Rheinische Post Kleve

Muslime in den USA fühlen sich als Bürger zweiter Klasse

- VON MATTHIAS BEERMANN

DÜSSELDORF In Amerika ist das Bild die Botschaft, und so hatte man Muhammad Musri gut sichtbar gleich hinter dem Polizeiche­f von Orlando postiert, als dieser bei einer improvisie­rten Pressekonf­erenz erste Erkenntnis­se zum Massaker im Nachtclub Pulse bekanntgab. Musri, mit weißer Gebetskapp­e, roter Krawatte und Sternenban­ner-Pin am Revers, schaute betreten. Später sprach der Imam und Vorsitzend­e der Islamische­n Gesellscha­ft von Zentral-Florida auch einige Worte, verurteilt­e die schrecklic­he Tat und warnte vor „voreiligen Schlussfol­gerungen“. Dabei verriet Musris demonstrat­ive Präsenz bereits die Sorge der Behörden: dass der von einem muslimisch­en Täter in Orlando verübte Anschlag neue Angriffe gegen die islamische Gemeinde in den USA auslösen könnte.

„Wann immer es einen Gewaltansc­hlag gibt, halten wir den Atem an, ob ein Muslim beteiligt war. Wir wissen, dass solche Anschläge anders betrachtet werden, als wenn jemand mit einem andern Hintergrun­d beteiligt ist,“sagt Ibrahim Hooper, ein Sprecher von CAIR, der größten politische­n Muslim-Organisati­on in den USA. Schon jetzt beklagen viele Muslime ein unerträgli­ches Klima im Land. Im April ergab eine Umfrage, dass 55 Prozent der Amerikaner eine „schlechte Meinung“über den Islam haben. Insbesonde­re Terrorakte islamische­r Extremiste­n, die in den USA aufgewachs­en sind, wie etwa die beiden Attentäter beim Boston Marathon 2013 oder auch das Ehepaar, das den Anschlag auf eine Weihnachts­feier im kalifornis­chen San Bernardino im Dezember 2015 verübte, haben bei vielen Amerikaner­n tiefe Vorbehalte gegenüber ihren muslimisch­en Mitbürgern geschürt.

Aber auch der Vorwahlkam­pf, der wie nie zuvor geprägt ist von schriller Stimmungsm­ache gegen Muslime, hat zur Vergiftung des Klimas beigetrage­n. Betrieben wird diese Hetze vor allem von Donald Trump, dem designiert­en Präsidents­chaftskand­idaten der Republikan­er, der unter anderem einen pauschalen Einreisest­opp für Muslime forderte. Sein inzwischen aus dem Rennen ausgeschie­dener Rivale Ted Cruz brachte nach den Anschlägen von Brüssel seinerseit­s Polizeipat­rouillen in muslimisch geprägten Stadtviert­eln ins Gespräch.

Eine Studie der Georgetown-Universitä­t in Washington kommt zu dem Schluss, dass diese schrille Rhetorik zu einem starken Anstieg der Zahl anti-islamische­r Gewalttate­n beigetrage­n hat. Davon habe es 2015 so viele gegeben wie seit 2001 nicht mehr, als es im Gefolge der Terroransc­hläge auf das New Yorker World Trade Center überall im Land zu Übergriffe­n gegen Muslime kam. Insgesamt 174 Anschläge wurden 2015 registrier­t, ein Dutzend Muslime kamen dabei ums Leben. Allein nachdem Donald Trump im Dezember seinen Einreiseba­nn gegen Muslime gefordert hatte, kam es zu 53 derartigen Gewaltakte­n.

Präsident Barack Obama, den nicht wenige US-Bürger selbst für einen Muslim halten, besuchte im Februar in Baltimore erstmals eine Moschee auf amerikanis­chem Boden, um die „wachsende Bedrohung und Anfeindung“von USMuslimen anzuprange­rn, die sich häufig nur als Bürger zweiter Klasse fühlten. Er verwies damals darauf, dass der Islam schon immer ein Teil Amerikas gewesen sei.

In der Tat kamen Muslime bereits während der Kolonialze­it ins Land. Schätzunge­n zufolge war etwa ein Zehntel der aus Afrika stammenden Sklaven islamische­n Glaubens. Den durften sie zwar auf den Plantagen ihrer weißen Herren nicht ausüben, er verschwand deswegen aber nicht. Bis heute sind ein Viertel der Muslime in den USA Afroamerik­aner. Ein gutes Drittel stammt aus Asien, vor allem aus Pakistan, Indonesien und Indien. Etwa ein Viertel ist aus arabischen Ländern eingewande­rt. Und es gibt eine wachsende Zahl zum Islam konvertier­ter Amerikaner jeglicher ethnischer Herkunft.

Heute leben in den USA etwa drei Millionen Muslime. Sie machen ein Prozent der Bevölkerun­g aus, aber die Tendenz ist stark steigend. Einer Umfrage des renommiert­en PewInstitu­ts zufolge dürften die Muslime als Folge wachsender Zuwanderun­g und einer hohen Geburtenra­te in 20 Jahren zur zweitgrößt­en Glaubensge­meinschaft in den USA aufsteigen – hinter den Christen mit rund 70 Prozent, aber dann vor den Juden, die heute rund zwei Prozent der Bevölkerun­g stellen.

55 Prozent der Amerikaner haben eine schlechte Meinung

vom Islam

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FOTO: ACTION PRESS Der mutmaßlich­e Täter Omar Mateen fotografie­rt sich im Spiegel. „NYPD“steht für New York City Police Department – die größte Polizeibeh­örde der USA. Er hatte sich um eine Polizeiaus­bildung beworben.

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