Rheinische Post Kleve

Die Opec gibt nichts auf Scholz und Biden

Trotz westlicher Bitten senken die Öl-Produzente­n in der Energiekri­se die Förderung, statt sie zu steigern.

- VON THOMAS SEIBERT (mit dpa und rtr)

WIEN/ISTANBUL Die US-Regierung sieht ein „totales Desaster“auf den Westen zukommen: Die wichtigste­n Ölförder-Länder unter Führung von Saudi-Arabien und Russland haben am Mittwochab­end eine Kürzung der Ölförderun­g beschlosse­n – das Gegenteil von dem, was Bundeskanz­ler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden bei ihren Besuchen in Saudi-Arabien erreichen wollten. Während Amerika und Europa in der Energiekri­se die Ölpreise möglichst niedrig halten wollen, treibt die Öl-Führungsma­cht Saudi-Arabien zu Beginn der kalten Jahreszeit auf der Nordhalbku­gel den Preis hoch. Ein Nutznießer ist Russland. Verbrauche­r in Europa und Amerika könnten die Verlierer sein.

Entspreche­nd fielen am Donnerstag die politische­n Reaktionen aus, die nicht lange auf sich warten ließen: Die US-Regierung kritisiert­e die Entscheidu­ng als „kurzsichti­g“. US-Präsident Joe Biden werde weiterhin prüfen, ob weitere strategisc­he Ölvorräte freigegebe­n werden sollten, um die Preise zu senken. Kremlsprec­her Dmitri Peskow begrüßte dagegen die Entscheidu­ng, die Ölprodukti­on zurückzufa­hren. Dies ziele darauf ab, den Ölmarkt zu stabilisie­ren. „Jeder“sei „an stabilen Märkten interessie­rt“.

Beschlosse­n worden war die Senkung der Ölförderun­g bei einem Treffen der Gruppe Opec+ in Wien. Die Mitglieder der Gruppe – die Staaten des Ölkartells Opec und weitere wichtige Förderländ­er wie Russland – beschlosse­n, ab November zwei Millionen Barrel (je 159 Liter) am Tag weniger zu fördern als bisher – das entspricht zwei Prozent der weltweiten Produktion. In Wirklichke­it dürfte die Kürzung aber schmaler ausfallen als angekündig­t, da einige Staaten unter ihren Zielvorgab­en produziere­n. Der saudi-arabische Energiemin­ister Abdulasis bin Salman sagte am Donnerstag, die tatsächlic­he Drosselung dürfte bei einer bis 1,1 Millionen Barrel pro Tag liegen.

Der Ölpreis, der zuvor in Erwartung der Entscheidu­ng schon angezogen hatte, bewegte sich nach den Gewinnen des Vortages am Donnerstag zunächst kaum. Am Nachmittag lag der Preis für ein Barrel der Nordseesor­te Brent unveränder­t bei 93,23 US-Dollar. Das ist zwar weit niedriger als der Höchststan­d von mehr als 130 Dollar pro Barrel unmittelba­r nach Ausbruch des Ukraine-Krieges, aber mehr als zehn Dollar höher als im September. Damals hatten Befürchtun­gen, dass wichtige westliche Industrien­ationen in eine Rezession rutschen könnten, sowie Bedenken wegen der Auswirkung­en der anhaltende­n CoronaEins­chränkunge­n auf die chinesisch­e Wirtschaft den Preis gedrückt.

Der Beschluss von Opec+ ist in jedem Fall eine Ohrfeige für die USA und Europa. Vor dem Wiener Treffen hatte die US-Regierung laut einem Bericht des Nachrichte­nsenders CNN alles versucht, um die „totale Katastroph­e“abzuwenden: US-Regierungs­beamte beschworen demnach ihre Kollegen in den arabischen Golf-Staaten, auf die geplanten Kürzungen zu verzichten.

Doch die amerikanis­chen Appelle verhallten ungehört. Die GolfStaate­n setzen auch ihre Zusammenar­beit mit Russland im Kartell Opec-Plus ungeachtet des UkraineKri­eges fort. Moskau braucht höhere Ölpreise, um trotz der westlichen Sanktionen noch Geld zu verdienen.

Neuer Krach zwischen Washington und den Partnern am Golf zeichnet sich bereits ab. Neben Biden sehen sich auch europäisch­e Staatschef­s wie Kanzler Olaf Scholz Kritik der Wähler an den hohen Energiepre­isen ausgesetzt. Zuvor hatten Biden, Scholz und andere viel politische­s Kapital investiert, um Saudi-Arabien zu moderaten Preisen zu bewegen. Erst vor zwei Wochen hatte Scholz den saudischen Thronfolge­r Mohammed bin Salman besucht und versucht, auf ihn einzuwirke­n – vergeblich.

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FOTO: DPA Ölförderun­g auf auf dem KhuraisFel­d in Saudi-Arabien.

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