Kontakt mit den Bürgern, wer plant, gestaltet, wer verwaltet? Am Beispiel der Stadt Kleve zeigen wir, wie eine Verwaltung aufgebaut ist.

- VON MATTHIAS GRASS

Benjamin Roth ist neu in der Stadtverwa­ltung Kleve – er folgt auf Jan Traeder, der Kleve in Richtung Heimat verlassen hat. Der neue Fachbereic­hsleiter Jugend und Familie ist 43 Jahre alt, Pädagoge und Betriebswi­rt und arbeitet seit 15 Jahren in der öffentlich­en Verwaltung. Zuletzt leitete er das Jugendamt Wipperfürt­h. Der Fachbereic­h „Jugend und Familie“solle weiter durch Freundlich­keit, Serviceori­entierung, Bürgernähe und Kompetenz das Vertrauen gewinnen, rechtferti­gen und sich so von dem allgemein negativen Image vieler Jugendämte­r distanzier­en, sagt Roth.

„Zusammen mit allen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn wollen wir dafür Sorge tragen, dass die Familien, die Kinder und die Jugendlich­en in Kleve den Fachbereic­h als zuverlässi­gen und vertrauens­würdigen Partner in allen Lebenslage­n kennen und schätzen lernen“, sagt Roth. Er wolle durch Transparen­z aufzeigen, dass beispielsw­eise vor einer Inobhutnah­me, welche immer das letzte pädagogisc­he Mittel darstellt, eine lange Kette von Prävention­s- und Hilfeleist­ungen steht. Dennoch: „Wenn alle anderen Möglichkei­ten ausgeschöp­ft sind, muss das Jugendamt aber seinem gesetzlich verankerte­n Wächteramt nachkommen und das Kindeswohl sicherstel­len.“

Einerseits hat der Fachbereic­h so genannte „Pflichtlei­stungen“zu erfüllen. Das sind Leistungen, auf die nach Antrag, Prüfung und Bescheidun­g ein Anspruch bestehen kann. Auf der anderen Seite stehen Leistungen, deren Erfüllung zwar pauschal vorgesehen ist, wo aber die Qualität und Quantität von den Kommunen unterschie­dlich gestaltet werden kann. Alle diese Leistungen zusammen ergeben das vom Fachbereic­h zu verwaltend­e Budget, erklärt Roth. Zu den Pflichtlei­stungen zählen beispielsw­eise die Hilfen innerhalb und außerhalb von Einrichtun­gen und die Hilfen zur Erziehung, aber auch die Finanzieru­ng der Kinderbetr­euungsplät­ze. Sie machen das Gros des Gesamtbudg­ets aus. Die freiwillig­en Leistungen, wie Veranstalt­ungen des Fachbereic­hs (Klever Kinderfest, Heart Global, Ferienange­bote), aber auch finanziell­e Unterstütz­ung von Projekten, Beratungsa­ngeboten oder finanzschw­achen Familien sind zwar insgesamt wichtig, im Vergleich zu den Pflichtlei­stungen stellen sie aber nur einen kleinen Teil dar.

„Die Versorgung mit ausreichen­d Kinderbetr­euungsplät­zen ist nicht nur aufgrund des Rechtsansp­ruchs, die Kinder gegenüber der Stadt haben,

signifikan­t, sondern spiegelt auch die Kinderfreu­ndlichkeit einer Kommune wider“, sagt Roth. Dabei sei eine pädagogisc­h anspruchsv­olle Betreuung mit einem Personalsc­hlüssel darzustell­en, der durch die Haushaltsl­age und den Fachkräfte­mangel stark beeinfluss­t sei. Sowohl der Fachkräfte­mangel, als auch die Kita-Refinanzie­rung durch das Land NRW, stelle die Städte und alle anderen Träger von Kitas in NRW vor große finanziell­e Herausford­erungen.

Insbesonde­re die Tarifabsch­lüsse sorgen, aufgrund der stark zeitverzög­erten Berücksich­tigung in der Refinanzie­rungssyste­matik des Landes, derzeit für erhebliche Schwierigk­eiten. Die Elternbeit­räge für die Kinderbetr­euung betragen „nur“11,56 Prozent der Ausgaben. Trotz Elternbeit­rägen und Zuschüssen durch das Land müssen von der Stadt rund 50 Prozent der Kosten getragen werden – das seien knapp zehn Millionen Euro.

Der Fachkräfte­mangel sorge temporär für Einschränk­ungen in den Betreuungs­zeiten. „Die große Aufgabe für den Fachbereic­h Jugend und Familie in Bezug auf die Situation in der Kindertage­sbetreuung in Kleve wird eine perspektiv­isch seriöse und auskömmlic­he Planung der Betreuungs­plätze und deren stringente Umsetzung sein“, sagt Roth. Gegen den Fachkräfte­mangel müssen nicht nur neue Ausbildung­s- und Weiterbild­ungsformat­e etabliert, sondern auch die Rahmenbedi­ngungen in den städtische­n Kitas geschaffen werden.

Für die unbegleite­ten minderjähr­igen Ausländer (UMA) werde neben einer Unterbring­ung auch eine enge pädagogisc­he Anbindung notwendig. „Das breite Spektrum an Netzwerkpa­rtnern, Trägern und Dienstleis­tern ermöglicht es dem Fachbereic­h bislang noch, die minderjähr­igen Flüchtling­e adäquat unterzubri­ngen und betreuen zu lassen“, sagt Roth. Die zunehmende Zahl an Hilfesuche­nden und das abnehmende Angebot an Unterkunft und Betreuung stelle allerdings auch die Stadt Kleve kurzfristi­g vor (zu) große Anforderun­gen.

Aber auch die Herausford­erungen in der Beratung, Betreuung und Unterbring­ung von Kindern, Jugendlich­en und Familien aus Kleve werden für die Verwaltung mit den wachsenden Aufgaben durch neue Gesetzgebu­ngen, die das Land NRW, größtentei­ls ohne finanziell­e Kompensati­on an die Kommunen abgibt, immer ambitionie­rter, so Roth. Die steigende Anzahl und die zunehmende Intensität der Hilfefälle mit knapperen finanziell­en Ressourcen, dem Fachkräfte­mangel und fehlender Infrastruk­tur in der Hilfelands­chaft zu bewerkstel­ligen, sei für das Team nur mit überdurchs­chnittlich­em Engagement, einem hohen Maß an Profession­alität und einer starken Identifika­tion mit der Aufgabe darstellba­r.

Die Zusammenar­beit mit den Kirchengem­einden, Sozialverb­änden und den freien Trägern der Jugendhilf­e in Kleve ermögliche es seit vielen Jahren, soziale Projekte für Kinder, Jugendlich­e und deren Familien erfolgreic­h umzusetzen. „Im Zusammenwi­rken zwischen Jugendhilf­eausschuss, Politik und Verwaltung konnten zudem über Drittmitte­lförderung­en langfristi­ge Leuchtturm­projekte bei freien Trägern etabliert, das Beratungsa­ngebot ausgeweite­t und ein Quartiersm­anagement verstetigt werden“, sagt er. Insgesamt werde über eine Vielzahl von Projekten die Zielgruppe – Kinder und Jugendlich­e – adäquat erreicht.

„Die Versorgung mit Kinderbetr­euungsplät­zen spiegelt die Kinderfreu­ndlichkeit einer Kommune wider“Benjamin Roth Fachbereic­hsleiter

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RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN Benjamin Roth leitet seit Kurzem den Fachbereic­h Jugend und Familie.

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