Trainerinnen sind Mangelware
Von 33 Bundestrainern im Erwachsenenbereich der Leichtathletik sind drei Frauen. Brigitte Kurschilgen ist eine von ihnen. Sie macht einen Job, den immer weniger machen wollen. Der deutsche Sport fängt an, gegenzusteuern.
DÜSSELDORF Es ist inzwischen 23 Jahre her, da saß der damalige Bundestrainer Wolfgang Killing bei Familie Kurschilgen in Fröndenberg auf der Terrasse und versuchte, seine frühere Hochsprung-Bekannte Brigitte für einen Job als Nachwuchs-Bundestrainerin zu gewinnen. Die Umworbene sagte erst ab, schließlich war sie Mutter zweier kleiner Kinder. Doch später sagte sie doch zu. Und so kann die gebürtige Krefelderin heute auf 23 Jahre in diesem Job zurückblicken. 23 Jahre, in deren Verlauf sie aus erster Hand erfahren hat, warum es für viele immer unattraktiver geworden ist, Bundestrainer in der Leichtathletik zu werden – gerade als Frau. Und so ist Kurschilgen unter aktuell 33 Bundestrainern im Erwachsenenbereich eine von drei Frauen.
Sie habe zu Beginn 400 Mark verdient, erinnert sich Kurschilgen. Nicht gerade das Gehalt, mit dem man entscheidend zum Familieneinkommen beitragen kann. Und auch heute, da sie seit 2009 Bundestrainerin im Seniorenbereich ist, sagt sie: „Es ist nicht schlecht, aber bestimmt nicht das, was mancher mit einem Bundestrainer-Gehalt verbindet. Und wir sind ja Manager in unserer Disziplin, der Trainerjob ist nur ein kleiner Teil davon.“Hinzukommt: Planungssicherheit in ihrem Job gibt es im Prinzip immer nur für einen olympischen Zyklus. Dann verhandeln der deutsche Sport und das Bundesinnenministerium wieder neu über die Höhe der Sportförderung.
Dieses Problems ist sich der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) inzwischen immerhin bewusst. Die Arbeit als Bundestrainer „basiert auf teilweise befristeten Arbeitsverhältnissen und gestaltet sich daher nicht immer einfach im Sinne des Familienlebens“, wie Idriss Gonschinska, Leitender Direktor Sport beim DLV, unserer Redaktion sagte. Kurschilgen konkretisiert: „Das eigene Sozialleben verläuft völlig anders als Brigitte Kurschilgen Bundestrainerin
das der anderen. Das Training ist in der Woche in der Regel abends, die Wettkämpfe sind am Wochenende. Man kommt schnell mal auf eine 60-Stunden-Woche mit den langen Fahrzeiten“, sagt sie, die unter ihrem Mädchennamen Holzapfel 1978 EM-Bronze im Hochsprung geholt hat.
DLV wie auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) haben unlängst Förderprogramme aufgelegt, um besonders potenzielle Trainerinnen zu fördern. Gonschinska konstatiert indes: „Die Besonderheiten des Berufsbildes führen jedoch bisher dazu, dass die Anzahl an qualifizierten Bewerberinnen sich leider aktuell noch in Grenzen hält.“Wiebke Fabinski aus dem Bildungsressort des DOSB, sagt: „Die Förderung von Trainerinnen und Trainern ist uns generell ein großes Anliegen. Von Bedeutung sind natürlich die vertraglichen und die Arbeitszeit-Themen, aber darüber hinaus ist es uns wichtig, dass speziell auch Frauen über insbesondere Netzwerkarbeit für den Trainerberuf gestärkt werden.“Eine eigens eingerichtete Arbeitsgruppe empfehle daher dringend die Einhaltung von Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetzen, die Gewährleistung ausreichender Erholungszeiten durch langfristige Planung der Arbeitszeit, faire Lösungen für Mehrarbeit und einen transparenten und reflektierten Umgang mit der Arbeitszeit generell.
Das sind alles Punkte, die Kurschilgen unterstreichen kann. „Ich habe außerdem ganz lange gemerkt, dass man mich unterschätzt, weil ich eine Frau bin.“Ihre Einschätzung: Es bedarf schon einer Menge Herzblut und Leidenschaft, um den Job auszuüben – umso ärgerlicher, wenn einem Herzblut quasi als Lohn-Ersatz nahegelegt wird. Nach dem Motto: Es gibt zwar viele Nachteile, aber dafür arbeitet du doch in deinem Traumjob.
Ein Traumjob war es zweifelsohne am 11. August, als Mateusz Przybylko in Berlin umjubelter Hochsprung-Europameister wurde. Ein großer Moment auch für Kurschilgen, denn sie kennt ihren Schützling schon, seitdem er elf, zwölf Jahre alt war. Es ist aber eine Goldmedaille, die sie auf Trainerseite in erster Linie Przybylkos Leverkusener Heimtrainer Hans-Jörg Thomaskamp zuschreibt. „Wir kennen uns seit dem Sportstudium in Köln Ende der Siebziger“, erzählt Kurschilgen.
Seitdem hat sich viel getan im Trainerberuf, vieles aber eben noch nicht. Und deswegen sagt Kurschilgen auch: „Perspektivisch wird es nicht nur ein Problem sein, Frauen für den Trainerberuf zu begeistern. Es wird ein Problem sein, überhaupt noch Trainer zu finden.“
„Das eigene Sozialleben verläuft völlig anders als das der anderen“