„Gespräche mit mir erst nach der Saison“
Vor dem Duell mit Fortuna spricht Paderborns Trainer Steffen Baumgart über seine Zukunft.
Herr Baumgart, mein Sohn hat mich vor diesem Interview gewarnt. Er sagte, Sie seien doch der Typ, der immer so aggressiv gucken würde. Können Sie mich bitte leben lassen?
BAUMGART (lacht) Wenn es sein muss. Hey, jetzt aber mal ehrlich – ich weiß natürlich schon, wie ich mit meiner Art wirke. Aber richten Sie bitte Ihrem Sohn aus: Ich bin schon ein ganz netter Typ und beiße definitiv nicht.
Am Spielfeldrand sieht man Ihnen das tatsächlich nicht sofort an. BAUMGART Im Fußball geht es nicht darum, wer am nettesten an der Seitenlinie lächelt. Da gibt es schon Dinge die mich ärgern. Und das muss dann raus. Ich bin 90 Minuten auf mein Team, das Spiel konzentriert. Danach ist es gut, und ich kann mit dem gegnerischen Trainer auch ein Bier trinken.
Wie lange brauchen Sie nach Schlusspfiff, um wieder runterzukommen?
BAUMGART Ich bin ja nicht nur während der 90 Minuten angespannt. Als Trainer ist man im Prinzip permanent fokussiert. Nach unserem Spiel gegen Osnabrück hat gleich unsere Vorbereitung auf Düsseldorf begonnen.
Auf was für einen Gegner bereiten Sie sich für Samstag vor? BAUMGART Auf eines der aktuell stabilsten Teams der Liga. Neun Punkte aus den jüngsten drei Partien sprechen für sich. Ich freue mich drauf, es wird bestimmt ein interessantes Spiel. Wir spielen auf unsere Art und Weise Fußball. Und wir wissen: Wenn wir Fortuna Platz geben, können wir uns ganz schnell ein, zwei Tore einfangen. Wir müssen diszipliniert sein und unsere Aufgaben umsetzen. Dann können wir sehr unangenehm sein.
Ihr Team steht im Nirgendwo der Tabelle, Sie haben unlängst verkündet, Ihren Vertrag beim SCP nicht verlängern zu wollen. Und doch ist ausgeschlossen, dass bei einem Steffen Baumgart die Luft raus sein könnte.
BAUMGART Das haben sie nett formuliert. Unmöglich, dass ich auf Sparflamme an der Seite stehe. Es sagt sich auch immer so salopp von außen, dass es um nichts mehr gehen würde. Es geht um nichts? Wenn ich Tischtennisspiele oder Mensch ärger dich nicht – ich will immer, immer gewinnen. Wer ein Spiel anfängt und nicht gewinnen will, der sollte es lieber gleich lassen.
Was werden Sie an Ostwestfalen am meisten vermissen?
BAUMGART Ostwestfalen können schon etwas stur sein, es ist ein besonderer Typus. Sie lassen einen nicht sofort in ihr Herz. Aber wenn irgendwann das Eis gebrochen ist, gibt es schon besondere Begegnungen. Ich habe es mit meiner Art offenbar geschafft, dass ich in Paderborn angekommen bin. Das macht mich auch ein bisschen stolz.
Und nun reißen sich viele Klubs um Steffen Baumgart. Überrascht, wie viele Begehrlichkeiten Sie mit Ihrer Ankündigung geweckt haben? BAUMGART Ich habe das ja nicht gemacht, um meinen Marktwert zu sondieren oder weil ich nette Dinge über mich lesen wollte. Das hatte ja einen Grund. Seit 2017 bin ich in Paderborn, schon eine lange Zeit in diesem Geschäft. In Düsseldorf haben es ja in den vergangenen Jahren nicht immer alle Trainer geschafft, über die volle Distanz zu gehen.
Und nun?
BAUMGART Nun kommt was Neues.
Schon Gespräche geführt? BAUMGART Jetzt? Nein, Gespräche mit mir können nach der Saison geführt werden. Ich habe erst noch eine Aufgabe zu Ende zu bringen. So bin ich, so wird das laufen.
Sie haben gesagt, Sie fühlten sich wie eine Kuh, die durchs Dorf getrieben wird, weil nun Ihr Name an vielen Standorten als Nachfolger gehandelt würde.
BAUMGART Ja, ein komisches Gefühl. Viele reden über dich und nur wenige mit dir, wie Sie das jetzt tun. Da werde dann Dinge über einen erzählt, die nicht stimmen.
Ihnen ist wichtig, selbst die Kontrolle zu behalten?
BAUMGART Wir Trainer können schon ganz gut Entscheidungen alleine treffen. Natürlich ist es ein gutes Zeichen, wenn man nicht nur wie ein Spielball behandelt wird, sondern selbst seine Stimme erhebt und Grenzen aufzeigt.
Am Ende ist und bleibt der Trainer aber das schwächste Glied in der Kette.
BAUMGART Oft beschäftigt man sich überhaupt nicht mit der Arbeit, sondern es werden nur Vergleiche angestellt. Die sind selten fair. Nehmen wir die Situation bei Fortuna. Mit Friedhelm Funkel gab es dort über Jahre einen erfolgreichen Trainer. Es ist doch klar, dass alle, die nach ihm kommen, automatisch mit ihm verglichen werden. Die Frage ist doch aber: Wem bringt das was?
Uwe Rösler jedenfalls hat keinen leichten Stand.
BAUMGART Ich kann viele Dinge natürlich nur von außen betrachten. In meiner Wahrnehmung macht Uwe einen guten Job. Er hatte ein schwierige Phase, etliche Spieler waren verletzt, der Kader war erst spät komplett. Ich sehe bei ihm ein klares
Konzept, und aktuell zeigt sich ja auch ein Aufwärtstrend. Wer sagt, dass ein Absteiger gleich wieder aufsteigen muss? Fragen Sie mal in Hamburg, Hannover oder Nürnberg nach. Vielleicht muss man auch einmal die Frage stellen, ob der Anspruch der Richtige ist.
Für die letzten Spiele geht es in Quarantäne. Ihre Stimmungslage bei dem Gedanken?
BAUMGART Sehen Sie, wir wollen alle, dass diese Saison zu Ende gespielt wird. Dafür sind wir Profis, dafür werden wir alles geben und unseren Teil dazu beitragen. Ich appelliere nur: Vergesst nicht, dass Profis auch in aller erster Linie Menschen sind. Mit ihren eigenen Sorgen, Nöten, Gedanken. So etwas kann man ja nicht ausblenden mit der Bemerkung, die werden bezahlt, die müssen da durch. Und dennoch: Wir haben uns natürlich schon etwas länger auf diesen Tag vorbereitet. Wenn dieses Virus besiegt ist, wird etwas Neues kommen. Wir müssen lernen, damit zu leben.
Was wird das Erste sein, was sie nach dem Schlusspfiff am letzten Spieltag machen?
BAUMGART Wir fahren vom Auswärtsspiel aus Würzburg zurück. Wenn wir wieder in Paderborn sind, mache ich mit meinem Trainer-Team einen richtigen Kasten Bier auf und wir schmeißen den Grill an. Dann quatschen wir über die Saison, das Leben. Am Tag danach gehe ich noch einmal mit der Mannschaft frühstücken. So ganz spießig, darauf freue ich mich.