Die Opec gibt nichts auf Scholz und Biden
Trotz westlicher Bitten senken die Öl-Produzenten in der Energiekrise die Förderung, statt sie zu steigern.
WIEN/ISTANBUL Die US-Regierung sieht ein „totales Desaster“auf den Westen zukommen: Die wichtigsten Ölförder-Länder unter Führung von Saudi-Arabien und Russland haben am Mittwochabend eine Kürzung der Ölförderung beschlossen – das Gegenteil von dem, was Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden bei ihren Besuchen in Saudi-Arabien erreichen wollten. Während Amerika und Europa in der Energiekrise die Ölpreise möglichst niedrig halten wollen, treibt die Öl-Führungsmacht Saudi-Arabien zu Beginn der kalten Jahreszeit auf der Nordhalbkugel den Preis hoch. Ein Nutznießer ist Russland. Verbraucher in Europa und Amerika könnten die Verlierer sein.
Entsprechend fielen am Donnerstag die politischen Reaktionen aus, die nicht lange auf sich warten ließen: Die US-Regierung kritisierte die Entscheidung als „kurzsichtig“. US-Präsident Joe Biden werde weiterhin prüfen, ob weitere strategische Ölvorräte freigegeben werden sollten, um die Preise zu senken. Kremlsprecher Dmitri Peskow begrüßte dagegen die Entscheidung, die Ölproduktion zurückzufahren. Dies ziele darauf ab, den Ölmarkt zu stabilisieren. „Jeder“sei „an stabilen Märkten interessiert“.
Beschlossen worden war die Senkung der Ölförderung bei einem Treffen der Gruppe Opec+ in Wien. Die Mitglieder der Gruppe – die Staaten des Ölkartells Opec und weitere wichtige Förderländer wie Russland – beschlossen, ab November zwei Millionen Barrel (je 159 Liter) am Tag weniger zu fördern als bisher – das entspricht zwei Prozent der weltweiten Produktion. In Wirklichkeit dürfte die Kürzung aber schmaler ausfallen als angekündigt, da einige Staaten unter ihren Zielvorgaben produzieren. Der saudi-arabische Energieminister Abdulasis bin Salman sagte am Donnerstag, die tatsächliche Drosselung dürfte bei einer bis 1,1 Millionen Barrel pro Tag liegen.
Der Ölpreis, der zuvor in Erwartung der Entscheidung schon angezogen hatte, bewegte sich nach den Gewinnen des Vortages am Donnerstag zunächst kaum. Am Nachmittag lag der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent unverändert bei 93,23 US-Dollar. Das ist zwar weit niedriger als der Höchststand von mehr als 130 Dollar pro Barrel unmittelbar nach Ausbruch des Ukraine-Krieges, aber mehr als zehn Dollar höher als im September. Damals hatten Befürchtungen, dass wichtige westliche Industrienationen in eine Rezession rutschen könnten, sowie Bedenken wegen der Auswirkungen der anhaltenden CoronaEinschränkungen auf die chinesische Wirtschaft den Preis gedrückt.
Der Beschluss von Opec+ ist in jedem Fall eine Ohrfeige für die USA und Europa. Vor dem Wiener Treffen hatte die US-Regierung laut einem Bericht des Nachrichtensenders CNN alles versucht, um die „totale Katastrophe“abzuwenden: US-Regierungsbeamte beschworen demnach ihre Kollegen in den arabischen Golf-Staaten, auf die geplanten Kürzungen zu verzichten.
Doch die amerikanischen Appelle verhallten ungehört. Die GolfStaaten setzen auch ihre Zusammenarbeit mit Russland im Kartell Opec-Plus ungeachtet des UkraineKrieges fort. Moskau braucht höhere Ölpreise, um trotz der westlichen Sanktionen noch Geld zu verdienen.
Neuer Krach zwischen Washington und den Partnern am Golf zeichnet sich bereits ab. Neben Biden sehen sich auch europäische Staatschefs wie Kanzler Olaf Scholz Kritik der Wähler an den hohen Energiepreisen ausgesetzt. Zuvor hatten Biden, Scholz und andere viel politisches Kapital investiert, um Saudi-Arabien zu moderaten Preisen zu bewegen. Erst vor zwei Wochen hatte Scholz den saudischen Thronfolger Mohammed bin Salman besucht und versucht, auf ihn einzuwirken – vergeblich.