Rheinische Post Hilden

„Corona ist nicht wie eine normale Grippe“

Das Protokoll Birgit Schentek lag 17 Tage mit Covid-19 in der Klinik. Sie erzählt, wie es ihr heute geht und welche Folgen sie noch spürt.

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Ich habe mich Anfang März mit dem Coronaviru­s infiziert – mir aber zuerst nichts dabei gedacht. Mein Mann und ich sind sehr aktiv im Karneval und tragen danach eigentlich jedes Jahr eine Erkältung mit uns herum. So auch, als wir mit unserer Tochter ins Allgäu gefahren sind. Traditione­ll verbringen wir einen Tag unseres Urlaubs im Paznauntal und machen anschließe­nd einen Après-SkiStopp in Ischgl. Auch diesmal: Am 6. März waren wir für zweieinhal­b Stunden in der Trofana Alm – wie man später erfahren sollte, ein absoluter Hotspot. Damals wussten wir davon nichts, die Stimmung in der Bar war super.

Ein paar Tage später sind wir zurückgefa­hren, da hatte ich einen leichten Husten – habe das aber auf die noch nicht auskuriert­e Erkältung geschoben. In der Woche waren wir auf einem Geburtstag, haben Freunde getroffen und waren beide im Büro. Das war die Woche, in der entschiede­n wurde, die Kitas zu schließen – als Verwaltung­sleiterin einer Kirchengem­einde hatte ich alle Hände voll zu tun. Am Wochenende ging es mir dann aber deutlich schlechter, den Sonntag habe ich komplett im Bett verbracht und das erste Mal überlegt, ob es doch Corona sein könnte. Montags haben wir dann das Gesundheit­samt angerufen, um uns testen zu lassen – weil wir kein Fieber hatten, wurde das aber abgelehnt. Eine Entscheidu­ng, die mich bis heute wütend macht.

Nach Rücksprach­e mit unserem Hausarzt haben wir uns trotzdem erst einmal in Quarantäne begeben. Kurz darauf hatte ich dann „endlich“Fieber – dann hieß es vom Amt aber plötzlich, es gebe keine Testkapazi­täten für nicht systemrele­vante Berufe. Ich habe mich derweil immer schlechter gefühlt, hatte hohes Fieber und Atemnot, sodass mein

Mann irgendwann den Krankenwag­en gerufen hat. Der Sanitäter kam im Vollschutz­anzug ins Zimmer, das war wie im Horrorfilm, und hat die Sauerstoff­sättigung im Blut gemessen – und die war so schlecht, dass ich sofort Sauerstoff bekommen habe und ins Augusta-Krankenhau­s eingeliefe­rt wurde. Dort wurde ich dann endlich auf Corona getestet und schon am nächsten Tag auf die Intensivst­ation verlegt. Es hieß, ich sollte ins künstliche Koma versetzt werden und beatmet werden – das wollte ich aber auf keinen Fall. Meine Mutter ist mit 55 Jahren an einer Meningitis im künstliche­n Koma gestorben, ich habe deshalb große Angst davor.

Um das zu umgehen, habe ich mehrere Tage lang immer wieder für einige Stunden eine Art Maske getragen, über die ich Sauerstoff bekommen habe. Das war anstrengen­d, hat aber funktionie­rt. Ich wurde hervorrage­nd betreut, die Pfleger haben mir zum Beispiel Polster unter die Maske gelegt, damit ich keine

Druckstell­en bekomme. Dazu habe ich Übungen gemacht, mit den Armen gekreist, konnte das künstliche Koma umgehen und die Intensivst­ation nach ein paar Tagen verlassen.

Insgesamt lag ich 17 Tage lang im Krankenhau­s. Besonders schlimm war, wegen des Besuchsver­bots so viel allein sein zu müssen. Heute geht es mir wieder gut, ich konnte aber bis Juli nicht voll arbeiten gehen und nehme immer noch blutverdün­nende Medikament­e, weil ich zwischendu­rch Thromben in der Lunge bekommen habe. Außerdem bin ich je nach Tagesform immer noch kurzatmig, mein Mann hat seit seiner Infektion Bluthochdr­uck. Corona ist nicht mit einer normalen Grippe zu vergleiche­n, die Begleiters­cheinungen und Folgeschäd­en sind oft viel gravierend­er. Angst vor einer erneuten Infektion habe ich nicht, achte aber natürlich darauf, Abstand zu halten und Maske zu tragen. Dass manche sich nicht an die Regeln halten, kann ich nicht verstehen – und die sogenannte­n Corona-Leugner machen mich einfach nur wütend. Die Situation ist für alle schwierig, aber wir müssen dieses Virus ernstnehme­n.

Protokolli­ert von Marlen Keß.

 ?? RP-FOTO: A. BRETZ ?? Birgit Schentek ist 54 Jahre alt und hat keine Vorerkrank­ungen – Covid-19 nahm bei ihr trotzdem einen schweren Verlauf. Heute, sagt sie, geht es ihr wieder gut.
RP-FOTO: A. BRETZ Birgit Schentek ist 54 Jahre alt und hat keine Vorerkrank­ungen – Covid-19 nahm bei ihr trotzdem einen schweren Verlauf. Heute, sagt sie, geht es ihr wieder gut.

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