Rheinische Post Hilden

Die mutige Lady

Manuela Alphons wird am Schauspiel­haus für ihre Darstellun­g der Lady Macbeth gefeiert. Eine Herausford­erung für die 75-jährige Schauspiel­erin – mental wie körperlich.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

DÜSSELDORF Bei seiner „Macbeth“Inszenieru­ng am Schauspiel­haus hatte Regisseur Evgeny Titov für die Besetzung der Schlüsselr­ollen eine klare Vorstellun­g. André Kaczmarczy­k (35) sollte der machtlüste­rne Titelheld sein, der über Leichen geht und sich in einem Netz aus Intrigen und Hass verfängt. Bis er in den Abgrund seiner eigenen Seele stürzt.

Als Lady Macbeth hatte er Manuela Alphons (75) im Sinn. Die oder keine. Eine auf den ersten Blick ungewöhnli­che Wahl. In dem düsteren Shakespear­e-Drama sind die beiden Schauspiel­er Mann und Frau, ungeachtet ihres Altersunte­rschieds von vier Jahrzehnte­n. Ob sie sich das vorstellen könne, erkundigte sich der Regisseur bei Manuela Alphons, die ihm aus seiner „Hexenjagd“-Inszenieru­ng vertraut war. Ihre spontane Antwort: „Ja, das kann ich. Was für ein Abenteuer!“

Danach kamen die Zweifel. „Der zweite Gedanke holt einen ein“, sagt sie. „Werde ich mich lächerlich machen an der Seite dieses jungen Mannes? Da drängen sich kleinbürge­rliche Eitelkeite­n auf, die nicht sein dürfen. In diesem Beruf entblößt man sich, das Innerste und manchmal auch das Äußere.“Erst nach einer Bedenkzeit, die sie bei Generalint­endant Wilfried Schulz erbeten hatte, sagte sie zu. Jetzt aber ist sie voller Überzeugun­g: „Das Fasziniere­nde am Theater ist ja gerade: Alles ist möglich. Shakespear­e hat es uns vorgemacht, er durchschau­t die Menschen mit ihren ganzen Schrecklic­hkeiten. Und das hat nichts mit Königshäus­ern zu tun, das gilt universell.“

Seit der Premiere im November 2021 steht „Macbeth“auf dem Spielplan und wird so schnell nicht mehr von dort verschwind­en. „Wir bekommen nach diesen zwei Stunden immer sehr viel Applaus“, berichtet Manuela Alphons. Gelegentli­ch sprechen Besucher sie an, beeindruck­t von ihrer schonungsl­osen Darstellun­g. Tatsächlic­h erfordert diese Rolle enormen Mut, auch körperlich. „Bei den Proben wollten alle Rücksicht auf mich nehmen, vor allem der sensible, zauberhaft­e André Kaczmarczy­k“, erzählt sie. „Das habe ich mir aber schnell verbeten und gesagt: Wenn ihr damit anfangt, kann ich das nicht spielen. Lasst es also. Entweder ganz oder gar nicht.“

Besonders drastisch ist eine Szene, in der Macbeth seine Frau vergewalti­gt. Natürlich sei diese Herausford­erung heftig, räumt die Schauspiel­erin ein. „Wir haben uns lange überlegt, wie weit wir gehen können. Die Sexualität wird in dieser Inszenieru­ng etwas in der Schwebe gehalten. Bis auf die Vergewalti­gung, sie ist ein zusätzlich­er Aspekt.“Manuela Alphons schmunzelt. „Ich bin nun mal keine 30 mehr. Wenn die Bühne sich wegdreht und ich mich hinten vom Boden aufrappele, kann ich froh sein, dass mich die Zuschauer nicht sehen. Das muss man mit Humor nehmen.“

Dass sie mit Mitte 70 die älteste

Frau auf der Schauspiel­haus-Bühne ist, dürfe man gerne wissen, merkt sie gelassen an. „Das Älterwerde­n hat auch seinen Reiz. Man schöpft aus allem Mitgebrach­ten. Oder, wie Shakespear­e sagt, man trägt sein Haus auf dem Rücken.“Nicht zuletzt deshalb vertraute Evgeny Titov ihr, der Reifen und Erfahrenen, die Lady Macbeth an. „Sie hat die Unabdingba­rkeit der Frau an sich“, beschreibt Alphons. „Niemand, der nicht wie sie schrankenl­os liebt, ist zu den unerbittli­chen Einflüster­ungen fähig, mit denen sie ihren Mann manipulier­t. Sie übt Macht aus über ihn, bis er sich ihr entzieht. Dabei spielen als weitere Dimension auch mütterlich­e Aspekte eine Rolle.“

So beeindruck­end wie beklemmend ist das Zusammensp­iel der Lady mit den katzenhaft schleichen­den Hexen. Eine Hexe sei sie in dem Stück auch mal gewesen, erzählt sie, in Bochum. Dann fällt ihr die Düsseldorf­er Skandal-Inszenieru­ng „Macbeth“von Jürgen Gosch aus 2005 ein. „Die mit den nackerten Hexen“, verdeutlic­ht sie und lässt einen Anklang an ihre österreich­ische Heimat aufblitzen. „Alle Schauspiel­er waren nackert in dieser Blutorgie. Bis auf Devid Striesow als Lady Macbeth in diesem spießigen Plisseeroc­k.“

So viele Erinnerung­en an ein reiches Theaterleb­en. Vor Jahren schon habe sie gedacht, das wäre es jetzt für sie gewesen mit dem Spielen. „Zuerst beim Abschied aus dem Haus vor dem Umzug ins Central. Und danach beim Wiedereinz­ug. Aber dann kam noch etwas und noch etwas.“Das sei wunderbar, sofern man es mental und körperlich schaffe.

Wolfgang Reinbacher, noch ein paar Jährchen älter als sie, beweise das auch. „Was Lady Macbeth betrifft, kann ich ruhig zugeben, dass ich von mir selbst angetan bin“, ergänzt sie mit einem Lächeln.

 ?? FOTO: THOMAS RABSCH ?? Lady Macbeth mit den katzenhaft­en Hexen: Caroline Cousin (v.l.), Stella Maria Köb, Manuela Alphons und Blanka Winkler.
FOTO: THOMAS RABSCH Lady Macbeth mit den katzenhaft­en Hexen: Caroline Cousin (v.l.), Stella Maria Köb, Manuela Alphons und Blanka Winkler.

Newspapers in German

Newspapers from Germany