Marketingexperte startete als Alltagshelfer
Vor 100 Tagen begann für den Banker und Betriebswirt Lutz Strenger beruflich ein Neustart.
„Es war ein Schlussstrich – in aufgeräumter Gemütslage.“So umschreibt Lutz Strenger eine Idee, die im vergangenen Jahr einige Zeit in ihm reifte, bis sie sich zu einer Lebensentscheidung entwickelte. Er kündigte bei seinem Arbeitgeber, der Kreissparkasse Düsseldorf, um einen völlig neuen Weg einzuschlagen. Den geht er jetzt seit April diesen Jahres.
Fach-Abi, Banklehre, geprüfter Betriebswirt, dann Einstieg bei der damaligen Stadtsparkasse Heiligenhaus, so der Papierform nach geradlinig verlief der Berufseinstieg. Strenger sammelte Marketingerfahrung in Heiligenhaus, die sich nach der Fusion von Stadtsparkasse und Kreissparkasse Düsseldorf weiter bezahlt machte. Als er nach 28 Jahren im Beruf schließlich kündigte, war er Sprecher der Kreissparkasse (auch wenn ihm selbst diese Berufsbezeichnung etwas plakativ erscheint). Öffentlichkeitsarbeit, Marketing – das war über Jahrzehnte sein Ding.
Damit ist nun Schluss. Und der Neustart hatte rein gar nichts zu tun mit dem Aufspüren einer profitablen Marktlücke oder dem Aufstellen eines Geschäftsmodells. Die Motivation lag und liegt viel tiefer. Im Gespräch findet Strenger bewegende Worte über die letzte Lebenszeit seiner Mutter, die im vergangenen Jahr an Krebs starb. Vorangegangen waren palliativmedizinische Behandlungen, zuletzt ein Platz im Hospiz. „Uns ist auf diese Art eine einzigartige Zeit geblieben, Zeit zum
Zuhören, Zeit, die wir miteinander verbringen konnten. Schon während dieser Zeit habe ich gemerkt: Das löst etwas in mir aus. Und dann kam das Nachdenken.“
Nachdenken darüber, wie er selbst seine Lebenszeit nutzen möchte. Ein Weg dahin: „Zuhören, Gesprächspartner sein, Zeit mit Menschen in ihrem Alltag verbringen, nahe bei ihnen sein.“Vom Familienrat kam sofort grünes Licht („Wir leben in guten Bahnen“), als seine Idee Gestalt annahm. Er stieg ein in das junge Geschäft, mit dem sich sein Cousin Michael Linder zu Coronazeiten selbstständig gemacht hatte: als zertifizierter Alltagshelfer. Inzwischen gehört mit Tanja Wenk eine dritte Alltagshelferin zum Team.
„Hilfe mit Herz – Ihre Alltagshelfer in Niederberg“, so steht es auf einem Flyer. „Es ist ganz klar ein Geschäft, kein Ehrenamt, das wir betreiben“, erläutert er. Ein Hintergrund: Wer Anspruch auf Pflegegrad eins hat, kann 125 Euro monatlich für Hilfen im Haushalt beantragen. Oder aber die Alltagshelfer zum Stundensatz privat buchen.
Seit einem Vierteljahr nun tun sich für Strenger neue Welten auf. „Ein gut geführter Terminkalender“muss sein, um pro Woche zehn Menschen stundenweise begleiten und betreuen zu können. „Es lässt sich gut an. Allein vergangene Woche kamen sieben neue Anfragen,“
Die Einsätze reichen von Beistand bei Arzt- und Krankenhausbesuchen bis zu sehr besonderen Einkaufstouren. „Eine hochbetagte Dame ist Orchideenexpertin und
hatte dieses Hobby lange Zeit mit ihrem Mann gemeinsam gepflegt“, erzählt Strenger. So kam der Alltagshelfer an die Aufgabe, Touren in Gartencenter zu organisieren und hinzufahren. „Die Menschen buchen unsere Zeit, und wir helfen da, wo es uns erlaubt ist. Miteinander sprechen und zuhören, darum geht es in vielen Fällen.“Eine Aufgabe, die Strenger mag. Was nicht geht, sind Tätigkeiten in allen Spielarten der Krankenpflege, auch Gartenarbeit kann nicht gebucht werden. Das neue Berufsleben braucht ein Höchstmaß an Selbstorganisation, zumal Strenger noch zwei weitere Standbeine hat. Zum einen ist er – seit Jahrzehnten – ein viel beschäftigter Musiker. Seine „Stimmabgabe“-Mitsingkonzerte haben über Heiligenhaus hinaus Kultcharakter. Und dann ist da noch der Wuppertaler Verein „Behindert – na und?“Hier sorgt Strenger inzwischen für die interne Kommunikation.