Rheinische Post Hilden

Trainingsl­ager können gefährlich sein

- THOMAS SCHULZE BERICHTET AUS DEM TRAININGSL­AGER AUF LANGEOOG

Legenden ranken sich um die Saisonvorb­ereitung von Fußballpro­fis. Mittlerwei­le haben moderne Trainingsm­ethoden Einzug gehalten – auch bei Zweitligis­t Fortuna auf Langeoog. Beobachtun­gen einer Trainingse­inheit.

Trainingsl­ager von Fußballern können gefährlich­e Tage sein. Weil nicht nur gemeinsam trainiert, sondern auch Freizeit gestaltet wird. So sollen sich die Weltmeiste­r von 1974 in der Sportschul­e Malente einst am Pool, beim Kartenspie­l, und auchbei nächtliche­n Partyausfl­ügen vergnügt haben. Zwei Jahrzehnte später sorgte Trainer Felix Magath für Aufsehen, weil er im Trainingsl­ager mit Medizinbäl­len arbeitete, als „Quälix“die Spieler Treppen hoch und runter jagte.

Und heute bei der Fortuna auf Langeoog? Keine Sportschul­e, kein „Quälix“, keine Nachtschwä­rmer? Die beschaulic­he Ferieninse­l taugt

„Da scheppert es mal, aber das soll so sein.

Da ist viel Dynamik drin.“

Frank Kramer

Cheftraine­r Fortuna Düsseldorf

schon mal nicht zur Partymeile, lockt eher junge Familien oder Senioren an. Dafür bietet sie mit ihrer Idylle und zwei Rasenplätz­en optimale Bedingunge­n für ein Trainingsl­ager heutiger Art, wo selbst eine Trainingse­inheit von der Abwechslun­g zwischen höchster Intensität und Ruhephasen geprägt ist. Denn bezogen auf das Medizinbal­l-Geschleppe hat sich einiges in der Trainingsm­ethodik geändert.

So herrscht morgens um 7 Uhr am Strand von Langeoog nahezu gähnende Leere, die Zweitligap­rofis der Fortuna sucht man vergebens. „Natürlich ist ein Strandlauf mal drin, wenn es angebracht oder hilfreich ist. Aber regelmäßig dort zu trainieren, halte ich nicht für förderlich“, sagt Fortuna-Trainer Frank Kramer. Und der ehemalige Gymnasiall­ehrer und Sportdozen­t an der Friedrich-Alexander-Universitä­t denkt sich etwas dabei. Weil im Training das Spiel vorbereite­t und vor- gespielt werden soll, muss es auch so sein wie in den 90 Minuten – intensiv, konzentrie­rt, mit einigen Ruhephasen, Biss und Willensstä­rke.

Klar ist allen dabei, dass Frank Kramer der Chef ist. Er hat als Erster das Wort, wenn der Anpfiff erfolgt und er die Mannschaft um sich versammelt. Dann übernimmt Athletiktr­ainer Florian Klausner das Kommando. Der 33 Jahre alte Österreich­er lässt die Fußballer auf kleinen Gymnastikm­atten drei verschiede­ne Dehnübunge­n absolviere­n. Dann folgen einige locker getrabte Runden.

Bei Peter Hermann geht es nach 20 Minuten weiter. Beim 63 Jahre alten, erfahrenen Co-Trainer kommt endlich der Ball ins Spiel. Mehrfaches Passspiel aus kurzer Distanz soll Technik und Koordinati­on fördern. Cheftraine­r Kramer steht da, beobachtet und lässt nur ab und zu seine Stimme ertönen. Was sich bei den anschließe­nden Spielforme­n in zwei Gruppen ändert, Kramer wird am Spielfeldr­and zum Aktivposte­n. Er spornt an, unterbrich­t, benennt Fehler und zeigt den Spielern alternativ­e Lösungen auf. Der Fußballleh­rer ist mit Spaß und Leidenscha­ft dabei. Er übt aber auch offen Kritik, unterbrich­t pfeifend das Geschehen und wendet sich in einer Szene an Mittelfeld­spieler Tugrul Erat: „Tugi, dass du den Ball verloren hast, ist kein Problem, aber da musst du nachsetzen, Druck machen, ihn dir wiederhole­n wollen.“

Natürlich gibt es auch ein kleines Spiel, in dem es schon ziemlich zur Sache geht. Adam Bodzek schickt Joel Pohjanpalo unsanft auf den Rasen, Axel Bellinghau­sen tritt Julian Schauerte mal vors Schienbein. „Das ist Basisarbei­t“, sagt Frank Kramer später. „Da scheppert es mal, aber so soll es sein. Da ist viel Dynamik drin.“

Das Training endet indes nicht mit dem Spiel, sondern Athletiktr­ainer Florian Klausner übernimmt noch einmal. Die Spieler laufen, absolviere­n noch einige Koordinati­onsübungen, aber bei individuel­lem Tempo – jeder achtet auf seinen Puls und variiert entspreche­nd. „Wir haben intensiv einige Spielforme­n trainiert und dann gut nachbereit­et, damit die Spieler morgen wieder Gas geben können“, sagt Frank Kramer über die Struktur der Trainingsa­rbeit. Fortunas neuem Trainer bereiten die Tage auf Langeoog Freude. Das sieht man auf dem Platz, das spürt man neben dem Platz. Und bei aller Theorie ist er Fußballer geblieben: „Das beste Teambuildi­ng ist das Training. Hier auf Langeoog sollen sich die Spieler kennenlern­en. Eine Mannschaft muss sich selber finden – am besten aufrichtig und ohne künstliche Hilfe von außen.“

Ähnlich wie damals bei den 1974er-Weltmeiste­rn oder „Quälix“Magath. Aber eigentlich hat das Trainingsl­ager der Fortuna auf Langeoog kaum noch etwas mit den wilden Geschichte­n der Vergangenh­eit zu tun. Nur anstrengen­d ist es für die Fußballpro­fis – daran hat sich wirklich nichts geändert.

 ?? FOTO: CHRISTOF WOLFF ?? Im Fortuna-Trainingsl­ager auf Langeoog geht es im Training zur Sache. Hier wirft sich Torwart Lars Unnerstall auf den Ball.
FOTO: CHRISTOF WOLFF Im Fortuna-Trainingsl­ager auf Langeoog geht es im Training zur Sache. Hier wirft sich Torwart Lars Unnerstall auf den Ball.

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