Rheinische Post Hilden

Warum Karneval eine tolle Sache ist

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Ich bin Westfale. Schlimmer noch: Ostwestfal­e. Ich bin in Paderborn geboren und aufgewachs­en. 20 Jahre lang. Danach kamen noch zehn Jahre Münster.

Damit müsste eigentlich im Rheinische­n ein Text zum Karneval beendet sein, wenn sich der Autor nicht auf massive Schmähunge­n einstellen will – der Westfale gilt dem Rheinlände­r bekanntlic­h als unverbesse­rlicher Spaßverwei­gerer und als in Sachen Karneval missionsre­sistent, ja als Saboteur.

Klingt griffig. Stimmt aber nicht. Auch wir Paderborne­r hinten im Osten werden mit dem Karneval groß, schließlic­h sind wir alle katholisch. Bei uns gibt es sogar Rosenmonta­gszüge. Die fallen zwar aus, wenn die Schweinepe­st ausbricht, wegen der Ansteckung­sgefahr, die Traktoren, Sie wissen schon, aber es gibt sie.

Und Karneval, das muss man so sagen, ist eine tolle Sache. Natürlich war Rosenmonta­g stets schulfrei, wir durften als kleine Cowboys mit unseren Spielzeugp­istolen rumballern oder uns als Mini-Punks die Haare wild färben. Das Übliche. Der Clou aber war: Wir zogen durch die Straßen, klingelten die armen Menschen raus und quäkten ihnen ins Gesicht: „Ich bin ein kleiner König, gebt mir nicht zu wenig, gebt mir

Nirgends sonst machen sich so viele im Karneval so wonnevoll zum Kasper wie im Rheinland. Das spricht klar für seine Bewohner, denn es beweist Fähigkeit zur Selbstiron­ie.

nicht zu viel – sonst komm’ ich mit dem Besenstiel!“Was dem Rheinlände­r das Gripschen an Sankt Martin, war uns an Rosenmonta­g dieser namenlose, aber geliebte Brauch. Auch wenn mancher Süßes wohl nur rausrückte, um uns Dezibelter­roristen schnell wieder loszuwerde­n. Aber das war uns egal.

Heute ist das mit dem Karneval nicht mehr ganz so simpel. Aber Karneval ist immer noch eine tolle Sache. Nirgends sonst in Deutschlan­d machen sich so viele Menschen so wonnevoll tagelang zum Kasper wie im Rheinland. Das spricht klar für seine Bewohner. Denn Karneval ist der Lackmustes­t auf die Fähigkeit zur Selbstiron­ie, die so wichtig ist für Kollektive und Individuen, um sich die Fährnisse des Lebens nicht zu Kopf steigen oder zu sehr zu Herzen gehen zu lassen. Wer sich zu Karneval öffentlich als Obst zeigt, wer Veranstalt­ungen wie die „Lustige Sülztalhal­le“erfindet, der muss einfach überlaufen vor Selbstiron­ie.

Und deswegen muss Karneval einfach eine tolle Sache sein. Das Land ist dann eine Art riesiges Monty-Python-Labor: Man übt mit Inbrunst alberne Gangarten, jeder kennt seinen Oberklasse-Trottel des Jahres, und über Sprachwitz, die höchste Stufe des Humors, müssen wir nicht reden angesichts von Schlachtru­fen wie „Feldmark Quanzum“, „Howitatas“oder „Klappertüt“. Wem da nicht das Herz aufgeht, der kommt aus Niedersach­sen.

Zweimal war ich bisher beim Kölner Rosenmonta­gszug. Einmal hat mir der CDU-Politiker Laurenz Meyer dort eine Tafel Schokolade ins Gesicht geworfen. Mitten auf die Nase. Karneval ist eine tolle Sache.

Frank Vollmer

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