Blattgold und Mosaikpracht in Serbiens neuer Hagia Sophia
85 Jahren nach der Grundsteinlegung feiern die serbisch-orthodoxen Christen die Vollendung des Doms des Heiligen Sava in Belgrad.
BELGRAD Es ist das Ende der ältesten Dauerbaustelle auf dem Balkan. Noch in der vergangenen Woche verlegten Arbeiter hektisch die letzten Pflastersteine vor dem wuchtigen Kuppelbau in Serbiens Hauptstadt Belgrad. Neugierige Gläubige drängelten sich in der Eingangshalle des Doms, um schon vor der Feier zur Fertigstellung des Gotteshauses einen Blick auf die glitzernde Pracht des 15.000 Quadratmeter großen Mosaiks zu erhaschen: Blattgold und das Funkeln von 50 Millionen verlegten Glassteinchen tauchen die 77 Meter hohe Kuppel in einen betörend güldenen Schein.
Was lange währt, wird endlich gut: 85 Jahre nach der Grundsteinlegung feiert Serbien das Ende des Baumarathons an einem der größten orthodoxen Gotteshäuser der Welt. Der Tempel sehe „besser und schöner“aus als die in eine Moschee umgewandelte Hagia Sophia in Istanbul, jubiliert der allgewaltige Präsident Aleksandar Vucic zur Fertigstellung: „Der Dom wird die neue Hagia Sophia sein!“
Es waren Krieg und Serbiens bewegte Geschichte im 20. Jahrhundert, die die Arbeiten an dem gedrungenen Monumentalbau immer wieder unterbrachen. Die Idee zum Bau einer Gedenkkirche für den Begründer
der serbisch-orthodoxen Kirche entstand bereits 1895: Ein Förderverein schlug damals den Dombau auf einer Anhöhe vor, auf der während der Osmanenherrschaft angeblich die Gebeine des Heiligen Sava verbrannt wurden.
Nicht nur der Erste Weltkrieg (1914–1918) sollte im neuen Königreich Jugoslawien für erste Verzögerungen bei der Realisierung des Großprojekts sorgen. Zwei Architekturwettbewerbe wurden von heftigem Streit über die eingereichten Entwürfe begleitet. Schließlich sprach König Aleksandar ein Machtwort und bestellte einen Fusionsentwurf von zwei Architekten, der sich am neobyzantischen Stil und der Hagia Sophia orientierte.
1935 erfolgte die Grundsteinlegung. Doch bis zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1941 konnten nur das Fundament und die Grundmauern fertiggestellt werden. Die deutschen Besatzer zerstörten fast die komplette Baudokumentation samt Statikberechnungen: Nur den Entwurf konnte der Architekt Aleksandar Deroko rechtzeitig in seinem Keller vergraben.
Nach Kriegsende hatten Jugoslawiens neue, sozialistische Machthaber an dem Dombau kein Interesse. Das Gelände wurde als Park- und Zirkusplatz genutzt. Erst nach dem Tod von Staatslenker Tito erhielt die Kirche 1985 grünes Licht für die Fortsetzung der nun in Stahlbeton ausgeführten Bauarbeiten. Die Fundamente mussten kräftig verstärkt werden, bevor 1989 die Kuppel installiert werden konnte.
Während der Jugoslawienkriege (1991–1995) und UN-Sanktionen wurden die Bauarbeiten an dem Rohbau nur noch sporadisch fortgesetzt, bevor sie 1996 gänzlich zum Erliegen kamen. Erst nach dem Kosovokrieg (1999) wurden der Kirchenbau im April 2000 erneut aufgenommen und 2004 die Außenansicht des mit weißen Marmor verschalten Dom beendet. Die kahlen Betonwände verbreiteten im Dominnern jedoch noch lange die Atmosphäre einer Tiefgarage.
Mit Sonderbriefmarken, Spendengeldern, Hilfen aus Russland und Staatssubventionen gelang es der Kirche, den kostspieligen Innenausbau zu finanzieren. Allein in den vergangenen drei Jahren hat der Staat 43 Millionen Euro in das Prestigeprojekt gepumpt: Dass Belgrad auf dem Höhepunkt der Coronakrise erneut Millionen für den Dom bewilligte, stieß angesichts des desolaten Zustands vieler Krankenhäuser auch auf Kritik. Doch von Misstönen war bei der Feier zur Vollendung des Gotteshauses keine Rede mehr. „Der Dom ist unser Stolz“, versichert Patriarch Irinej.