Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
SAP will Cloud-Tochter an die Börse bringen
Der Anfang 2019 zugekaufte amerikanische Ableger Qualtrics könnte etwa 14 Milliarden Euro wert sein. Das Cloud-Geschäft gilt als krisensicher. Der SAP-Konzerngewinn steigt im zweiten Quartal um mehr als 50 Prozent.
WALLDORF (dpa) Europas größter Softwarehersteller SAP hat mitten in der Corona-Krise mehr Gewinn gemacht und will die Gunst der Stunde für den Teilbörsengang einer Tochter nutzen. Der seit Anfang 2019 zum Konzern gehörende US-Milliardenzukauf Qualtrics soll an die Börse gebracht werden. SAP-Finanzchef Luka Mucic wollte zunächst keine Angaben über eine mögliche Bewertung von Qualtrics machen. Details zum Zeitplan und zum Umfang des möglichen Angebots soll es ebenfalls später geben. Gemessen an der Börsenbewertung direkter und ähnlich schnell wachsender Rivalen, könne Qualtrics auf einen Unternehmenswert von rund 14 Milliarden Euro kommen, erklärte Julian Serafini, Analyst bei der US-Investmentbank Jefferies. Er geht aber auch von einer möglicherweise breiten Bewertungsspanne aus. SAP selbst ist Deutschlands mit Abstand wertvollster börsennotierter Konzern.
Im November 2018 hatte ExChef Bill McDermott die Übernahme des auf Marktforschungs- und Umfragedaten spezialisierten Anbieters Qualtrics kurz vor dessen damals geplantem Börsengang angekündigt. SAP zahlte acht Milliarden Dollar (heute rund 6,9 Milliarden Euro), Qualtrics sollte ein neuer Baustein in der Cloudstrategie des Unternehmens werden. Nun will der neue Vorstandschef Christian Klein das gute Marktumfeld für Tech- und Cloudwerte insbesondere an den US-Börsen nutzen. Qualtrics soll daher in New York gelistet werden.
Das Cloudgeschäft gilt in der Corona-Krise als wetterfest. Während auch bei SAP die Lizenzerlöse absacken, also die Softwareverträge gegen große Einmalzahlung, fließen die Abonnementzahlungen weiter – wenn Kunden kündigen, verlieren sie hier nämlich in aller Regel den Zugang zur genutzten Software. Zwar leiden auch die Cloudangebote, die über Nutzungs- und Transaktionsgebühren
abgerechnet werden, dennoch konnte SAP dank der immer noch boomenden Geschäfte mit Software zur Nutzung über das Internet den Umsatz im vergangenen Quartal insgesamt um zwei Prozent auf 6,7 Milliarden Euro steigern.
SAP will Mehrheitsaktionär von Qualtrics bleiben und weiter vom starken Wachstum der Sparte profitieren. Das lag im zweiten Quartal bei 34 Prozent. Klein und Qualtrics-Chef Ryan Smith sagten in einer Telefonkonferenz, Qualtrics solle unter anderem mit mehr Kapital ausgestattet werden. SAP könnte sich mit dem Erlös weitere Zukäufe im schnell wachsenden Marktsegment mit Daten zum Verbraucherverhalten leisten.
Qualtrics sammelt Daten etwa auf Webseiten von Internethändlern oder über Umfragen - das Angebot soll Händlern ein genaueres Steuern von Werbung und Marketing ermöglichen. Mit Qualtrics sollten die SAP-Programme zum Steuern von Unternehmen ergänzt werden um den Fokus auf die Verbraucher, die bei den SAP-Kunden einkaufen. Damit will SAP auch den US-Rivalen Salesforce attackieren, der bei Software für den Vertrieb und das Kundenmanagement die Nase vorn hat. Qualtrics bekommt nun jedoch mehr Freiheiten. Gründer Smith will mit dem Börsengang zum größten Privataktionär der Firma werden. Auch sollen die Amerikaner künftig unabhängiger agieren können.
In der Corona-Pandemie war SAP auf die Kostenbremse getreten, im ersten Quartal waren die so lukrativen Lizenzverkäufe so stark weggebrochen, dass die Walldorfer die Finanzprognosen senken mussten. Zwischen April und Ende Juni kletterte aber der Gewinn um 52 Prozent auf 885 Millionen Euro. Das lag auch daran, dass ein Programm zum Abbau von Stellen ein Jahr zuvor knapp 200 Millionen Euro gekostet hatte.