„Kinder und Jugendliche brauchen eine Pause“
Die Bundesbildungsministerin über Urlaub in den Sommerferien, Beschränkungen im neuen Schuljahr und den Kampf gegen die Erderwärmung.
Frau Karliczek, die Infektionszahlen entwickeln sich positiv, gleichzeitig haben viele Kinder bereits Lernrückstände. Sollten die Schulen nicht früher öffnen?
KARLICZEK Die dritte Infektionswelle scheint durchbrochen. Das wird auch dazu führen, dass demnächst weitere Schulen zumindest zu einem Wechselunterricht unter strengen Hygienebedingungen plus Tests zurückkehren werden. Präsenzunterricht ist durch nichts zu ersetzen, auch wenn er momentan noch vielerorts zeitlich reduziert ist. Deshalb freue ich mich über jede Unterrichtsstunde mehr, die wieder in der Schule gehalten wird.
Sollten Familien im Sommer in andere Länder reisen dürfen, auch wenn so möglicherweise Mutationen eingeschleppt werden? KARLICZEK Ich glaube, dass Urlaub, auch in anderen Ländern, in diesem Sommer weitgehend möglich sein wird. Eine große Zahl von uns allen wird dann geimpft sein und auch die Tests schaffen zunehmende Sicherheit. Die Voraussetzungen, unter denen die Familien die einzelnen Urlaubsziele ansteuern können, werden auch zunehmend klarer werden. Nach wie vor müssen wir vorsichtig sein. Wir wollen unsere hart erkämpften Freiheiten ja nicht wieder aufs Spiel setzen. Aber dann wird es heißen können: Es geht in den Urlaub.
Wie optimistisch sind Sie, dass im neuen Schuljahr Beschränkungen wegfallen werden?
KARLICZEK Das neue Schuljahr wird wohl relativ normal starten, wenn sich das Infektionsgeschehen weiter so positiv entwickelt und die Impfbereitschaft so gut bleibt. Das betrifft vor allem die Jahrgänge in den weiterführenden Schulen. Denn hier können wir darauf hoffen, dass auch ein größerer Teil der Kinder und Jugendlichen geimpft sein wird. Das wird zur Sicherheit beitragen. Ich rechne aber damit, dass auch im nächsten Schuljahr überall in den Schulen weiter auf die Einhaltung der grundlegenden Hygieneregelungen geachtet werden muss. Auch wird weiter getestet werden müssen. Das gilt vor allem für die Grundschulen. Für die jüngeren Kinder bis zwölf Jahre wird ja erst später ein Impfangebot zur Verfügung stehen. Wir alle werden ja weiter mit dem Coronavirus leben müssen, und dazu gehört, dass wir gerade an den Schulen auch weiter vorsichtig sein müssen, um die Gesundheit der Kinder, aber auch ihres Umfelds zu schützen.
Sie sind Forschungsministerin.
Wann rechnen Sie mit einem Impfstoff für alle Kinder?
KARLICZEK Es wird im Verlauf des Sommers allen Kindern ab zwölf Jahren ein Impfangebot gemacht werden können, wenn der Impfstoff für diese Altersgruppe in den nächsten Wochen zugelassen wird. Die Studien für die Jüngsten von einem halben Jahr bis zwölf Jahre laufen auch bereits. Hier wird es aber vermutlich noch etwas dauern. Wann es so weit sein wird, kann ich im Moment nicht vorhersagen. Weltweit wird mit Hochdruck daran gearbeitet, dass auch für alle Kinder sichere und wirksame Impfstoffe zur Verfügung stehen.
Ärzte berichten, dass sehr viele Kinder bereits auffälliges Verhalten zeigen und im Lockdown beispielsweise übergewichtig wurden. KARLICZEK Wir alle, aber gerade auch die jungen Menschen leiden unter der Pandemie. Darum ist es so wichtig, dass sie wieder bald eine normale Kindheit und Jugend haben. Die Impfangebote werden helfen. Wir sollten den Kindern und Jugendlichen auch Zeit geben, sich wieder selbst zu finden, ohne gleich ans Lernen denken zu müssen. Kinder und Jugendliche brauchen eine Pause und Gelegenheit zum Durchschnaufen. Darum ist es richtig, mit dem Nachholprogramm erst nach den Ferien so richtig zu starten.
Insbesondere junge Menschen fordern mehr Klimaschutz ein, haben vor dem Verfassungsgericht Nachschärfungen
erstritten. Warum hat die Union oft Maßnahmen blockiert?
