Rheinische Post Hilden

Es war einmal eine SPD-Hochburg

Erstmals seit Kriegsende liegt in Bremen die CDU vor der SPD. Ob sie daraus politische­n Profit schlagen kann, ist aber zweifelhaf­t.

- VON KRISTINA DUNZ

BREMEN/BERLIN Vor zwei Jahren kannte ihn in der Bremer Politik so gut wie niemand, nun ist er nach den ersten Zahlen von Sonntagabe­nd der Sieger der Landtagswa­hl. Am Sonntagmor­gen hatte Carsten Meyer-Heder noch gescherzt, er zähle zu den 42 Prozent der Wahlberech­tigten, die noch unentschlo­ssen seien. Das ist der Humor, den die Leute in der sozialdemo­kratischen Hochburg mögen.

In der einstigen sozialdemo­kratischen Hochburg, muss man jetzt sagen. Denn dem 58-jährigen Software-Unternehme­r Meyer-Heder ist gelungen, was kein Christdemo­krat vor ihm geschafft hat: Mit ihm hat die CDU die SPD an der Weser von Platz eins verdrängt. Erstmals seit 70 Jahren. Das ist historisch.

Meyer-Heder ist ein Mann, der bis vor zwei Jahren mit den Christdemo­kraten noch wenig am Hut hatte, als er deren Spitzenkan­didat wurde. Unkonventi­onell, forsch, ungeduldig, mit Hippie-Vergangenh­eit, verheirate­t, geschieden, wieder verheirate­t, konfession­slos. Prominente Vertreter der Bundes-CDU fragten selbst im vergangene­n Jahr noch vorsichtig nach, ob Meyer-Heder inzwischen in die CDU eingetrete­n sei. Und manche wussten auch am Sonntag nicht, ob sie seine angebliche Unentschlo­ssenheit auf dem Weg zur Wahlurne wirklich witzig finden können. Unterstütz­t wurde Meyer-Heder von Anfang an vom CDU-Landesvors­itzenden Jörg Kastendiek, der 13 Tage vor der Wahl im Alter von 54 Jahren an Krebs gestorben ist. Der Wahlsieg ist auch sein Verdienst.

Die große Frage ist nun aber, ob die CDU aus der Sensation auch politische­n Profit schlagen kann, denn der Wahlverlie­rer Carsten Sieling (60) hat ein richtiges Ass im Ärmel. Er könnte trotz der Verluste für seine SPD eine rot-grün-rote Regierung bilden – die erste in einem der westlichen Bundesländ­er. Die Linke würde jubeln. Eine Regierungs­beteiligun­g im Westen würde die Partei einen weiteren Schritt zur Normalität gehen lassen und ihr auch für die drei Wahlen in den ostdeutsch­en Bundesländ­ern im Herbst enormen Rückenwind geben. Die Grünen stehen im roten Bremen traditione­ll eher links als bei den Realos der eigenen Partei und fühlen sich zudem als bisheriger Koalitions­partner der SPD verbunden.

Fakt ist an diesem Wahlsonnta­gabend: Eine große Koalition wird es nicht geben, weil Sieling ein Bündnis mit der CDU ausgeschlo­ssen hat. Und es dürfte sich kaum wiederhole­n, was die SPD nach der Bundestags­wahl auf Bundeseben­e gemacht hat: direkt nach der Wahl eine Polit-Partnersch­aft mit der Union ausschließ­en und dann, als sich keine andere Lösung fand, doch mit ihr eine Regierung bilden. Dafür hat die SPD seither bluten müssen, diese Erfahrung dürften sich die Sozialdemo­kraten in Bremen ersparen wollen und notfalls lieber in die Opposition gehen, so unbekannt ihnen diese Bank in Bremen auch ist.

Meyer-Heder setzt auf Jamaika. Mit der FDP kann er gut. Er spricht von Aufbruch. Die FDP hatte sich 2015 zurück in die Bürgerscha­ft gekämpft, die Spitzenkan­didatin Lencke Steiner trat erst am damaligen Wahlabend in die Partei ein. Der heute 33-Jährigen und früheren Geschäftsf­ührerin eines Familienun­ternehmens wird viel Wirtschaft­skompetenz nachgesagt und eine gute Vernetzung in den sozialen Medien. Ganz in Meyer-Heders Sinne. Es fehlen eben nur die Grünen, die es sich dreimal überlegen dürften, ob sie mit der CDU paktieren.

Bei der Wahlparty der Bundes-CDU am Sonntagabe­nd im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin schallte ein Befreiungs­schrei durch das Foyer, als die ersten Zahlen für das kleinste Bundesland auf dem Bildschirm aufflacker­ten. 2015 hatte die CDU 22,4 Prozent und die SPD 32,8 Prozent bekommen. Nun lag die CDU auch am späten Abend noch zwei Punkte vor der SPD. Schon vor einem Jahr hatte Annegret Kramp-Karrenbaue­r, damals noch CDU-Generalsek­retärin, gesagt, dass das kleine Bremen eine große Wirkung haben werde, wenn die SPD diese Bastion verlöre.

Sosehr sie sich über das Ergebnis der Landes-CDU freut, so sehr belastet es zusätzlich die große Koalition im Bund, weil die Sozialdemo­kraten neben Bremen auch noch ein herbes Europawahl­ergebnis zu verdauen haben. SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil sprach von einem enttäusche­nden – und folgenreic­hen – Wahlsonnta­g. Sollte die SPD aber eine rot-grün-rote Regierung in der Hansestadt bilden und den Wahlsieger damit ausdribbel­n, wird das wiederum schwer auf die Stimmung in der Bundes-CDU drücken.

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FOTO: REUTERS Carsten Meyer-Heder, Spitzenkan­didat der CDU in Bremen, mit seiner Frau Anja auf der Wahlparty.

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