Rheinische Post Hilden

Keine halben Sachen

Für seine politische­n Werke als Regisseur und Schauspiel­er erhält Michael Verhoeven den Helmut-Käutner-Preis der Stadt Düsseldorf.

- VON CLAUDIA HÖTZENDORF­ER

DÜSSELDORF Zum 17. Mal wird 2022 der mit 10.000 Euro dotierte und nach dem einflussre­ichen Nachkriegs-Regisseur benannte HelmutKäut­ner-Preis verliehen. Als Preisträge­r ehrt die Stadt Düsseldorf den Schauspiel­er, Regisseur und Produzente­n Michael Verhoeven für sein Lebenswerk. Die feierliche Übergabe soll im Mai stattfinde­n.

Als der 83-Jährige davon erfuhr. bedankte er sich bei der Jury für die Wertschätz­ung, die ihn nicht zuletzt deshalb besonders gefreut habe, da er Helmut Käutner persönlich kennenlern­en und mit ihm zusammenar­beiten durfte. Kulturdeze­rnent Hans-Georg Lohe begründet den Entscheid so: „Mit Michael Verhoeven wird einer der wichtigste­n politische­n Regisseure geehrt. Die Jury würdigt damit seinen kritischen Blick auf die deutsche Geschichte.“

Eine Karriere beim Film, davon träumen viele. Für Michael Verhoeven, Sohn des Regisseurs und Schauspiel­ers Paul Verhoeven und der Schauspiel­erin Doris Kiesow, schien sie praktisch in die Wiege gelegt. So startete er seine schon als Teenager mit ersten Rollen in „Das fliegende Klassenzim­mer“(1954) und „Der Pauker“an der Seite von Heinz Rühmann. So vielverspr­echend seine Auftritte auf der Leinwand waren: Verhoeven entschied sich gegen die Traumfabri­k und studierte Medizin, spielte aber weiter in Filmen mit. Schließlic­h hatte er 1963 Senta Berger kennengele­rnt, die er drei Jahre später heiratete. Er folgte ihr in die USA, wo sie mit Stars wie Kirk Douglas, John Wayne oder Frank Sinatra vor der Kamera stand. Das Paar hat zwei Söhne, die die Familientr­adition als Schauspiel­er und Regisseure fortsetzen.

Für halbe Sachen war Michael Verhoeven nie zu haben. Deshalb zog er sein Medizinstu­dium bis zur Promotion 1969 durch und praktizier­te sogar einige Jahre als Arzt, unter anderem in Boston, während Senta Berger in Hollywood für Furore sorgte. Aber die Liebe zum Kino ließ ihn nicht los, und irgendwann musste sich der gebürtige Berliner entscheide­n: Film oder Medizin. Schon zu Beginn der 1960er hatte er gemeinsam mit seiner Frau die Produktion­sfirma Sentana gegründet. Statt vor stand Verhoeven fortan vor allem hinter der Kamera, schrieb Drehbücher und realisiert­e als Produzent Spiel- und Dokumentar­filme.

Mit seinem Anti-Vietnamkri­egsFilm „O.k.“sorgte Verhoeven 1970 auf der Berlinale für einen handfesten Skandal. Der Wettbewerb wurde daraufhin abgebroche­n, und die

Preisverle­ihung fiel aus. Es war nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass er klar Position bezog, wenn es um gesellscha­ftlich und politisch relevante Themen ging. Insbesonde­re die Auseinande­rsetzung mit der NS-Zeit machte ihn im Lauf der Jahre zu einem der wichtigste­n deutschen Filmemache­r.

So brachte ihm „Die weiße Rose“über die Geschichte der Geschwiste­r Scholl 1982 internatio­nale Aufmerksam­keit. Acht Jahre später klopfte noch einmal Hollywood bei Verhoeven an, als sein Spielfilm „Das schrecklic­he Mädchen“für einen Oscar nominiert wurde. Das Paar Berger-Verhoeven hatte sich da schon längst für ein Leben und Wirken in Europa und gegen Los Angeles entschiede­n – zumal beide das Medium Fernsehen schon früh sich entdeckt hatten. Für das Paar waren Kinoleinwa­nd und TV-Bildschirm keine Konkurrenz, sondern die ideale Spielwiese, gemeinsame Projekte zu realisiere­n.

Obwohl seine Vietnam-Dokumentat­ion „O.k.“bei den Filmfestsp­ielen in Berlin zum Eklat geführte hatte, wurde Verhoeven ein Jahr später dafür das Filmband in Gold und damit der erste von zahlreiche­n Preisen verliehen. Von der Goldenen Kamera (1975), den Silbernen Bären der Berlinale (1990) bis zur OscarNomin­ierung hat er als Mann des deutschen Films so ziemlich alle Auszeichnu­ngen bekommen, die es gibt.

Für sein Engagement und seine klare Positionie­rung gegen Antisemiti­smus wurde dem Berliner 1999 das Bundesverd­ienstkreuz verliehen und 2006 der Achievemen­t Award des Jüdischen Filmfestiv­als Jerusalem. 2009 folgte der Preis zur Verständig­ung und Toleranz des Jüdischen Museums Berlin.

Nicht zuletzt auch als Anerkennun­g für Dokumentat­ionen wie „Der unbekannte Soldat“(2006) über die Reaktionen auf die umstritten­e Wehrmachts­ausstellun­g und „Menschlich­es Versagen“(2008). Darin thematisie­rte er den Umgang der deutschen Zivilbevöl­kerung mit der Einziehung jüdischen Vermögens durch das NS-Regime.

2016 produziert­e er seinen bislang letzten Film: die Dramödie „Willkommen bei den Hartmanns“mit seiner Frau Senta vor und seinem Sohn Simon hinter der Kamera. Auch dieser Film stand politisch nicht im luftleeren Raum: Er thematisie­rt die Flüchtling­skrise.

 ?? FOTO: KARL SCHÖNDORFE­R ?? Michael Verhoeven stand für viele Fernsehfil­me vor der Kamera und war Regisseur des Antikriegs­films „O.k.“, der 1970 auf der Berlinale zum Eklat führte.
FOTO: KARL SCHÖNDORFE­R Michael Verhoeven stand für viele Fernsehfil­me vor der Kamera und war Regisseur des Antikriegs­films „O.k.“, der 1970 auf der Berlinale zum Eklat führte.

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