Die Macht der Botenstoffe
Nach Biontech legt Moderna eine vielversprechende Impfstoff-Studie vor. Die Unterschiede zwischen den Firmen sind groß. Doch beide setzen auf dieselbe neue Technologie. Moderna verspricht zudem leichtere Lagerung.
Die Mission ist die gleiche: Sie wollen die Welt von dem Coronavirus befreien. Auch gehen sie den gleichen Weg: Sie setzen auf eine Impfung, bei der Botenstoffe den menschlichen Körper zur Produktion von Antikörpern anregen. Und doch könnten die Chefs der Firmen unterschiedlicher kaum sein: Ugur Sahin und Stéphane Bancel. Sahin, Chef des Mainzer Unternehmens Biontech, legte vor einer Woche sein erstes Fazit vor. Nun folgt Bancel, Chef des US-Unternehmens Moderna. Und der Franzose hatte am Montag noch viel versprechendere Ergebnisse zu verkünden. Der Kandidat mRNA-1273 habe eine Wirksamkeit von 94,5 Prozent, teilte das Unternehmen aus Cambrigde/ Massachusetts mit. „Das ist ein Schlüsselmoment. Jeder Tag zählt, und nun haben wir die erste klinische Bestätigung, dass unser Impfstoff-Kandidat Covid 19 oder schwere Verläufe verhindern kann“, erklärte Bancel. Wieder schossen weltweit die Aktienkurse nach oben.
Moderna testet seinen Impfstoff-Kandidaten an 30.000 Probanden. Die Hälfte davon hat den Impfstoff erhalten, die andere Hälfte war die Kontrollgruppe und erhielt nur ein Placebo-Mittel. Das eindeutige Ergebnis: 95 Probanden erkrankten laut Moderna an Corona – 90 davon kamen aus der Placebo-Gruppe, fünf kamen aus der Gruppe der geimpften Probanden. Elf der infizierten Probanden erkrankten schwer – und sie alle kamen aus der Placebo-Gruppe.
Moderna will in den nächsten Wochen eine Schnell-Zulassung bei den US-Behörden beantragen. Ende des Jahres werde man 20 Millionen Dosen liefern – wenn auch ausschließlich für die USA, hieß es. Bis Ende 2021 werde es für den globalen Markt bis zu einer Milliarde Dosen geben. Die Europäische Arzneimittel-Agentur will nun ebenfalls ein schnelles Zulassungsverfahren (Rolling-Review-Verfahren) starten. Zugleich
verhandelt die EU-Kommission mit Moderna über die Lieferung von bis zu 160 Millionen Dosen.
Biontech hat für seinen Kandidaten eine Wirksamkeit von mehr als 90 Prozent angegeben. Beide Firmen setzen auf dieselbe neue Technologie: Der Impfstoff besteht aus aufbereiteten Botenstoffen (Messenger-RNA) von Coronaviren, die den menschlichen Körper zur Bildung eines Virus-Eiweiß anregen soll, gegen das der Körper dann wiederum Antikörper bildet. Der Impfstoff macht so den menschlichen Körper selbst zur Fabrik der Coronavirus-Killer. RNA ist die Abkürzung für Ribonukleinsäure, auf der die Erbinformationen gespeichert sind.
Vorteil der Methode: Anders als beim Influenza-Impfstoff muss der Wirkstoff nicht langwierig auf Hühnereiern ausgebrütet werden. Zudem benötigt man, wenn es funktioniert, viel geringere Mengen, weil man nur den Botenstoff injiziert. Das würde die Herstellung der vielen benötigten Dosen erleichtern. Die spannende Frage: Funktioniert die bestechende Idee auch in der Breite? Bislang arbeitet noch nicht mal ein zugelassenes Medikament auf dieser Basis.
Bei Moderna steckt die RNA-Technik bereits im Namen: ModeRNA, wie sich das 2010 gegründete Unternehmen zunächst schrieb. Unter Stéphane Bancel versuchte man es zunächst mit Medikamenten, was aber nicht gelang. Im Januar, als die Pandemie in Wuhan wütete, lenkte Bancel die Ressourcen um in die Entwicklung eines Impfstoffes.
Geld spielte keine Rolle, Bancel wusste stets, wie man an frisches Kapital kommt. 2018 brachte er das Unternehmen an die Börse. Zudem war er bestens vernetzt und konnte potente Investoren gewinnen, die sich auf Biotech-Unternehmen spezialisiert haben. Bei einem Treffen mit US-Präsident Trump sicherte er sich zudem 480 Millionen Dollar an öffentlichen Geldern. „Kein anderes Biotech-Start-Up war jemals stärker kapitalisiert“, schreibt das „Manager Magazin“.
„Das ist ein Schlüsselmoment. Jeder Tag zählt“
Stéphane Bancel Moderna-Chef