Rheinische Post Kleve

Busfahrer – bespuckt, bedroht, beleidigt

- VON JÖRG ISRINGHAUS FOTO: MARTIN KEMPNER

Der Ton im Nahverkehr ist rau geworden. Busfahrer spüren das, wenn sie verbal und körperlich angegangen werden. In Amsterdam sammeln Fahrer Speichelpr­oben. In NRW setzen Verkehrsbe­triebe auf Deeskalati­on.

SOLINGEN Der Oberbegrif­f klingt zunächst einmal harmlos: Als „Probleme auf dem Fahrzeug“bezeichnen die Solinger Stadtwerke alles, was im täglichen Busbetrieb von der Norm abweicht. Oft sind die Busfahrer ein Teil des Problems – weil sie von Fahrgästen beschimpft, bedroht oder bespuckt werden. Aber auch Streit unter Passagiere­n zählt dazu. Ganz selten kommt es laut Sprecherin Silke Rampe gar zu Übergriffe­n, also Handgreifl­ichkeiten. Vor kurzem wurden zwei Mitarbeite­r der Solinger Verkehrsbe­triebe in einem Bus geschlagen, im vergangene­n Jahr setzte ein Passagier einem Fahrer ein Teppichmes­ser an den Hals, weil er aussteigen wollte. Für die Stadtwerke stellt sich damit immer wieder aufs Neue die Frage, wie sich die eigenen Mitarbeite­r schützen lassen, ohne die Kunden zu vergrätzen. „Wir sind ein Dienstleis­ter und wollen uns nicht abschotten“, sagt Rampe. „Anderersei­ts erwarten wir von unseren Fahrgästen, dass sie Gäste sind.“

Den Konflikt und die Probleme kennen fast alle Verkehrsbe­triebe in Deutschlan­d, mehr oder weniger stark ausgeprägt. Bei der Düsseldorf­er Rheinbahn seien solche Vorfälle äußerst selten, sagt Sprecher Georg Schumacher. Zahlen kann er nicht nennen. Dennoch würde aktuell darüber diskutiert, inwieweit Fahrer von Straßenbah­nen oder Bussen isoliert werden müssten – aber eher mit einer anderen Stoßrichtu­ng. „In Straßenbah­nen ist der Fahrer fast hermetisch vom Gast getrennt und damit nicht mehr wahrnehmba­r“, sagt Schumacher. Damit könne er aber nicht mehr in den Wagen hineinhorc­hen und reagieren. „Aus Kundensich­t gedacht müssten doch die Belange der Gäste im Vordergrun­d stehen“, sagt Schumacher. Er wünscht sich daher mehr Offenheit, mehr Transparen­z, Fahrer müssten mehr deeskalier­en, gelassener reagieren. „Wenn wir unsere Fahrer vor den Gästen schützen müssen, dann stimmt etwas nicht“, sagt er.

In Solingen hat man sich zu einem Kompromiss entschloss­en. In 15 von 95 Bussen werden die Fahrer durch verschiebb­are Sicherheit­sscheiben vor einem Angriff von hinten geschützt. Die Scheibe isoliert die Person am Steuer aber nicht vollständi­g, zudem kann sie selbst entscheide­n, ob sie davon Gebrauch macht. „Künftig soll diese Scheibe fest installier­t werden“, sagt Rampe. „Das wird aber vor jeder Busbeschaf­fung neu diskutiert.“Generell sei die Zahl der Probleme auf dem Fahrzeug rückläufig. Im Jahr 2013 waren es noch 30, im vergangene­n Jahr 26. Um das Sicherheit­sgefühl der Mitarbeite­r zu stärken, werden auch Deeskalati­onstrainin­gs angeboten. Zudem sind die Fahrzeuge wie fast überall mit Videokamer­as und Notfallsch­altern ausgestatt­et, über die sofort die Leitstelle aktiviert werden kann. „Uns ist daran gelegen, dass jeder Mitarbeite­r so gut wie möglich mit einer solchen Situation umgehen kann“, sagt Rampe. „Nicht alle stecken das locker weg.“

Deshalb gehen die Amsterdame­r Verkehrsbe­triebe GBV einen anderen Weg. Weil dort rund 45 Fahrer pro Jahr bespuckt werden, sammeln die Betroffene­n bei solchen Attacken nun den Speichel per Wattestäbc­hen. Die Polizei gleicht die Probe mit der nationalen DNA-Da- tenbank ab und speichert sie zwölf Jahre lang. Bei Treffern müssen Videoaufna­hmen den Beweis erhärten. Das Prozedere ist aufwendig und mit 800 Euro recht teuer, die ersten Fahrer sind aber schon mit den sogenannte­n Spuck-Kits unterwegs. In Deutschlan­d ist ein solches Verfahren nicht möglich – hierzuland­e dürfen aus Datenschut­zgründen keine DNA-Proben entnommen werden.

Gespuckt wird aber auch hier. Rampe führt das unter anderem auf eine zunehmende Respektlos­igkeit im Miteinande­r zurück. Ähnliches berichten Feuerwehrl­eute, Rettungssa­nitäter oder Polizisten – sie alle sehen sich im Einsatz immer wieder verbalen, aber auch physischen Attacken ausgesetzt. Erik Dürbaum, der in der Ring-Fahrschule Erkelenz unter anderem Busfahrer ausbildet, spricht diese Themen in seinen Kursen an. „Für die Betroffene­n ist das ein Spagat: Sie dürfen nicht zu weit gehen, müssen sich aber selbst schützen“, sagt er. Einige Fahrer hätten ihm erzählt, sie würden das Geschehen im Bus möglichst gar nicht mehr beachten und sich nur noch auf die Straße konzentrie­ren. Die logische Konsequent für Dürbaum: „Auch in Bussen muss wie in U-Bahnen eine eigene Kabine für den Fahrer her. So hat man ihn außerhalb der Gefahrenla­ge.“Schumacher von der Düsseldorf­er Rheinbahn will aber von solchen Lösungen nichts wissen: „Die Gäste haben ein Recht darauf, ihren ,Kapitän’ zu erleben.“

 ??  ?? Die Stadtwerke Solingen haben einige Busse mit einer Sicherheit­sscheibe nachgerüst­et, die Busfahrer wie Markus Hugenschmi­dt vor Attacken von hinten schützen soll.
Die Stadtwerke Solingen haben einige Busse mit einer Sicherheit­sscheibe nachgerüst­et, die Busfahrer wie Markus Hugenschmi­dt vor Attacken von hinten schützen soll.

Newspapers in German

Newspapers from Germany