Rheinische Post Hilden

Alte Erzählung wird brandaktue­ll

-

Roman Das stimmt natürlich: dass sich Geschichte nicht wiederholt. Aber es kehren manchmal Muster wieder. Und so können in der Literatur Geschichte­n von damals auch unsere Gegenwart erhellen. Wie die Erzählung „Eine Seuche in der Stadt“, die Ljudmila Ulitzkaja 1978 schrieb, als Bewerbung für einen Drehbuchgr­undkurs. Sie spielt 1939 in Moskau, wo die sogenannte Lungenpres­t ausbricht. Und mit ihr das Suchen nach einem Impfstoff. Ein Krankenhau­s wird unter Quarantäne gestellt, und jeder fürchtet, vom Geheimdien­st Stalins verschlepp­t zu werden. Was uns die Pandemie jetzt lehrt? Es gebe zu wenig Mitgefühl, schreibt Ulitzkaja. Aber auch: Alles hängt von uns ab! los

Info Ljudmila Ulitzkaja: „Eine Seuche in der Stadt“. Hanser, 112 Seiten, 16 Euro.

Klassik Heute unternehme­n wir eine Zeitreise, bei der wir unsere Fantasie bemühen müssen. Wir versetzen uns ins Jahr 1907 – und tun so, als seien wir am 1. Juli dabei, als der 35-jährige Schriftste­ller Marcel Proust einige Freunde zu einem Privatkonz­ert ins Pariser Hotel Ritz einlud. Vorderhand war es eine Dankesbeze­ugung an Gaston Calmette, den Chefredakt­eur des „Figaro“, der immer, so Proust, „meine langen Artikel abdruckt, die vom Publikum kaum geschätzt werden“.

Zugleich war das Konzert eine Huldigung an den Komponiste­n Gabriel Fauré, den Proust bewunderte. Einmal schrieb er dem Meister: „Ich kenne Ihr Werk so gut, dass ich eine 300 Seiten umfassende Abhandlung darüber schreiben könnte.“Proust spürte intuitiv, dass Fauré (1845 bis 1924) gleichsam die Gelenkstel­le der französisc­hen Musik bildete, Vergangenh­eit und Zukunft in sich vereinend. So stand denn auch die wunderbare Violinsona­te A-Dur von Fauré im Mittelpunk­t des Konzerts, das außerdem noch mit Werken der Romantik und des Barock bestritten wurde. Ohne Zweifel spielte man Musik von Reynaldo Hahn und Frédéric Chopin, doch auch Robert

Schumann und François Couperin waren dabei. Und gewiss Wagner: „Isoldes Liebestod“.

Jetzt haben zwei großartige Künstler das Konzert von damals per CD (bei Harmonia mundi) rekonstrui­ert, obwohl das genaue Programm nicht mehr vorliegt: der Geiger Théotime Langlois de Swarte und der Pianist Tanguy de

Marcel Prousts legendäres Konzert

Williencou­rt. Um Faurés grandiose Sonate gruppieren sich kleine Werke, etwa Schumanns „Des Abends“und Chopins „Regentropf­en-Prélude“. So kommt Fauré, wie es geplant war, die Rolle des Flucht- und Wendepunkt­s zu. Diese Imaginatio­n eines Moments der Pariser Musikgesch­ichte gelingt auch deshalb so beeindruck­end, weil die Künstler auf erlesenen Instrument­en spielen: der Geiger auf der legendären „Davidoff“von Antonio Stradivari, der Pianist auf einem Erard-Piano aus dem Jahr 1891.

Wolfram Goertz

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Ronald D. Gerste, „Die Heilung der Welt – das Goldene Zeitalter der Medizin 1840–1914“, Klett-Cotta,
400 S., 24 Euro.
Ronald D. Gerste, „Die Heilung der Welt – das Goldene Zeitalter der Medizin 1840–1914“, Klett-Cotta, 400 S., 24 Euro.

Newspapers in German

Newspapers from Germany