Grandioser Mozart zwischen Genie und Wahnsinn
Milos Formans Film „Amadeus“wird jetzt bei Arte gezeigt. Er porträtiert den Komponisten aus der Perspektive Antonio Salieris.
DÜSSELDORF Hat vielleicht jemand Lust auf einen mit acht Oscars prämierten Musikfilm? Oder lieber auf einen turbulenten Thriller um ein Genie, das der Heimtücke eines Neiders zum Opfer fällt? Oder, noch besser, auf eine künstlerisch wertvolle Biografie? Oder, etwas ganz anderes, auf ein einfühlsames Historiendrama? Oder am Ende, sehr gediegen, auf höchst erbauliches Bildungsprogramm?
Das gibt es jetzt auf Arte TV alles in einem. An diesem Montag zeigt der Sender den wunderbaren Film „Amadeus“des tschechischen Regisseurs Milos Forman von 1984. Dessen Kunst besteht daran, dass er Mozart nicht mit Glacéhandschuhen anpackt, sondern ihn als lebenshungrigen, durch und durch menschenfreundlichen und zugleich seiner Einzigartigkeit spöttisch bewussten Musiker zeigt, der mit seiner Kunst eine Schneise durch das in tönenden Konventionen erstarrte Wien seiner Zeit schlägt.
Der Film demonstriert, wie die Musik in Mozart schier wuchert, wie sie in ihm explodiert und aus ihm herausplatzt, wie er kaum hinterherkommt und zugleich die Zeitgenossen maßlos überfordert. „Zu viele Noten“, dieser kaiserliche Befund über Mozarts Musik fasst die Hilflosigkeit der Hörer zusammen; sie begreifen nur mühsam die handstreichartigen Überrumpelungsaktionen, als die Mozarts Partituren wirken.
Doch einer begreift sie zutiefst, das ist Antonio Salieri, der prominente Kollege, der sich durch Mozarts Grandiosität seines eigenen Mittelmaßes überführt sieht. Der Dramatiker Peter Shaffer machte ein – historische Korrektheit zuweilen Lügen strafendes – Theaterstück daraus; es wurde zu Formans Vorlage. Der finale Clou: Salieri bestellt in einer Maske bei dem todkranken Mozart ein „Requiem“, das er später als sein eigenes ausgeben will. Das vereitelt jedoch Mozarts Frau Constanze.
Zu Beginn des Films glaubt Salieri, dass Gott diesen Mozart geschaffen habe, um ihn zu verhöhnen. Das schreit nach Rache. All dies erfahren wir durch das dramaturgische Prinzip der Rückblende. Der Film erzählt die Geschichte nämlich aus der Zelle einer psychiatrischen Anstalt, in die Salieri nach einem Suizidversuch geraten war; einem Priester beichtet er seine Sünde und seinen Versuch, Gott dafür zu bestrafen, dass er ihm Mozart vor die Nase setzte.
Natürlich hören wir sehr viel Musik, ganze Sätze, doch auch Fetzen unsterblicher Melodien. Immer wieder unschlagbar ist die Szene, da Mozarts keifende Schwiegermutter trickreich in die Königin der Nacht aus der „Zauberflöte“überblendet, die ihre Koloraturen in Extremlagen wie Reißzwecken ins Ohr sticht. Sämtliche Musikstücke entstammen Aufnahmen unter Leitung des großartigen englischen Dirigenten Sir Neville Marriner.
Also ein biografisch erfrischend unpräziser Musikfilm als erregende Geniestudie mit hohem historischen Bildungswert. Das alles soll ein einziger Film leisten können? Nun, Mozart meckerndes Lachen überwältigt auch die Ungläubigen.
Info „Amadeus“von Milos Forman, 31. Januar, 20.15 Uhr bei Arte TV.