Es ist Pflicht, dem Nachwuchs zu helfen
Wer macht hinter den Mauern des Rathauses was, wer ist für was verantwortlich, wer hat Kontakt mit den Bürgern, wer plant, gestaltet, wer verwaltet? Am Beispiel der Stadt Kleve zeigen wir, wie eine Verwaltung aufgebaut ist.
Benjamin Roth ist neu in der Stadtverwaltung Kleve – er folgt auf Jan Traeder, der Kleve in Richtung Heimat verlassen hat. Der neue Fachbereichsleiter Jugend und Familie ist 43 Jahre alt, Pädagoge und Betriebswirt und arbeitet seit 15 Jahren in der öffentlichen Verwaltung. Zuletzt leitete er das Jugendamt Wipperfürth. Der Fachbereich „Jugend und Familie“solle weiter durch Freundlichkeit, Serviceorientierung, Bürgernähe und Kompetenz das Vertrauen gewinnen, rechtfertigen und sich so von dem allgemein negativen Image vieler Jugendämter distanzieren, sagt Roth.
„Zusammen mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wollen wir dafür Sorge tragen, dass die Familien, die Kinder und die Jugendlichen in Kleve den Fachbereich als zuverlässigen und vertrauenswürdigen Partner in allen Lebenslagen kennen und schätzen lernen“, sagt Roth. Er wolle durch Transparenz aufzeigen, dass beispielsweise vor einer Inobhutnahme, welche immer das letzte pädagogische Mittel darstellt, eine lange Kette von Präventions- und Hilfeleistungen steht. Dennoch: „Wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, muss das Jugendamt aber seinem gesetzlich verankerten Wächteramt nachkommen und das Kindeswohl sicherstellen.“
Einerseits hat der Fachbereich so genannte „Pflichtleistungen“zu erfüllen. Das sind Leistungen, auf die nach Antrag, Prüfung und Bescheidung ein Anspruch bestehen kann. Auf der anderen Seite stehen Leistungen, deren Erfüllung zwar pauschal vorgesehen ist, wo aber die Qualität und Quantität von den Kommunen unterschiedlich gestaltet werden kann. Alle diese Leistungen zusammen ergeben das vom Fachbereich zu verwaltende Budget, erklärt Roth. Zu den Pflichtleistungen zählen beispielsweise die Hilfen innerhalb und außerhalb von Einrichtungen und die Hilfen zur Erziehung, aber auch die Finanzierung der Kinderbetreuungsplätze. Sie machen das Gros des Gesamtbudgets aus. Die freiwilligen Leistungen, wie Veranstaltungen des Fachbereichs (Klever Kinderfest, Heart Global, Ferienangebote), aber auch finanzielle Unterstützung von Projekten, Beratungsangeboten oder finanzschwachen Familien sind zwar insgesamt wichtig, im Vergleich zu den Pflichtleistungen stellen sie aber nur einen kleinen Teil dar.
„Die Versorgung mit ausreichend Kinderbetreuungsplätzen ist nicht nur aufgrund des Rechtsanspruchs, die Kinder gegenüber der Stadt haben,
signifikant, sondern spiegelt auch die Kinderfreundlichkeit einer Kommune wider“, sagt Roth. Dabei sei eine pädagogisch anspruchsvolle Betreuung mit einem Personalschlüssel darzustellen, der durch die Haushaltslage und den Fachkräftemangel stark beeinflusst sei. Sowohl der Fachkräftemangel, als auch die Kita-Refinanzierung durch das Land NRW, stelle die Städte und alle anderen Träger von Kitas in NRW vor große finanzielle Herausforderungen.
Insbesondere die Tarifabschlüsse sorgen, aufgrund der stark zeitverzögerten Berücksichtigung in der Refinanzierungssystematik des Landes, derzeit für erhebliche Schwierigkeiten. Die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung betragen „nur“11,56 Prozent der Ausgaben. Trotz Elternbeiträgen und Zuschüssen durch das Land müssen von der Stadt rund 50 Prozent der Kosten getragen werden – das seien knapp zehn Millionen Euro.
Der Fachkräftemangel sorge temporär für Einschränkungen in den Betreuungszeiten. „Die große Aufgabe für den Fachbereich Jugend und Familie in Bezug auf die Situation in der Kindertagesbetreuung in Kleve wird eine perspektivisch seriöse und auskömmliche Planung der Betreuungsplätze und deren stringente Umsetzung sein“, sagt Roth. Gegen den Fachkräftemangel müssen nicht nur neue Ausbildungs- und Weiterbildungsformate etabliert, sondern auch die Rahmenbedingungen in den städtischen Kitas geschaffen werden.
Für die unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA) werde neben einer Unterbringung auch eine enge pädagogische Anbindung notwendig. „Das breite Spektrum an Netzwerkpartnern, Trägern und Dienstleistern ermöglicht es dem Fachbereich bislang noch, die minderjährigen Flüchtlinge adäquat unterzubringen und betreuen zu lassen“, sagt Roth. Die zunehmende Zahl an Hilfesuchenden und das abnehmende Angebot an Unterkunft und Betreuung stelle allerdings auch die Stadt Kleve kurzfristig vor (zu) große Anforderungen.
Aber auch die Herausforderungen in der Beratung, Betreuung und Unterbringung von Kindern, Jugendlichen und Familien aus Kleve werden für die Verwaltung mit den wachsenden Aufgaben durch neue Gesetzgebungen, die das Land NRW, größtenteils ohne finanzielle Kompensation an die Kommunen abgibt, immer ambitionierter, so Roth. Die steigende Anzahl und die zunehmende Intensität der Hilfefälle mit knapperen finanziellen Ressourcen, dem Fachkräftemangel und fehlender Infrastruktur in der Hilfelandschaft zu bewerkstelligen, sei für das Team nur mit überdurchschnittlichem Engagement, einem hohen Maß an Professionalität und einer starken Identifikation mit der Aufgabe darstellbar.
Die Zusammenarbeit mit den Kirchengemeinden, Sozialverbänden und den freien Trägern der Jugendhilfe in Kleve ermögliche es seit vielen Jahren, soziale Projekte für Kinder, Jugendliche und deren Familien erfolgreich umzusetzen. „Im Zusammenwirken zwischen Jugendhilfeausschuss, Politik und Verwaltung konnten zudem über Drittmittelförderungen langfristige Leuchtturmprojekte bei freien Trägern etabliert, das Beratungsangebot ausgeweitet und ein Quartiersmanagement verstetigt werden“, sagt er. Insgesamt werde über eine Vielzahl von Projekten die Zielgruppe – Kinder und Jugendliche – adäquat erreicht.
„Die Versorgung mit Kinderbetreuungsplätzen spiegelt die Kinderfreundlichkeit einer Kommune wider“Benjamin Roth Fachbereichsleiter