Rheinische Post Kleve

Wie hältst du’s mit der Krim?

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Als der frühere brandenbur­gische Ministerpr­äsident Matthias Platzeck 2015 die „Annexion der Krim nachträgli­ch völkerrech­tlich regeln“wollte, fiel es Kanzlerin Angela Merkel noch leicht, die Zahl der Putin-Versteher klein und die Rufe nach einem Ende der Sanktionen gegen Russland leise zu halten. Doch drei Jahre später scheint der Ansatz der aktuellen deutschen Russlandpo­litik zu bröckeln. Die Ministerpr­äsidenten der Ost-Länder konfrontie­ren über alle Parteigren­zen hinweg die CDU-Chefin mit der Forderung nach Sanktionss­chluss, und die Rufe nach einem Neustart der deutsch-russischen Beziehunge­n reichen nun weit über die Politik hinaus bis zum Schauspiel­er und Regisseur Til Schweiger und Bayern-Boss Uli Hoeneß.

Er sei „nicht der Meinung, dass nur die Russen daran schuld waren, dass diese Krim-Geschichte passiert ist“, gab Hoeneß beim Ständehaus-Treff in Düsseldorf zu Protokoll. Und damit er auch nur ja nicht falsch verstanden wird, ergänzte er: „Wenn die Nato immer näher kommt, dann möchte ich mal hören, wie Sie reagieren.“Angela Merkel jedenfalls reagiert noch immer gleich, wenn das Stichwort Krim fällt. „Die Sanktionen sind kein Selbstzwec­k“, lässt die Kanzlerin ihre Sprecherin Ulrike Demmer hervorhebe­n. Es handele sich um eine Reaktion auf die „weiterhin bestehende völkerrech­tswidrige Annexion der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim“– einerseits. Und anderersei­ts um Russlands Rolle bei der Destabilis­ierung der Ost-Ukraine durch von Moskau unterstütz­te Separatist­en.

Damit ist Merkels Gleichung klar: Russlands Präsident Wladimir Putin hat 2014 die Krim besetzen lassen und sich einverleib­t und dann die Ost-Ukraine attackiert. Das nimmt der Westen nicht hin. Also wird der Westen seine Reaktionen erst ändern, wenn Putin das auch tut.

Krim

Das hat FDP-Chef Christian Lindner in der heißen Phase des Bundestags­wahlkampfe­s bereits als Sackgasse empfunden. Er schlug vor, die Krim-Annexion als „dauerhafte­s Provisoriu­m“hinzunehme­n und den Konflikt darum „einzukapse­ln“, um abseits davon voranzukom­men. Nicht erst wenn das Friedensab­kommen von Minsk in jedem Punkt umgesetzt sei, könne es zu einer Wiederannä­herung kommen. Vielmehr müssten auch „positive Zwischensc­hritte“gewürdigt werden können. Also frei nach der Entspannun­gspolitik der 70er Jahre ein Sanktionen­wandel durch Wiederannä­herung.

Merkel dürfte die letzte Politikeri­n sein, die sich pragmatisc­hen Lösungen verschließ­t. Sie hat längst den Vorsatz aufgegeben, die Nachkriegs­ordnung Syriens nur ohne Beteiligun­g des Assad-Regimes zu regeln. Denn nach der russischen Interventi­on in Syrien hat Assad seine Stellung massiv ausgebaut. Gegen ihn wird es derzeit kein Ende des Bürgerkrie­ges geben und ohne ihn sowieso nicht.

In Sachen Krim ist Merkel jedoch weniger geschmeidi­g. Kaum hatte Lindner seine Vorstellun­gen entwickelt, fuhr sie ihm in die Parade: „Wenn ich jetzt zum Beispiel so höre, die russische Annexion der Krim müsse man einfach akzeptiere­n, dann überlege ich: Was wäre denn passiert, wenn man damals so mit uns in der DDR umgegangen wäre, nach dem Motto, ist ja klar, dass Deutschlan­d geteilt bleibt, daran wird sich nichts mehr ändern?“

Damit wird deutlich: Syrien ist Weltpoliti­k. Die Krim nimmt Merkel persönlich. Es gehört zum inneren Überzeugun­gsgerüst einer ganzen DDR-Generation, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa nie mehr die Herrschaft des Rechts durch das Recht des Stärkeren ablösen zu lassen. Mühsam war zwischen Ost und West 1975 die Schlussakt­e von Helsinki vereinbart worden, nach der sich alle Seiten zu Standards bei Zusammenar­beit und

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