Streit um Finanzierung der Entlastungen geht weiter
BERLIN Bund und Länder ringen weiter um die Kosten für das geplante dritte Entlastungspaket. Die Ampelkoalition hatte vor zwei Wochen ihren Plan vorgestellt, insgesamt 65 Milliarden Euro auszugeben, um die massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten abzufedern. Davon sollen die Länder nach eigenen Angaben 19 Milliarden Euro aufbringen. Das stößt vielerorts auf Kritik. Hessen etwa kritisierte das Verfahren beim Zustandekommen des Entlastungspakets. Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) bemängelte, dass die Länder nicht vorher gefragt wurden. Die Belastung für die Etats müsse sinnvoll zwischen Bund und Ländern austariert werden. An vielen Stellen sollten die Länder nach den Vorstellungen der Ampel aber mehr als der Bund selbst bezahlen, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“.
Das Kanzleramt aber blieb bei seiner Linie: Das Entlastungspaket komme den Bürgerinnen und Bürgern zugute, die unter „massiv gestiegenen Kosten zu leiden haben“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. „Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der Bund, Länder und Kommunen gemeinschaftlich alles tun, um das
Land möglichst gut durch diese Zeit zu führen.“Er verwies auf die anstehende Ministerpräsidentenkonferenz, bei der ein „Meinungsaustausch“vereinbart sei. Mit einer Spitze gegen die unionsgeführten Länder sagte Hebestreit weiter: „Dass sich manche Länder weniger gut eingebunden fühlen als in der Vergangenheit, mag daran liegen, dass sie nicht mehr an der Koalitionsregierung beteiligt sind wie früher.“Dennoch setze man alles daran, zu „guten gemeinschaftlichen Lösungen“zu kommen. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wies Kritik der Länder an einer finanziellen Beteiligung zurück. Die geplante Entlastung von Arbeitnehmern und Steuerzahlern sei „von nahezu allen Ländern begrüßt worden“, sagte Lindner. Und es sei normal, dass dazu „jeder Teil der staatlichen Gemeinschaft seinen Beitrag“leiste. Aus seiner Sicht hätten die Länder dazu auch die finanziellen Möglichkeiten.
Der Wirtschaftsweise Achim Truger versteht die Position der Länder: „Für Länder und Kommunen könnte es 2023 um Belastungen von knapp 20 Milliarden Euro gehen. Klar, dass sie das interessiert“, sagte der Ökonom von der Universität Duisburg-Essen unserer Redaktion. Die finanzielle Lage der Länder sei zwar momentan besser als die des Bundes. „Allerdings ist die Krisenbekämpfung schon eine Bundesaufgabe. Und da bedarf es zumindest einer Abstimmung mit den Ländern, wie früher im Finanzplanungsrat“, so Truger. Es räche sich, dass man bei Einführung der Schuldenbremse nur die Haushaltskonsolidierung, nicht aber die konjunkturpolitische Abstimmung zwischen Bund und Ländern im Blick gehabt hätte.
In der Debatte um ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse bezog der Ökonom klar Stellung: „Christian Lindner muss die Schuldenbremse wegen der akuten Krisenlage 2023 noch einmal aussetzen. Der Haushalt 2023 ist schon auf Kante genäht, dabei fehlen in den Entlastungspaketen noch zwei zentrale Maßnahmen: Der Gaspreisdeckel und Unternehmenshilfen, die zusammen durchaus mittlere zweistellige Milliardenbeträge kosten können“, sagte Truger.
Er nannte es „fatal“, wenn Maßnahmen, die zur Unterstützung von Menschen und Wirtschaft in Deutschland dringend notwendig seien, einem „finanzpolitischen Symbol“geopfert würden. Anders als vom Finanzminister behauptet, könne und müsse sich Deutschland in dieser Lage höhere Schulden leisten.