Rheinische Post Kleve

„Die Pflege ist viel besser als ihr Ruf“

- VON MARC CATTELAENS

RP-Serie: 50 Jahre Caritas. Der Verband Kleve ist mit 1023 ambulanten Pflegekund­en der größte Anbieter im Norden. Zwei seiner Pflegedien­stleiter berichten von ihren langjährig­en Erfahrunge­n und benennen Herausford­erungen.

KLEVERLAND Aus kleinen Anfängen ist ein riesiger Fachbereic­h geworden. Mit 1023 ambulanten Pflegekund­en ist der Caritasver­band Kleve einer der größte Anbieter im Norden des Kreises Kleve. Bei der zuverlässi­gen Versorgung all dieser Menschen spielen neben den Mitarbeite­rn vor allem die Pflegedien­stleitunge­n eine wichtige Rolle. Die Leitung eines ambulanten Dienstes ist eine sehr komplexe Aufgabe. Ein intensiver Wettbewerb, anspruchsv­olle Kunden und Angehörige, im-

„Vorher war Pflege eher ein ungeregelt­es Feld ohne verpflicht­ende

Standards“

Elke Huber-Groenewald

Pflegedien­stleiterin

mer komplizier­tere gesetzlich­e Vorgaben und ein breit aufgestell­tes Dienstleis­tungsangeb­ot fordern von den Führungskr­äften eine hohe Qualifikat­ion. Das gilt für die Mitarbeite­rführung und die betriebswi­rtschaftli­che Steuerung, ebenso wie für Fachlichke­it und Methodik.

Dabei war das Thema häusliche Pflege noch vor drei Jahrzehnte­n so gut wie unbekannt. Marcus Brüntink, Pflegedien­stleiter der Mobilen Pflege Rees, kann sich noch gut an seine Anfänge beim Caritasver­band Kleve erinnern. „Ich habe 1985 als Pfleger begonnen. Mit ambulanter Pflege konnte da kaum jemand etwas anfangen, auch unter den Kollegen nicht“, blickt Brüntink zurück. Eine Pflegevers­icherung gab es damals noch nicht, die kam erst über zehn Jahre später. „Pflegebett­en von der Kasse - das war undenkbar. Im Vergleich zu heute waren das zum Teil chaotische Zustände. Da wurden auch schon mal Betten aufs Autodach gepackt und zu den Patienten gebracht“, sagt Brüntink.

Pflege wurde Anfang der 80er Jahre noch als kirchliche­r Auftrag gesehen, so Brüntink. Es gründete sich die erste Sozialstat­ion, private An- bieter gab es selten. „Die Aufträge kamen vom Hausarzt, mit der Bitte: ,Fahr‘ da mal hin’“, erinnert sich der Pflegedien­stleiter. Bis der Patient dann mal ein richtiges Pflegebett erhielt, konnte viel Zeit vergehen. „Bis dahin wurde halt die Matratze vom Sohn dazu genommen.“

Den ersten großen Umbruch auf dem Weg zum heutigen Pflegeange­bot brachte die Pflegevers­icherung. Elke Huber-Groenewald, Pflegedien­stleiterin der Caritas für Goch/ Bedburg-Hau, findet, dass die Versicheru­ngen auch entscheide­nde Vorteile für die Patienten brachten. „Vorher war Pflege eher ein ungeregelt­es Feld ohne verpflicht­ende Standards. Die Anbieter haben alles selbst definiert, der Maßstab war allein die Berufsehre“, sagt HuberGroen­ewald. Mit Einführung der Pflegevers­icherung habe sich Vieles verändert. „Die Dienstleis­ter müssen ständig erreichbar sein. Heute gibt es zwar wesentlich mehr finanziell­e Mittel für die Versorgung der Patienten, die zudem von den eingeführt­en Standards profitiere­n, aber es ist auch alles komplizier­ter geworden“, nennt Huber-Groenewald einige Beispiele. Früher gab es die so genannte Grund- und Behandlung­spflege mit nur einem Grundpreis in der Verrechnun­g der Leistungen, heute müssen die Preise nach marktwirts­chaftliche­n Gesichtspu­nkten von jedem Anbieter mit den Pflegekass­en ausgehande­lt werden. „Im Mittelpunk­t steht zwar der Patient, der selbst bestimmt, welche Leistung er gerne hätte“, sagt Brüntink. Aber es sei schwierig, die verschiede­nen Möglichkei­ten der Pflegevers­icherung zu durchdring­en und bedürfe schon einer intensiven Beratung der Patienten.

Die zweite entscheide­nde Veränderun­g habe die Informatio­nstechnolo­gie gebracht. „Früher wurden Dienstplän­e auf einer Magnettafe­l erstellt und dann fotokopier­t. Heute funktionie­rt das zum Glück alles digital“, sagt Brüntink „wenn das Netz funktionie­rt“, fügt Huber-Groenewald grinsend hinzu. Die Pflegedien­stleitunge­n haben heute sehr viel Verantwort­ung. „Die sind heute wie Manager. Sie müssen sich um die gesamte Logistik kümmern, eine hohe Fachlichke­it mitbringen und die Refinanzie­rung der Leistungen auf den Weg bringen“, erläutert Huber-Groenewald. Während eine Sozialstat­ion früher maximal 80 Patienten betreut hätte, seien es heute vielleicht 200 oder 350. Gleichzeit­ig ist natürlich auch die Mitarbeite­rzahl gestiegen. Insgesamt arbeiten beim Caritasver­band Kleve im Fachbereic­h „Pflege und Gesundheit“heute rund 200 Pflegekräf­te, ergänzt Brüntink.

Zu den Herausford­erungen der Mobilen Pflege zähle natürlich auch der Fachkräfte­mangel, sagt Elke Huber-Groenewald. „Das ist jetzt auch im ländlichen Bereich angekommen.“Dabei habe der Ruf des Pflegeberu­fs in den letzten Jahren sehr gelitten und werde wesentlich schlechter dargestell­t, als die Arbeit tatsächlic­h sei. „Die Gesellscha­ft muss jetzt reagieren, sonst reichen die Kapazitäte­n nicht. Dazu gehört es auch, dass von den vielen positiven Erfahrunge­n berichtet wird, die wir tagtäglich machen“, betont Brüntink. Zu wenig oder ungeeignet­es Pflegepers­onal könne sich der Staat auf Dauer nicht leisten. „Die Folgekoste­n von schlechter oder unzureiche­nder fachlicher Behandlung sind riesig“, sagt der Pflegedien­stleiter. Noch wichtiger: Niemand sei davor gefeit, selbst einmal pflegebedü­rftig zu werden. Also sei es im Interesse eines Jeden, die bestmöglic­he Pflege erhalten zu können.

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RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS Die Pflegedien­stleiter der Caritas Elke Huber-Groenewald und Marcus Brüntink.

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