Facebook droht Sammelklage in USA
Die Mitarbeiterin eines Löschzentrums klagt: Die ständige Arbeit mit Gewaltvideos mache sie psychisch krank.
SAN MATEO (dpa) Die Arbeit in Facebooks Löschzentren ist nichts für schwache Nerven: Täglich werden die Mitarbeiter als eine Art menschlicher Filter mit verstörenden Bildern und Videos konfrontiert. Die Frage, ob sich der Konzern ausreichend um sie kümmert, wird nun zum Rechtsstreit. Eine ehemalige Mitarbeiterin hat Facebook verklagt, weil die Belastung sie krank gemacht habe. Die Anwälte der Frau aus San Francisco streben eine Sammelklage an, der sich andere Beschäftigte anschließen könnten. Auch in Deutschland gibt es zwei Löschzentren – in Berlin und Essen.
Die Vorwürfe klingen heftig: Die als Zeitarbeiter eingestellten Facebook-Moderatoren würden „täglich mit Tausenden Videos, Bildern und Live-Übertragungen von sexuellem Missbrauch von Kindern, Vergewaltigungen, Folter, Tiersex, Enthauptungen, Suiziden und Morden bombardiert“, sagte Klägeranwalt Korey Nelson. Hauptklägerin in dem Verfahren ist Selena Scola, die im Auftrag einer Zeitarbeitsfirma für Facebook gearbeitet und durch den Job ein posttraumatisches Belastungssyndrom erlitten haben soll.
„Wir prüfen die Behauptungen derzeit“, teilte Facebook mit. Der Internetriese räumte ein, dass die Arbeit häufig schwierig sei. Die Mitarbeiter erhielten spezielles Training, zudem biete man ihnen psychologische Hilfe an. In den Löschzentren werden unter anderem anstößige Videos und Bilder, Hassrede oder Gewaltdarstellung gesichtet und entfernt. In der US-Klage wird Facebook beschuldigt, seine Pflicht zu ignorieren, für die Sicherheit dieser Mitarbeiter zu sorgen. Der Konzern greife beim Ausmisten auf Zeitarbeiter zurück, die wegen der schockierenden Inhalte traumatische Schäden erlitten.
Der Rechtsstreit kommt dem Unternehmen ungelegen. Gestern haben die Instagram-Mitbegründer Kevin Systrom und Mike Krieger ihre Posten bei der Online-Plattform, die Facebook gehört, aufgegeben. Sie wollten eine Auszeit nehmen, um ihrer Kreativität wieder nachzuspüren, so Systrom. Der Finanzdienst Bloomberg berichtete, die beiden hätten Streit mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg gehabt.
Die Löschzentren in Berlin und Essen betreibt Facebook nicht selbst, sondern greift auf die Dienstleistunsgunternehmern CCC und Arvato zurück. Nach Kritik an den Arbeitsbedingungen gewährte Facebook im vergangenen Jahr einigen wenigen Journalisten Zugang zum Berliner Löschzentrum und betonte auch hier die Maßnahmen zur psychologischen Unterstützung. Gespräche mit Mitarbeitern zeichneten damals ein Bild von Menschen, die mit der Härte des Jobs zu kämpfen haben. „Ich weiß noch, das erste Enthauptungsvideo - da hab‘ ich dann ausgemacht, bin raus und hab erstmal ein wenig geheult“, erinnerte sich damals eine 28-jährige Mitarbeiterin.