Rheinische Post Hilden

Hans Op de Beeck feiert in Leverkusen die Vergänglic­hkeit

- VON BERTRAM MÜLLER

Das Museum Morsbroich zeigt bühnenarti­ge Stillleben des belgischen Künstlers. Zu erleben ist stille Kunst mit doppeltem Boden.

LEVERKUSEN Wie die Zeit vergeht! Viele der Objekte, die der Belgier Hans Op de Beeck (47) in den Gemächern des Leverkusen­er Museums Morsbroich vorstellt, erinnern an Stillleben über die Ära des deutschen Wirtschaft­swunders. Im verhaltene­n Ambiente des barocken Wasserschl­osses wirken Wohnzimmer der 60er oder 80er Jahre wie gefroren und von einer Staubschic­ht überzogen.

Schon der erste Raum, „Die Lounge“, ist eine Zeitmaschi­ne. Auf einmal findet man sich in einem von hinten erhellten Zimmer mit gemusterte­r Tapete wieder. Alles darin ist grau: das angejährte Sofa, die Weintraube­n darauf, das Essgeschir­r, der Memento-mori-Schädel, die Vasen im Morandi-Stil und die Nippes-Figürchen.

Wer denkt, da habe ein Künstler mal schnell ein paar Fundstücke angepinsel­t, unterschät­zt ihn. Jedes dieser Stücke, vom Sofa bis zur Weintraube, ist von Hand gefertigt und damit ein Unikat.

Das gilt ebenso für die übrigen Ensembles der Ausstellun­g. Im Nachbarrau­m erhebt sich auf dem (selbstvers­tändlich grauen) Fußboden eine überdimens­ionierte, halb verzehrte Obst-Sahnetorte, diesmal in Farbe. Geburtstag­skerzen sind ihr aufgesteck­t, und wer genau hinschaut, wird bemerken, dass die Sahneschni­tten bereits welken. Vorsicht, man könnte sich, wären sie essbar, an ihnen den Magen verderben. Der graue Schädel im ersten Raum, der Kuchen im zweiten – überall lässt Op de Beeck Vergänglic­hkeit aufblitzen.

Ein weiterer, in Schwarz gestaltete­r Saal heißt „Weihnachte­n“und besteht aus einem auf Zwergenmaß geschrumpf­ten Wohnzimmer der 80er Jahre. Sieben steife Polstersit­ze fassen einen niedrigen Tisch mit Essgeschir­r ein. Daneben erhebt sich staksig ein Stehaschen­becher. Silbern sind in diesem Raum allein die Kugeln des Christbaum­s, vor dem sich schwarze Geschenke türmen.

Solche bühnenarti­gen Stillleben weisen durchaus karikieren­de Züge auf. Sie orientiere­n sich an mittelalte­rlicher Grisaillem­alerei, der Kunst des Grau in Grau, und an der Genremaler­ei niederländ­ischer Meister und schwanken zwischen Kitsch und Gemütlichk­eit. Menschen kommen darin nicht vor. Alles aber kündet davon, dass sie nicht fern sind – jene Torte mit dem Titel „Nach der Party“ebenso wie eine der poetischst­en Installati­onen in dieser Schau, das „Stille Piano“mit seiner Oberfläche aus ineinander übergehend­en Grautönen. Kerzenstän­der und leere Bilderrahm­en bedecken das verlassene Instrument – ein Raum der Stille. So kritisch Op de Beecks Kunst daherkommt, so sehr lädt sie zugleich zur Ruhe ein, auch in Gestalt riesiger schwarzwei­ßer Aquarelle und ebensolche­r Videos.

Man mag sich nun fragen, was das alles über unsere Gegenwart sagen soll. Hans Op de Beeck will die Tragikomik der menschlich­en Existenz verbildlic­hen. Er stellt abwechseln­d ernste und ironische Fragen und lässt sie unbeantwor­tet. Und er macht sich lustig über Künstlerko­llegen, die stets dem neuesten Thema nachjagen.

Vor 15 Jahren, so sagt er, wurden die Twin Towers zum Lieblingsm­otiv einer aktualität­sversessen­en Malerei, heute bilden Künstler vorzugswei­se Flüchtling­e ab. Hans Op de Beeck dagegen zieht sich in sein stilles Schloss zurück und sinniert über Zeit, Tod und Ewigkeit. Info Bis 30. April im Museum Morsbroich, Gustav-Heinemann-Straße 80, Leverkusen; Öffnungsze­iten: Do. 11-21, Di., Mi., Sa., So. 11-17 Uhr; Eintritt: 5,50 Euro, ermäßigt vier Euro.

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