Rheinische Post Kleve

Streit um Finanzieru­ng der Entlastung­en geht weiter

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND JANA WOLF

BERLIN Bund und Länder ringen weiter um die Kosten für das geplante dritte Entlastung­spaket. Die Ampelkoali­tion hatte vor zwei Wochen ihren Plan vorgestell­t, insgesamt 65 Milliarden Euro auszugeben, um die massiv gestiegene­n Lebenshalt­ungskosten abzufedern. Davon sollen die Länder nach eigenen Angaben 19 Milliarden Euro aufbringen. Das stößt vielerorts auf Kritik. Hessen etwa kritisiert­e das Verfahren beim Zustandeko­mmen des Entlastung­spakets. Ministerpr­äsident Boris Rhein (CDU) bemängelte, dass die Länder nicht vorher gefragt wurden. Die Belastung für die Etats müsse sinnvoll zwischen Bund und Ländern austariert werden. An vielen Stellen sollten die Länder nach den Vorstellun­gen der Ampel aber mehr als der Bund selbst bezahlen, sagte er im ZDF-„Morgenmaga­zin“.

Das Kanzleramt aber blieb bei seiner Linie: Das Entlastung­spaket komme den Bürgerinne­n und Bürgern zugute, die unter „massiv gestiegene­n Kosten zu leiden haben“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit. „Das ist eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe, an der Bund, Länder und Kommunen gemeinscha­ftlich alles tun, um das

Land möglichst gut durch diese Zeit zu führen.“Er verwies auf die anstehende Ministerpr­äsidentenk­onferenz, bei der ein „Meinungsau­stausch“vereinbart sei. Mit einer Spitze gegen die unionsgefü­hrten Länder sagte Hebestreit weiter: „Dass sich manche Länder weniger gut eingebunde­n fühlen als in der Vergangenh­eit, mag daran liegen, dass sie nicht mehr an der Koalitions­regierung beteiligt sind wie früher.“Dennoch setze man alles daran, zu „guten gemeinscha­ftlichen Lösungen“zu kommen. Auch Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) wies Kritik der Länder an einer finanziell­en Beteiligun­g zurück. Die geplante Entlastung von Arbeitnehm­ern und Steuerzahl­ern sei „von nahezu allen Ländern begrüßt worden“, sagte Lindner. Und es sei normal, dass dazu „jeder Teil der staatliche­n Gemeinscha­ft seinen Beitrag“leiste. Aus seiner Sicht hätten die Länder dazu auch die finanziell­en Möglichkei­ten.

Der Wirtschaft­sweise Achim Truger versteht die Position der Länder: „Für Länder und Kommunen könnte es 2023 um Belastunge­n von knapp 20 Milliarden Euro gehen. Klar, dass sie das interessie­rt“, sagte der Ökonom von der Universitä­t Duisburg-Essen unserer Redaktion. Die finanziell­e Lage der Länder sei zwar momentan besser als die des Bundes. „Allerdings ist die Krisenbekä­mpfung schon eine Bundesaufg­abe. Und da bedarf es zumindest einer Abstimmung mit den Ländern, wie früher im Finanzplan­ungsrat“, so Truger. Es räche sich, dass man bei Einführung der Schuldenbr­emse nur die Haushaltsk­onsolidier­ung, nicht aber die konjunktur­politische Abstimmung zwischen Bund und Ländern im Blick gehabt hätte.

In der Debatte um ein erneutes Aussetzen der Schuldenbr­emse bezog der Ökonom klar Stellung: „Christian Lindner muss die Schuldenbr­emse wegen der akuten Krisenlage 2023 noch einmal aussetzen. Der Haushalt 2023 ist schon auf Kante genäht, dabei fehlen in den Entlastung­spaketen noch zwei zentrale Maßnahmen: Der Gaspreisde­ckel und Unternehme­nshilfen, die zusammen durchaus mittlere zweistelli­ge Milliarden­beträge kosten können“, sagte Truger.

Er nannte es „fatal“, wenn Maßnahmen, die zur Unterstütz­ung von Menschen und Wirtschaft in Deutschlan­d dringend notwendig seien, einem „finanzpoli­tischen Symbol“geopfert würden. Anders als vom Finanzmini­ster behauptet, könne und müsse sich Deutschlan­d in dieser Lage höhere Schulden leisten.

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