KARLICZEK Klimaschutz muss mit wirtschaftlicher Stärke und sozialem Ausgleich in Einklang gebracht werden. Unsere Auffassung ist nach wie vor richtig. Zur Rettung des Weltklimas ist ein breiter Ansatz nötig. Gut ist, dass die Menschen dem Klimaschutz aber auch immer höhere Bedeutung einräumen.
Wollen Sie sich mit dem Ausweg der CO2-Entnahme einen schlanken
Fuß machen und dafür die Klimaziele weniger stark nachschärfen? KARLICZEK Wir brauchen konsequente Reduktionsziele und einen entsprechenden Zeitplan. Das Bundesverfassungsgericht hat dies ja zu Recht betont. Ergänzend zu sehr viel strengeren Reduktionszielen brauchen wir perspektivisch auch Methoden zur CO2-Entnahme aus der Atmosphäre. Das kann nie ein Ersatz sein für das Absenken der Treibhausgasemissionen. Wir müssen rechtzeitig mit der Entwicklung der Entnahme-Technologien beginnen, um die Ziele ab 2045 zu erreichen. Nur wenn wir alle Möglichkeiten ausreizen, können wir das Weltklima retten.
Mit welchen Technologien wollen Sie die CO2-Entnahme gewährleisten?
KARLICZEK Es gibt viele Ansätze. Aufforstung und die Wiedervernässung trockengelegter Moore sind Wege, die sinnvoll erscheinen und deren Umsetzung wir weiter erforschen wollen. Zusätzlich brauchen wir aber weitere Technologien, weil die naturnahen Maßnahmen kaum ausreichen dürften, CO2 in großem Maße wieder aus der Atmosphäre herauszuholen.
Was wären weitere Möglichkeiten aus Ihrer Sicht?
KARLICZEK Das sind natürlich gigantische Projekte. Es gibt die Idee, nährstoffreiches Tiefenwasser in den Meeren hochzupumpen. Das würde das Algenwachstum in den oberen Wasserschichten anregen, und die so vermehrten Algen würden wieder CO2 aufnehmen können. An Land könnte die Luft durch riesige Sauganlagen geleitet werden, das CO2 herausfiltern. Ich sage aber ganz klar, dass die Forschung zu jedem dieser technologischen Vorschläge auch gleich die rechtlichen und ethischen Fragen sowie die Folgewirkungen eines breiten Einsatzes mitberücksichtigen muss. Wir haben in den letzten Jahren den Forschungsetat für den Klimaschutz stark erhöht. Und trotzdem müssen wir noch weitere Möglichkeiten zur Eindämmung des
Klimawandels intensiver erforschen. Wir brauchen alle Technologien, die uns helfen beim Klimaschutz.
Wie geeint ist denn die Union beim Klimaschutz, wenn schon CSU-Chef Markus Söder ambitionierter auftritt als CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet?
KARLICZEK Natürlich wird in einer Volkspartei immer über den richtigen Weg diskutiert...
...während andere Parteien längst ein Konzept haben und Sie noch blank dastehen.
KARLICZEK In unserem Wahlprogramm wird der Klimaschutz eine zentrale Rolle spielen, weil es ein Zukunftsprogramm sein wird. Zur Modernisierung Deutschlands gehört auch ein ambitionierter moderner Klimaschutz.
Warum sollten die Menschen die Union wählen mit Blick auf das Klimathema, wenn beispielsweise Peter Altmaier als Wirtschaftsminister nicht mit dem Ausbau erneuerbarer Energien geglänzt hat?
KARLICZEK Der Ausbau erneuerbarer Energien stößt überall auf Widerstände vor Ort – auch in Ländern, die von den Grünen regiert werden oder wo sie mitregieren. Das ist das Problem. Die Grünen haben sich hier auch ein wenig vom Acker gemacht.
Sitzt Armin Laschet als Kanzlerkandidat fest im Sattel für die Union? KARLICZEK Absolut. Warten Sie es mal ab, er kann sehr gut kämpfen.
Und Sie wollen in der neuen Bundesregierung als Bildungs- und Forschungsministerin weitermachen? KARLICZEK Ich habe für Bildung, Forschung und Innovation sehr viel angestoßen und auch umgesetzt. Ich bin noch längst nicht mit meiner Arbeit fertig und möchte sie daher sehr gerne fortsetzen.