Rheinische Post Hilden

Straßennam­en: FDP will Bürger beteiligen

- VON PETER CLEMENT

Die Liberalen fordern, vor möglichen Umbenennun­gen einen „einheitlic­hen und nachvollzi­ehbaren Beurteilun­gsmaßstab“anzulegen. Die bisherige politische Beratung sei „ein Fall fürs Fremdschäm­en“.

HAAN In der Diskussion über mögliche Umbenennun­gen von Haaner Straßen, die Namen problemati­scher Persönlich­keiten tragen, hat die FDP jetzt vor „willkürlic­hen und zufälligen Entscheidu­ngen“gewarnt. „Was fehlt, ist ein einheitlic­her, nachvollzi­ehbarer Beurteilun­gsmaßstab”, forderte Ratsfrakti­onsvorsitz­ender Michael Ruppert in einer Stellungna­hme zu jener Sitzung des Bau- und Planungsau­sschusses, in der mit großer Mehrheit unter anderem eine Umbenennun­g der Emil-Nolde-Straße wegen dessen nationalso­zialistisc­her Gesinnung angeregt worden war (wir berichtete­n). Gänzlich befremdet Ruppert der Gedanke, dass eine Mehrheit des Stadtrats die bisherige Beschlussl­age offenbar nur abnicken wolle, ohne die Bürger zu beteiligen: „Ich meine, dass dieses Thema alle angeht.“

Wie Rat und Verwaltung mit dem Thema „Straßennam­en“umgingen, sei „ein Fall fürs Fremdschäm­en“, kommentier­t der FDP-Politiker: „Was fehlt, ist ein einheitlic­her, nachvollzi­ehbarer Beurteilun­gsmaßstab.” Würde der an Agnes Miegel

und Emil Nolde angelegte gelten, dann hätte auch der bekennende Chauvinist, Rassist und Antisemit Hermann Löns auffallen müssen, argumentie­rt Ruppert – außerdem Paul Lincke, ein Hofmusikan­t des Dritten Reichs, der sich von Goebbels als Kulturfunk­tionär einspannen ließ. Systemrele­vant seien zudem Firmen wie Borsig gewesen, deren Lokomotive­n das Vernichtun­gswerk in Gang zu halten halfen „und ja – auch spätere Widerstand­skämpfer wie Ludwig Beck, der schon die „geheime Reichswehr“aufbauen half, ehe er 1935 zum Chef des Heere-Generalsta­bs berufen wurde. Ein Freund von Republik und Parteien-Demokratie war er nie“.

Ruppert spannt den Bogen jedoch noch weiter: Selbst wenn man Martin Luther, Richard Wagner, Bismarck und Kaiser Wilhelm in Frieden ruhen lasse und großzügig darüber hinwegsehe, dass mehrere Benennunge­n vor 1914 unzweifelh­aft den Geist (oder Ungeist) des preußische­n Militarism­us und wilhelmini­schen Großmachts­trebens trügen (Sedan-, Düppel-, Alsenstraß­e) – es gäbe auch so genug Anlass für kritische Betrachtun­g.

Dennoch plädiert der FDP-Politiker

aus Überzeugun­g gegen alle vorgeschla­genen Umbenennun­gen: „Diese Straßennam­en, so problemati­sch sie aus heutiger Sicht erscheinen, sind auch ein Teil der Haaner Geschichte“, sagt er: „Das sollte uns im 100. Jahr der Stadtwerdu­ng bewusst sein.“Geschichte habe immer auch viele dunkle Flecken; „die lassen sich nicht wegwischen, aber sie sollten genutzt werden, unsere Sensibilit­ät für die Historie zu stärken, so wie das jetzt wohl am Haaner Gymnasium geschehen ist”. Er könne sich zum 100-jährigen Bestehen Haans als Stadt daher gut einen Aufsatzwet­tbewerb „Haaner Stadtgesch­ichte im Spiegel der Straßennam­en“vorstellen, schlägt Michael Ruppert vor.

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FOTO: STEPHAN KÖHLEN An der DIskussion um die Emil-Nolde-Straße und andere scheiden sich die Geister.

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