Union und SPD suchen Kompromiss bei Fachkräftegesetz
Im Koalitionsausschuss stellt sich die Streitfrage, ob ausreisepflichtige Flüchtlinge mit Job eine Bleibeperspektive bekommen sollen.
BERLIN Vor dem Start des Koalitionsausschusses am Montagabend kam es zu einer vorsichtigen Annäherung der gegensätzlichen Positionen von Union und SPD in der Frage, ob ausreisepflichtige Flüchtlinge mit Job in Deutschland bleiben dürfen. „Wenn nicht ausgewiesen werden kann aufgrund zwingender Gründe, und zwar von Gründen, die nicht in der Person des Asylbewerbers liegen, dann sagen doch die Menschen, bevor sie hier rumsitzen, lasst sie arbeiten“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Montag in München und schob hinterher, dies sei auch seit langer Zeit seine Position.
Aufgelöst ist der Konflikt um das Fachkräfteeinwanderungsgesetz zwischen Union und SPD damit aber noch nicht. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wiederholte seine Position, dass nicht die Falschen abgeschoben werden dürften. Damit meint er Flüchtlinge, die einen festen Job haben und gut integriert sind – auch wenn sie eigentlich ausreisepflichtig sind. Nach Angaben der Bundesregierung waren im Ausländerzentralregister zum Stichtag 30. Juni 2018 knapp 235.000 Menschen als ausreisepflichtig gemeldet. Knapp 174.000 von ihnen verfügten über eine Duldung. Eine Duldung kann beispielsweise für eine Ausbildung, aus gesundheitlichen Gründen oder wegen Folterdrohung im Heimatland ausgesprochen werden. Ausreisepflichtig ohne Duldung waren zum Stichtag 30. Juni knapp 61.000 Menschen. Die Zahlen hat die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion veröffentlicht.
Seehofer zeigte sich zuversichtlich, was eine Einigung mit der SPD über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz angeht. Er habe mit dem Arbeitsminister „eine Grundlage“für das Treffen erarbeitet. In den Äußerungen der beiden Minister lässt sich der verbleibende Knackpunkt allerdings ablesen: Heil möchte Flüchtlingen mit Job eine Bleibeperspektive geben. Seehofer hingegen scheint nur bereit zu sein, Arbeitserlaubnisse zu erteilen, solange die Menschen in Deutschland geduldet sind. Als ein möglicher Kompromiss gilt, dass die Unternehmen individuell ihren Bedarf für bestimmte Arbeitskräfte geltend machen können.
Für die Koalitionäre geht es zunächst einmal darum, sich auf Eckpunkte für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz zu einigen. Anliegen ist es, der deutschen Wirtschaft und dem Gesundheitswesen über gezielte Anwerbung im europäischen Ausland und in Drittstaaten die benötigten Fachkräfte zu verschaffen. Mit Informationsoffensiven im Ausland und klaren Vorschriften, welche Qualifikation und welche Sprachkenntnisse die Arbeitswilligen benötigen, sollen die passenden Fachkräfte gefunden werden. Dafür soll beispielsweise die Anerkennung von Abschlüssen in einer Clearingstelle gebündelt werden. Aktuell kochen dazu 16 Bundesländer ihr eigenes Süppchen.
Außer der Frage, wie man mit gut integrierten Ausreisepflichtigen umgeht, gibt es noch einen weiteren Streitpunkt: Die erste Fassung der Eckpunkte sieht vor, dass Arbeitswillige aus dem Ausland sich „befristet“in Deutschland zur Arbeitssuche aufhalten dürfen sollen. Diesen Punkt hat die Union allerdings wieder infrage gestellt.