Trainingslager können gefährlich sein
Legenden ranken sich um die Saisonvorbereitung von Fußballprofis. Mittlerweile haben moderne Trainingsmethoden Einzug gehalten – auch bei Zweitligist Fortuna auf Langeoog. Beobachtungen einer Trainingseinheit.
Trainingslager von Fußballern können gefährliche Tage sein. Weil nicht nur gemeinsam trainiert, sondern auch Freizeit gestaltet wird. So sollen sich die Weltmeister von 1974 in der Sportschule Malente einst am Pool, beim Kartenspiel, und auchbei nächtlichen Partyausflügen vergnügt haben. Zwei Jahrzehnte später sorgte Trainer Felix Magath für Aufsehen, weil er im Trainingslager mit Medizinbällen arbeitete, als „Quälix“die Spieler Treppen hoch und runter jagte.
Und heute bei der Fortuna auf Langeoog? Keine Sportschule, kein „Quälix“, keine Nachtschwärmer? Die beschauliche Ferieninsel taugt
„Da scheppert es mal, aber das soll so sein.
Da ist viel Dynamik drin.“
Frank Kramer
Cheftrainer Fortuna Düsseldorf
schon mal nicht zur Partymeile, lockt eher junge Familien oder Senioren an. Dafür bietet sie mit ihrer Idylle und zwei Rasenplätzen optimale Bedingungen für ein Trainingslager heutiger Art, wo selbst eine Trainingseinheit von der Abwechslung zwischen höchster Intensität und Ruhephasen geprägt ist. Denn bezogen auf das Medizinball-Geschleppe hat sich einiges in der Trainingsmethodik geändert.
So herrscht morgens um 7 Uhr am Strand von Langeoog nahezu gähnende Leere, die Zweitligaprofis der Fortuna sucht man vergebens. „Natürlich ist ein Strandlauf mal drin, wenn es angebracht oder hilfreich ist. Aber regelmäßig dort zu trainieren, halte ich nicht für förderlich“, sagt Fortuna-Trainer Frank Kramer. Und der ehemalige Gymnasiallehrer und Sportdozent an der Friedrich-Alexander-Universität denkt sich etwas dabei. Weil im Training das Spiel vorbereitet und vor- gespielt werden soll, muss es auch so sein wie in den 90 Minuten – intensiv, konzentriert, mit einigen Ruhephasen, Biss und Willensstärke.
Klar ist allen dabei, dass Frank Kramer der Chef ist. Er hat als Erster das Wort, wenn der Anpfiff erfolgt und er die Mannschaft um sich versammelt. Dann übernimmt Athletiktrainer Florian Klausner das Kommando. Der 33 Jahre alte Österreicher lässt die Fußballer auf kleinen Gymnastikmatten drei verschiedene Dehnübungen absolvieren. Dann folgen einige locker getrabte Runden.
Bei Peter Hermann geht es nach 20 Minuten weiter. Beim 63 Jahre alten, erfahrenen Co-Trainer kommt endlich der Ball ins Spiel. Mehrfaches Passspiel aus kurzer Distanz soll Technik und Koordination fördern. Cheftrainer Kramer steht da, beobachtet und lässt nur ab und zu seine Stimme ertönen. Was sich bei den anschließenden Spielformen in zwei Gruppen ändert, Kramer wird am Spielfeldrand zum Aktivposten. Er spornt an, unterbricht, benennt Fehler und zeigt den Spielern alternative Lösungen auf. Der Fußballlehrer ist mit Spaß und Leidenschaft dabei. Er übt aber auch offen Kritik, unterbricht pfeifend das Geschehen und wendet sich in einer Szene an Mittelfeldspieler Tugrul Erat: „Tugi, dass du den Ball verloren hast, ist kein Problem, aber da musst du nachsetzen, Druck machen, ihn dir wiederholen wollen.“
Natürlich gibt es auch ein kleines Spiel, in dem es schon ziemlich zur Sache geht. Adam Bodzek schickt Joel Pohjanpalo unsanft auf den Rasen, Axel Bellinghausen tritt Julian Schauerte mal vors Schienbein. „Das ist Basisarbeit“, sagt Frank Kramer später. „Da scheppert es mal, aber so soll es sein. Da ist viel Dynamik drin.“
Das Training endet indes nicht mit dem Spiel, sondern Athletiktrainer Florian Klausner übernimmt noch einmal. Die Spieler laufen, absolvieren noch einige Koordinationsübungen, aber bei individuellem Tempo – jeder achtet auf seinen Puls und variiert entsprechend. „Wir haben intensiv einige Spielformen trainiert und dann gut nachbereitet, damit die Spieler morgen wieder Gas geben können“, sagt Frank Kramer über die Struktur der Trainingsarbeit. Fortunas neuem Trainer bereiten die Tage auf Langeoog Freude. Das sieht man auf dem Platz, das spürt man neben dem Platz. Und bei aller Theorie ist er Fußballer geblieben: „Das beste Teambuilding ist das Training. Hier auf Langeoog sollen sich die Spieler kennenlernen. Eine Mannschaft muss sich selber finden – am besten aufrichtig und ohne künstliche Hilfe von außen.“
Ähnlich wie damals bei den 1974er-Weltmeistern oder „Quälix“Magath. Aber eigentlich hat das Trainingslager der Fortuna auf Langeoog kaum noch etwas mit den wilden Geschichten der Vergangenheit zu tun. Nur anstrengend ist es für die Fußballprofis – daran hat sich wirklich nichts geändert.