KURT VON STORCH Anleihen sind nur vermeintlich sicher
Würde es zu einer Zinswende kommen, würden die Kurse der Papiere fallen. Aktien wären deutlich schwächer betroffen.
Aktien haben in Deutschland seit jeher einen schlechten Ruf: Unberechenbar und daher brandgefährlich für diejenigen, die sie im Depot haben. Eine Anlageklasse nur für Hasardeure und Glückspieler. Ganz anders Anleihen erstklassiger Schuldner: grundsolide, krisensicher, Witwen-und-Waisen-Papiere. Am Ende der Laufzeit bekommen Anleger den Nennwert zurückgezahlt, da weiß man, was man hat – so zumindest die Einschätzung von vielen Anlegern in Deutschland. Auch Immobilien sind bestens beleumundet – Betongold heißt es immer so schön.
Wenn darüber gesprochen wird, wo die nächste Vermögensblase zu platzen droht, dann ist garantiert der Aktienmarkt gemeint. Auch in diesen Tagen. Nehmen wir den Deutschen Aktienindex (Dax) als Beispiel: Bei mehr als 12.000 Punkten notiert das Deutschen Börsenbarometer; das sind fast dreimal so viele Zähler wie zur Hochzeit der Finanzkrise im März 2009. Der nächste Crash kann da nicht weit sein, ist doch offensichtlich. Wenn die Notenbanken erst einmal den Zins anheben, dann werde die Luft aus der Aktienblase schon entweichen, so die weit verbreitete Meinung. Schließlich hätten Aktien im Besonderen von der lockeren Geldpolitik profitiert.
Mal davon abgesehen, dass es weit gewichtigere Gründe dafür gibt, dass das globale Zinsniveau noch sehr lange niedrig bleibt als dass es deutlich zulegt – halten wir kurz inne und überlegen, was eine Zinswende – also eine, die den Namen auch verdient – für die Kapitalmärkte und damit für Anleger bedeuten würde.
Der Zins ist die Gravitationskraft für die Bewertung aller Kapitalanlagen. Je niedriger, umso höher ist der Wert einer Anlage – einer Aktie beispielsweise, einer Immobilie, aber auch einer Anleihe. Die genannten Anlageklassen haben allesamt vom Zinsniveau profitiert, die Frage ist, welche am meisten. Tat- sächlich Aktien?
Ich würde behaupten, es sind die Immobilien (in guten Lagen), noch mehr aber die Anleihen, deren Preise in den vergangenen Jahren auf mitunter aberwitzige Niveaus gestiegen, die Renditen im Umkehrschluss deutlich gesunken sind. Nehmen wir eine zehnjährige Bundesanleihe, für die Anleger heute weniger als 0,3 Prozent Rendite pro Jahr bekommen.
Aktien dagegen sind immer noch vergleichsweise attraktiv bewertet. Zwar ist auch deren Gewinnrendite in den vergangenen Jahren gefallen; sie liegt aber mit rund sechs Prozent für Unternehmen aus dem MSCIWelt-Aktienindex nach wie vor weit über der Rendite von besagten zehnjährigen Bundesanleihen.
Sollte es tatsächlich zu einer Zinswende kommen, wären Anleihen hiervon unmittelbar betroffen. Ihre Kurse würden, abhängig von der Laufzeit, mehr oder weniger stark fallen. Auch die Immobilienpreise dürften deutlich unter Druck gera- ten; Immobilien werden meist fremdfinanziert, ihre Bewertung hat also in den vergangenen Jahren nicht zuletzt von den günstigen Baukrediten profitiert.
Der immer noch hohe Renditeaufschlag von Aktien dürfte zumindest einen Teil des Zinsanstiegs abfedern. Gut möglich, dass Aktien sogar profitieren. Da eine Zinswende praktisch nur in Kombination mit starkem Wirtschaftswachstum und höherer Inflation zu erwarten ist, würden auch die Umsätze und Gewinne der Konzerne steigen. Konjunkturabhängige Unternehmen und Firmen mit starker Preissetzungsmacht könnten hiervon überdurchschnittlich profitieren.
Am Aktienmarkt gibt es keine Blase – bei (Staats)Anleihen dagegen sehr wohl. Anders ausgedrückt: Vor Anleihen sollten wir uns derzeit mehr fürchten als vor Aktien. DER AUTOR IST GRÜNDER UND VORSTAND DER FLOSSBACH VON STORCH AG IN KÖLN.